Protokoll der Sitzung vom 16.03.2005

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Stickelberger, gestatten Sie noch eine Frage des Herrn Abg. Theurer?

Ich gestatte das, auch wenn er selbst nicht Vater ist.

(Abg. Drexler SPD: Wer weiß? – Abg. Alfred Haas CDU: Woher wissen Sie das? – Abg. Dr. Lasotta CDU: Wissen Sie das genau? – Heiterkeit)

Herr Kollege Stickelberger, ich frage mich zwar, ob Sie mir zugehört haben, aber ich frage Sie weiter: Sind Sie erstens bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich mich in meinem Redebeitrag sehr wohl dafür ausgesprochen habe, niederschwellige Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft zuzulassen und einzuführen, auch im Sinne des Antrags der Bundestagsfraktion der FDP, den Sie gerade zitiert haben?

Sind Sie zweitens bereit, zur Kenntnis zu nehmen,

(Abg. Drexler SPD: Nein!)

dass ich nicht dafür plädiert habe, auf der Basis des Austricksens einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, wie Sie das gerade dargestellt haben?

(Abg. Drexler SPD: Du bist bereit, aber so war es nicht!)

Ich bin schon bereit, das zur Kenntnis zu nehmen, aber so habe ich Ihre Darstellung nicht verstanden. Dem niederschwelligen Verfahren, das Sie angesprochen haben, liegt ja keine richterliche Entscheidung zur Feststellung der Vaterschaft zugrunde, sondern Sie haben die richterliche Feststellung ausdrücklich kritisiert.

In diesem Zusammenhang verstehe ich etwas überhaupt nicht. Da muss ich auch Sie kritisieren, Herr Justizminister. Diese Vaterschaftstests hat ja nicht irgendwer für unzulässig oder nicht verwertbar erklärt, sondern dies hat der Bundesgerichtshof festgestellt –

(Abg. Theurer FDP/DVP: An meinem Geburtstag!)

immerhin das höchste Gericht für diesen Bereich. Beweisverwertungsverbote haben wir durchgängig in unserem Rechtssystem. Man darf auch den Inhalt illegal abgehörter Telefongespräche nicht verwerten. Warum sollte man dann widerrechtlich entnommene Gewebeproben oder Genpartikel verwerten dürfen? Das geht uns zu weit.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oelmayer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir in dieser zweiten Runde noch zwei oder drei ergänzende Bemerkungen zu diesem Thema und auch zu meinen Vorrednern.

Herr Minister, Sie heben darauf ab, wir wollten kriminalisieren und mit Strafrechtsregelungen auch Strafen verhängen, obwohl wir das gar nicht gesagt haben. Dazu will ich nur sagen: In unserer Verfassung und vor allem zu unserem Grundrechtsschutz gibt es verschiedene strafrechtliche Regelungen. Zum Beispiel kann es, wenn Sie einen Brief, der an Ihre Frau adressiert ist, öffnen, durchaus ein Jahr Freiheitsstrafe nach sich ziehen. Meine Damen und Herren, das ist gut so, weil auch das Briefgeheimnis ein intimes und integres Geheimnis ist, das jeder für sich selber wahren soll. Das ist in unserer Verfassung so festgeschrieben.

Jetzt argumentiere ich einfach so, meine Damen und Herren – ich will jetzt keine technische Debatte über DNA-Analysen mit Ihnen, Kollege Lasotta, führen –:

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Das können wir gern ma- chen!)

Tatsache ist zunächst einmal, dass die DNA-Analysen, die zum Zweck der Vaterschaftsfeststellung durchgeführt werden, vor allem dann, wenn das Kind noch klein ist, ohne Einwilligung des Kindes erfolgen. Solche Grundrechtstatbestände sind von Artikel 1 und Artikel 2 unseres Grundgesetzes abgeleitet. Die informationelle Selbstbestimmung ist ja nicht irgendetwas. Ich bin der Meinung, dass wir in einem Rechtsstaat für diesen Eingriff entweder die Einwilligung beider Elternteile oder eine richterliche Entscheidung brauchen. Dass wir dies nicht ohne Zutun des Rechtsstaats machen können, liegt für mich schon grundrechtsseitig auf der Hand.

(Beifall bei den Grünen)

Im Übrigen finde ich es schon fatal, dass der Kollege Theurer von einem Gesetzentwurf des Herrn Justizministers dieses Landes spricht,

(Abg. Theurer FDP/DVP: Das habe ich nicht!)

wobei ich ja weiß, dass wir es derzeit in jeder Plenarsitzung mit einer Bundesratsinitiative des Ministers zu tun haben.

Wenn es einen solchen Entwurf gibt, wäre es ja schön gewesen, wenn wir diesen für diese Debatte gehabt hätten. Wenn es keinen gibt, haben Sie sich versprochen, Herr Kollege Theurer. In diesem Fall verzeihe ich Ihnen.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Sehr großzügig! Ich sprach vom Bund!)

Ein weiterer Gedanke, der bisher noch gar nicht zur Sprache kam: Als praktizierender Familienvater – ich bin Familienvater einer Patchworkfamily, wie man so schön sagt – weiß ich, dass es um noch viel mehr geht. Ich weiß nämlich ganz genau, dass sich die Vaterschaft nicht nur an rechtlichen und auch nicht nur an den biologischen Tatbeständen orientiert, sondern dass es natürlich, verdammt noch einmal, darauf ankommt, ob jemand zu seiner Familie und zu seinen Kindern steht, ob er denen eine soziale Heimstatt liefert oder nicht. Dies wollen Sie mit heimlichen Tests zerstören.

(Beifall bei den Grünen)

Das entscheidende Argument haben wir bisher noch gar nicht diskutiert. Bei den bisherigen Regularien der Vaterschaftsfeststellung nach dem BGB gibt es ja immerhin Fristen. Da ist eine Zweijahresfrist festgeschrieben, und zwar ab Kenntnis. Was nun „Kenntnis“ bedeutet, kann ich in der Kürze der Zeit nicht erläutern, weil es dazu eine komplizierte Rechtsprechung gibt. Aber, meine Damen und Herren, vom Minister habe ich bisher nichts, aber auch gar nichts darüber gehört, ob bei einem Vater, der vielleicht einmal Zweifel kriegt, wenn das Kind 17 und richtig teuer wird, weil es aufs Gymnasium geht oder studiert, eine Befristung eingeführt werden soll. Davon habe ich nichts ge

hört. Was soll das denn für ein Zustand sein, wenn ein Vater sein Kind 17 Jahre lang in dem Bewusstsein erzieht, dass es sein Kind ist, und das Kind seine Identität auch vom Vater ableitet, wenn Sie es zulassen, dass diese Identität nach 17 Jahren zerstört wird! Das kann in einem Rechtsstaat kein Zustand sein.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, zum Schluss darf ich noch sagen: Ich habe den Eindruck, dass es ganz gut gewesen wäre, wenn der Minister und der Kollege Theurer einmal die BGH-Entscheidung gelesen hätten. Auch ich muss viele Urteile lesen, die mir nicht gefallen. Diese Entscheidung ist an der Stelle des Grundrechtseingriffs einfach eindeutig, Kollege Theurer, hergeleitet über die Europäische Menschenrechtskonvention. Diese Konvention ist nicht gerade irgendein „Larifari“, sondern die Grundlage unseres Zusammenlebens in Europa. Auch dort ist normiert, dass solche Grundrechtseingriffe wie DNA-Analysen nur mit Einwilligung geschehen dürfen, aber niemals heimlich.

Ich verweise auf andere Länder, wo diese Frage ebenfalls gerade diskutiert wird, zum Beispiel Belgien. In Frankreich sind solche heimlichen Tests sowieso verboten. In Belgien wird immerhin noch die Frage diskutiert, ob innerhalb der Frist von einem Jahr nach Geburt des Kindes geprüft werden kann. Aber dies bis zur Volljährigkeit oder gar noch darüber hinaus einfach offen zu lassen, halte ich für einen Zustand, der mit rechtsstaatlichen Regelungen gar nicht vereinbar sein kann. Dort müssen wir Klarheit schaffen, da haben Sie Recht, liebe Vorrednerinnen und Vorredner, soweit Sie sich darauf gestützt haben.

Es darf nicht sein, dass heimliche Vaterschaftstests die Identität von Kindern, die von Geburt an grundrechtsgeschützt sind, zerstören können. Herr Kollege Theurer, die Frage der informationellen Selbstbestimmung ist keine Frage des Alters, sondern eine Frage des Menschseins,

(Abg. Theurer FDP/DVP: Das wissen wir! Rich- tig!)

und da sind wir uns einig, dass das Menschsein und das „Grundrechtsträgersein“ mit der Geburt beginnt.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Da sind wir uns einig!)

Wenn Sie das als Mitglied einer angeblichen Rechtsstaatspartei ernst nehmen würden, dann hätten Sie die Reden, die Sie heute hier gehalten haben, so nicht halten können.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Theurer FDP/DVP: Die Grünen wer- den nie eine Rechtsstaatspartei!)

Im Vergleich zu Ihnen schon. Das ist eine BGH-Entscheidung.

Das Wort erteile ich Herrn Justizminister Dr. Goll.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist vieles gesagt worden, um ein bisschen zu verbrämen, dass die Vorschläge, die im Raum stehen, nicht nur unsinnig, sondern ganz einfach auch ungerecht sind. Dann sind es die üblichen Spielchen: Es wird versucht, so zu tun, als wäre die Bundes-FDP anderer Meinung als wir.

(Abg. Stickelberger SPD: Ist sie doch!)

In Wirklichkeit gibt es eindeutige Äußerungen der BundesFDP, dass sie gegen die Strafbarkeit heimlicher Vaterschaftstests und gegen die jetzt vorgesehene Regelung ist.

(Beifall des Abg. Theurer FDP/DVP)

Auch wir sind für eine Herabsetzung der Schwelle. Allerdings werden wir gleich sehen, dass dies allein das Problem eben nicht löst.

Dann wurde ein bisschen der Eindruck erweckt, als würden wir mit unserem Vorschlag solchen Fernsehshows Vorschub leisten, statt sie zu verhindern, wie es meine Vorgängerin geplant habe.

(Zuruf des Abg. Stickelberger SPD)

Verzeihung, mit diesen Shows, die an Unappetitlichkeit nicht zu überbieten sind, hat das Thema unserer heutigen Aktuellen Debatte gar nichts zu tun,