Protokoll der Sitzung vom 16.03.2005

Entscheidend bei all diesen Fragen ist doch letzten Endes, dass wir ein Stück weit Ruhe und Klarheit in die Familien bekommen, dass wir die gerichtlichen Verfahren so gestalten und fördern müssen, dass bei begründetem Anfangsverdacht – so ein privater Vaterschaftstest wäre meines Erachtens so ein Anfangsverdacht, sofern als Ergebnis herauskommt, dass ich nicht der Vater bin – der Test zugelassen werden kann. Dazu brauchen wir eine gesetzliche Regelung. Sie muss sicherlich sehr streng gefasst werden. Nicht jeder darf so einen Vaterschaftstest machen lassen, das ist vollkommen klar, weder die Nachbarin noch die Schwiegermutter. Aber die Betroffenen haben doch ein Recht darauf, auf ihre Fragen eine Antwort zu erhalten. Ebenso wie der Vater ein Recht darauf hat, zu wissen, wem er sein Leben weitergegeben hat, hat auch das Kind ein Recht darauf, zu wissen, wer sein Vater ist. Alles andere, nämlich dafür hohe juristische Hürden zu setzen, wäre weltfremd.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es! Sehr rich- tig!)

Wir müssen das für die Bevölkerung regeln. Die Möglichkeiten der Untersuchung gibt es, und das ist, glaube ich, auch gut. Deswegen müssen sowohl die Ansprüche des Vaters als auch die des Kindes in diesem Verfahren besser als bisher durchgesetzt werden. Ich glaube, dass hierfür der Vorschlag des Justizministers eine gute Diskussionsgrundlage ist.

Noch ein Punkt zur Frage einer EU-weiten Regelung. Sie können heute über das Internet schon entsprechende Tests in Südamerika oder auch anderswo machen. Es ist also auch weltfremd, zu sagen, wenn eine EU-weite Regelung umgesetzt würde, könnten wir verhindern, dass private Vaterschaftstests gemacht werden. Klar ist auch: Wer das wissen will – und die technische Möglichkeit dazu besteht auf der Welt –, der wird einen Weg finden, diesen Test machen zu lassen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es! – Abg. Sti- ckelberger SPD: Dann muss man ihn legalisieren?)

Dann ist es doch besser, dass wir die Hürden hier in Deutschland in der Abwägung der verschiedenen Rechtsgüter – darauf bin ich im ersten Block eingegangen – ordentlich regeln, damit wir eine vernünftige Lösung haben und die Väter weder kriminalisieren noch sie zu Tests ins Ausland schicken. Ich bitte Sie wirklich, in der Diskussion dazu beizutragen und zu helfen, dass solche Regelungen geschaffen werden.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ich glaube, die Bevölkerung erwartet von uns auch, dass wir uns im Zweifel für die Kinder aussprechen. Für die Kinder ist es wichtig, zu wissen, wer ihr Vater und wer ihre Mutter ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Stickelberger.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung zunächst zu Ihnen, Herr Justizminister, was den Begriff „heimlich“ angeht. Er wurde von Ihrer Fraktion im Titel der heutigen Aktuellen Debatte gewählt, nicht von uns. Der Begriff der Heimlichkeit wird ebenso wie der aus meiner Sicht abträgliche Begriff „Kuckuckskinder“ von Ihnen im Mund geführt. Wir sollten schon ein gewisses Niveau, auch sprachlich, einhalten, um dem Ernst dieses Themas gerecht zu werden.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Oelmayer GRÜ- NE – Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Sie können sicher sein, liebe Kollegen Theurer und Dr. Lasotta, dass ich der Letzte bin, der hier moralisiert. Das werden die Mitglieder meiner Fraktion bestätigen können.

(Abg. Zeller SPD: Können wir bestätigen!)

Ich bin der Letzte, der den Moralapostel spielen will, und ich bin auch nicht weltfremd. Ich bin allerdings der Meinung, dass nicht alles, was man auf dem Weltmarkt, wie Sie zu Recht sagen, besorgen kann, auch in Deutschland legalisiert werden muss. Das muss nicht sein.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ihre Vorgängerin, Herr Justizminister, hat zu Recht erkannt, wie sensibel dieses Thema ist. Als die Fernsehshows zur

Feststellung der Vaterschaft aufkamen, in denen man in sehr plakativer Weise Familienmitglieder vorgeführt hat, wollte sie dieser Publizität, dieser Vermarktung der familiären und sehr intimen Fragen einen Riegel vorschieben. Dies wäre der richtige Umgang mit diesem Thema.

Was die Strafbarkeit angeht, habe ich vorhin schon einiges gesagt: Ich halte nichts davon, dieses Problem letztlich mit der Keule der Strafbarkeit lösen zu wollen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Also!)

Allerdings verstehe ich wiederum nicht, dass Sie, Herr Kollege Theurer, sehr wortreich das von mir vorhin vorgestellte niederschwellige Verfahren und unseren Vorschlag, eine richterliche Anordnung zur Voraussetzung zu erklären, kritisiert haben.

Herr Justizminister, Presseberichten zufolge haben Sie davon gesprochen, dass man die Väter förmlich vor Gericht treiben würde und dass dies zu einer Prozesslawine führen könnte. Das niederschwellige Verfahren, das einen einfachen Zugang zur Feststellung der Vaterschaft erlaubt, hat ja durchaus seine Berechtigung. Ich darf aus einem Antrag vorlesen, der im Bundestag eingebracht wurde. Dort heißt es:

Angesichts der Verfügbarkeit gentechnischer Verfahren zeigt die Diskussion um den heimlichen Vaterschaftstest, dass es ein niederschwelliges Verfahren der Vaterschaftsfeststellung geben muss, in dem in Offenheit die biologische Abstammung geklärt werden kann.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Das habe ich ja vorhin gesagt!)

Dann wird die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf mit folgendem Inhalt vorzulegen:

Die Feststellung der Abstammung erfolgt aufgrund richterlicher Anordnung eines DNA-Analysetests zur Sicherung des effektiven Grundrechtsschutzes der Betroffenen.

(Zuruf des Abg. Theurer FDP/DVP)

Unterzeichnet, Herr Kollege Theurer, ist dieser Antrag

(Abg. Drexler SPD: Da sind Sie nicht dafür, Herr Theurer?)

von Birgit Homburger,

(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Schmiedel: Wa- ckel-FDP!)

Rainer Brüderle, Dirk Niebel, Jürgen Koppelin,

(Abg. Schmiedel SPD: Einmal hüst, einmal hott!)

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion der FDP.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Die kenne ich gar nicht!)

Das, was wir als Kompromiss und als Lösung für die Zukunft vorstellen, ist genau das, was Ihre Kolleginnen und Kollegen im Bundestag beantragt haben.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Schmiedel SPD: Blattschuss!)

Dann kann das ja wirklich nicht so falsch sein.

(Abg. Alfred Haas CDU: Doch, das ist falsch!)

Gestatten Sie mir eine letzte Bemerkung. Ich habe vorhin schon bemängelt, dass mir die Güterabwägung der grundrechtsrelevanten Rechte viel zu kurz kommt, vor allem in der rechtspolitischen Diskussion seitens einer Rechtsstaatspartei, als die sich die FDP gerne präsentiert.

Mich stört auch, dass man hier die Vaterschaft – und dabei moralisiere ich beileibe nicht – auf eine rein biologische Funktion und die Rolle des Vaters auf diejenige eines Unterhaltspflichtigen reduziert.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Schmiedel SPD: Sehr gut!)

Das wird der Problematik nicht gerecht.

Ich habe vorhin gesagt, es gehe nicht an, ein Gesetz auf der Grundlage zu schaffen, dass jemand ausgetrickst wird. Sie haben gesagt, auch Frauen hätten schon Männer ausgetrickst.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Es mag sein, dass sich die Partner in bestimmten familiären Verhältnissen gegenseitig austricksen. Aber mit uns ist nicht zu machen, Herr Kollege Theurer, das Austricksen zum Tatbestand einer rechtlichen Regelung zu nehmen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Theu- rer FDP/DVP: Das habe ich ja nicht gesagt!)

Meine Damen und Herren, deswegen sollten wir die Diskussion weiter führen. Dabei ist noch vieles zu besprechen, insbesondere im Hinblick auf die Fragen, die Sie, Herr Dr. Lasotta, angesprochen haben. Das ist ein weites Feld. Das betrifft die Zukunftsfragen. Die heimlichen Vaterschaftstests sind davon nur ein kleiner Ausschnitt der Problematik.

Vorerst für uns als Fazit: Uns sind heimliche Vaterschaftstests immer noch sehr unheimlich.

Danke schön.