Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Landeshaushalt ist in die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung eingebunden. In einer Zeit, in der das wirtschaftliche Wachstum als Problemversüßung und Problemverschleierung ausbleibt, werden die Probleme deutlicher wahrgenommen und natürlich auch schärfer spürbar. Ich will daher einige wirtschaftspolitische und gesellschaftliche Bemerkungen voranschicken.
In den Haushaltsreden wurde von den Regierungsfraktionen immer wieder versucht, die Verantwortung für die schlechten Zahlen des Landeshaushalts auf den Bund nach Berlin zu schieben. Wenn man diese Agitation einmal weglässt und sich die Zahlen anschaut, wird man erkennen, dass Deutschland keineswegs insgesamt ein Defizit an internationaler Wettbewerbsfähigkeit hat. Die internationale Wirt
schaftszeitung „Economist“ schreibt sogar in der neuesten Ausgabe vom letzten Samstag, Deutschland sei in den letzten fünf Jahren – so wörtlich – „super wettbewerbsfähig“ geworden. In der Tat sind die Lohnstückkosten in Deutschland seit 1999 gegenüber dem Durchschnitt der Euroländer um 10 % zurückgegangen – in Frankreich nur um 2 %, in Italien sind sie um 8 % gestiegen.
Der Grund liegt darin, dass in Deutschland seit 1999 das Produktivitätswachstum über dem Durchschnitt der Eurozone lag.
Die Lohnabschlüsse waren auf der anderen Seite – darin liegt auch ein Problem – die niedrigsten der Eurozone. Deutschland ist das einzige G-7-Land, das seinen Anteil am Weltmarkt in den letzten fünf Jahren steigern konnte. Die deutschen Exporte sind in den letzten fünf Jahren dreimal so schnell gestiegen wie in den USA, obwohl der Euro gegenüber dem Dollar deutlich zugelegt hat, was die Exporte ja spürbar verteuert.
Unternehmensteuern gelten ja nun für alle, sowohl für die Großen als auch für die Kleinen. Die Situation ist da bekanntlich sehr unterschiedlich. Deswegen würde ich Ihren Begriff „Notwehr“, Herr Finanzminister Stratthaus, den Sie am letzten Freitag mit Bezug auf die Billigsteuerländer gebraucht haben, nicht verwenden. Er hat etwas von Panik und Reflex und redet in überzogener Weise unseren Standort herunter.
Es ist nämlich so: Während der eine oder andere Mittelständler sich mit höchst bescheidenen Erträgen am Markt behaupten muss, nimmt die Zahl der größeren Unternehmen zu, die auch in einer Situation exzellenter Gewinne Arbeitsplätze abbauen.
Das Beispiel von Ackermann ist jetzt bekannt. Herr Ackermann hat mit der Deutschen Bank eine Eigenkapitalrendite von 17 %. Er meint aber, das genüge ihm für sein Renommee nicht und er müsse 25 % erreichen. Deswegen und nicht etwa, weil er Existenzsorgen hätte, visiert er Massenentlassungen an.
Dasselbe konnten wir gestern über die Firma Henkel lesen. Sie streicht einen Rekordgewinn ein und baut zugleich Hunderte von Arbeitsplätzen ab.
Meine Damen und Herren, Herr Finanzminister, wir sind in der Situation angekommen, dass wir in Teilen unserer Branchen eine hohe Wettbewerbsfähigkeit und vielfach hohe Gewinne haben und dass dennoch Belegschaften knallhart reduziert werden. Seien wir doch an dieser Stelle einmal ehrlich: Das machen diese Firmen unabhängig davon, wer gerade in Berlin regiert.
Deswegen sind Ihre Aussagen, es liege an der rot-grünen Regierung in Berlin und es werde irgendwie schon anders, wenn Sie an die Regierung kämen,
nichts als Ausflüchte, um den Leuten gegenüber zu verschleiern, dass Sie selbst nicht in der Lage sind, hier für einen ausgeglichenen Haushalt zu sorgen. Das sind die Tatsachen.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Scheffold CDU: Unser Haushalt wäre ausgeglichen, wenn es den Länderfinanzausgleich nicht gäbe! – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Eine bessere Steuerung, ein besseres Steuersystem, geringere Unternehmen- steuern!)
Wir haben also teilweise durchaus eine hohe Wettbewerbsfähigkeit, gleichzeitig jedoch einen unerträglich hohen Stand der Arbeitslosigkeit.
Das liegt mit daran, dass wir viele Menschen haben, deren Qualifikationsprofil nicht mehr zum Arbeitsmarkt passt.
Herr Stratthaus, das ist die Situation und das Umfeld, in dem wir über eine Reform der Unternehmensteuer diskutieren. Das heißt, wir sollten genau prüfen, was dabei dem Mittelstand zugute kommt, wem die Reform Entlastung bringt und was sie kostet.
Herr Kollege Kretschmann, Sie weisen auf die hohen Gewinne der DAX-Unternehmen hin. Ist Ihnen bewusst, dass von den 30 DAX-Firmen die Umsätze nur noch zu einem Viertel in Deutschland erzielt werden,
während drei Viertel im Ausland erzielt werden, und dass auch die Gewinne fast ausschließlich im Ausland erwirtschaftet werden? Ist Ihnen das bewusst?
(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das ist das Problem! – Abg. Dr. Scheffold CDU: Das liegt an Ihnen! – Heiterkeit bei der CDU und der FDP/DVP)
Es ist doch völlig klar, dass diese Unternehmen – es sind internationale Konzerne – international operieren müssen. Es ist ein Märchen, dass immer mehr Arbeitsplätze ins Ausland verlagert würden; das können wir gerade neuesten Aussagen vonseiten der Industrie entnehmen. Wenn sie das nicht machten, wären die Arbeitsplätze hier in Deutschland noch stärker gefährdet. Ich weiß gar nicht, was diese Äußerungen sollen. Es ist doch völlig klar, dass diese Firmen am internationalen Markt operieren und sich dort behaupten müssen. Das dient der hiesigen Wirtschaft und schadet ihr nicht, und ich habe das auch überhaupt nicht kritisiert.
Ich kritisiere, dass ein hoher Arbeitskräfteabbau im Land stattfindet, obwohl man gute Gewinne macht. Das kritisiere ich.
(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU – Abg. Dr. Scheffold CDU: Das ist kei- ne Logik, Herr Kollege!)
Auf das, was diese Unternehmen machen, hat die Politik einen höchst geringen Einfluss. Den Leuten etwas anderes zu suggerieren heißt doch, den Leuten etwas vorzumachen.
Der Kernpunkt dieser Diskussion ist doch die Frage, was das für uns in Bezug auf die Unternehmensteuerreform bedeutet. Erstens müssen wir sehen, dass die dritte Stufe erst jetzt zum 1. Januar in Kraft getreten ist und dass wir erwarten können, dass sich die Senkung der Steuersätze insbesondere bei uns in Baden-Württemberg, wo wir 90 % Personengesellschaften haben, sehr positiv auf diese Unternehmen auswirken wird. Wir lassen aber mit uns darüber reden, auch die Unternehmensteuerreform zu reformieren. Transparenz, Effizienz und eine gerechte Besteuerung der Unternehmen ist dabei unser Leitziel. Das jetzige System nützt vielen großen Kapitalgesellschaften, die sich arm rechnen können. Herr Finanzminister, es hat auch keinen Sinn, immer nur über die nominalen Steuersätze zu reden. Wir müssen auch darüber reden, was wirklich und effektiv von den Unternehmen gezahlt wird. Da sehen wir, dass sich das doch bei großen Unternehmen relevant von den Mittelständlern unterscheidet. Das muss der Maßstab bei der Unternehmensteuerreform sein.
Ihre Aussage, Herr Kollege Scheffold, dass es sinnlos sei, Steuern einzutreiben, weil wir davon gar nichts oder allenfalls 5 % hätten, und dass es deswegen unsinnig sei, zusätzliche Steuerbeamte einzustellen, wenn wir sowieso alles abgeben müssten, ist eine völlig abenteuerliche Behauptung.
(Abg. Dr. Scheffold CDU: Das habe ich doch gar nicht gesagt, Herr Kollege! Ich habe gesagt, sie er- wirtschaften nicht 10 Millionen €! Das stimmt doch gar nicht, was Sie sagen!)
Wenn man das einigermaßen logisch weiterdenkt, dann muss man Ihnen ja empfehlen: Dann bauen Sie halt so viele Steuerbeamte ab, bis wir Empfängerland sind, weil wir keine Steuern mehr einnehmen und dann von den anderen Län
dern Ausgleichszahlungen aus deren Steuereinnahmen bekommen. Das ist doch abstrus, was Sie da behaupten!
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Scheffold CDU: Sie haben doch 10 Millionen € dazugerechnet! Das sind doch Ihre Rechnungen, nicht meine!)
Wenn man allerdings die Frage, ob man die Steuern, die der Staat beschließt, auch eintreibt, davon abhängig macht, ob man als Land selber davon profitiert,
dann muss man sich nicht wundern, dass Vorschläge auf den Tisch kommen, wie das in der Föderalismuskommission der Fall war, dass die Steuerverwaltung zentralisiert wird und zum Bund kommen soll und dass man sie den Ländern, die so denken, wie Sie es offensichtlich tun, entziehen muss, weil das das gesamte Gemeinwesen untergräbt.