Verzeihung, mit diesen Shows, die an Unappetitlichkeit nicht zu überbieten sind, hat das Thema unserer heutigen Aktuellen Debatte gar nichts zu tun,
denn Sie können davon ausgehen, dass dort, wie von Ihnen verlangt, natürlich beide Elternteile dem Test zugestimmt haben; das ist doch klar.
(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sonst wären sie nicht in der Show! – Abg. Dr. Lasotta CDU: Die bekom- men auch Geld dafür, dass sie zustimmen!)
Von Herrn Lasotta wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass wir dann, wenn die Tests zum Beispiel in Südamerika gemacht würden, genau wieder vor derselben Situation stünden wie jetzt. Dann läge nämlich beispielsweise eine Bescheinigung auf dem Tisch, die besagt, dass der Betroffene zu 100 % nicht der Vater ist, und Sie wollen ihn ein Leben lang haftbar machen – beim Unterhalt, beim Erbrecht und bei allem Möglichen. Das geht doch nicht! Am Ende ist er vielleicht getäuscht worden, was strafrechtlich im Grunde genommen in der Nähe des Betrugs ist. Aber Sie meinen, dass Sie die eine Position so radikal schützen müssen, dass die andere dabei vollständig auf der Strecke bleibt. Deswegen ist dieser Vorschlag unsinnig.
Sie beklagen – natürlich zu Recht – einen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht. Den leugnet ja überhaupt kein Mensch. Aber ich stelle einmal die umgekehrte Frage: Wird nicht auch in das Recht des Kindes ein
gegriffen, wenn jemand weiß, dass das Kind nicht vom Partner ist, aber dem Kind nicht sagt, dass es einen anderen Vater hat?
Das Bundesverfassungsgericht hat in vielen Urteilen klar gemacht, dass das Kind ein Recht auf Kenntnis seiner Abstammung hat, und genau in dieses Recht greift unter Umständen die Mutter ein, und zwar genauso tief und dauerhaft oder noch tiefer als der Vater, wenn er heimlich testen lässt, um der Wahrheit ans Licht zu verhelfen. Das wird letzten Endes das Entscheidende sein.
Deswegen, weil das Bundesverfassungsgericht bisher dieses Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung so betont hat, sind wir natürlich auch gespannt auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Sie haben Recht: Auch der Bundesgerichtshof hat eine Abwägung vorgenommen. Nach meiner Meinung lässt sich an dieser Abwägung aber zweifeln. Schauen wir mal, was beim Bundesverfassungsgericht rauskommt. Ich kritisiere den BGH nicht; er konnte mehr oder weniger nicht anders, weil er davon ausging, dass diese Tests verboten sind. Daraus ergibt sich dann das Verwertungsverbot. Daraus ergibt sich aber auch unser einfacher Vorschlag: Wenn eine Person anfechtungsberechtigt ist, wenn sie sonst auch vor Gericht und zum Richter könnte, dann darf sie den Test einreichen.
Das ist bei weitem die beste und überzeugendste Lösung, gerade weil es um eine Abwägung von Rechten geht.
Es geht nicht um einen einseitigen Eingriff, sondern um eine Abwägung von Rechten. Es geht aber auch um die Möglichkeit, dadurch einen Eingriff in die Rechte des Kindes abzuwehren, und zwar auf schonendste Art. Wer wirklich pragmatisch denkt, wer daran denkt, den Familienfrieden zu erhalten, der sollte sich dieser Lösung anschließen.
Übrigens nur einmal am Rande: Was bringt das niederschwellige Verfahren allein – diese Frage habe ich vorhin gestellt –, wenn Sie dann einen Richter entscheiden lassen? Wann soll der denn Nein sagen? Der wird natürlich auch Ja sagen.
Klar. Ich sage nur, dass das allein natürlich nicht hilft. Sie treiben insofern die Leute wirklich nur in einen Prozess hinein, bei dem dann der Richter sagt: „Gut, dann schickt ihr den Test ein.“ Der einzige Unterschied ist, dass es unter Umständen, wenn man ein klassisches Gutachten macht, noch wesentlich teurer wird, dass es umständlicher wird und dass die Familie unter Umständen kaputt ist.
Deswegen: Je mehr man diskutiert – und ich bin ja dankbar für diese Diskussion –, desto entschiedener bin ich der Meinung: Da das Kind auch Rechte darauf hat, seine eigene Abstammung zu kennen, da der Vater Rechte darauf hat, dass die Wahrheit ans Licht kommt, ist es in Ordnung, bei diesem engen Personenkreis Mutter, Vater, Kind zu sagen: Der darf den Test einreichen. Das ist nicht verboten und schon gar nicht strafbar.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Redezeit ist auch abgelaufen. Punkt 1 der Tagesordnung ist damit erledigt.
Aktuelle Debatte – Bildungsoffensive für die Kindergärten in Baden-Württemberg – beantragt von der Fraktion GRÜNE
Es gelten die üblichen Redezeiten: fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde. Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich auch an diesen vorgegebenen Zeitrahmen zu halten.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Alter von bis zu sechs Jahren ist der Entdeckungsgeist der Kinder am größten. In diesem Alter werden die psychischen und physischen Grundlagen für die weitere Entwicklung gelegt. Natürlich haben Eltern die Hauptverantwortung für die Erziehung und Bildung ihrer Kinder, aber die Gesellschaft trägt Mitverantwortung. Deshalb sind Kindertageseinrichtungen Orte, wo die Erziehung und Bildung von Kindern unterstützt und ergänzt werden.
Zum Bildungsauftrag in den Kindertageseinrichtungen gehört zum einen natürlich die Sprachentwicklung, gehören Kreativität und Bewegung und natürlich auch das Denken lernen, Spaß
Bildungschancen beginnen bereits im Kindergarten. Viel zu lange ist der pädagogische Auftrag der frühkindlichen Bildung vernachlässigt worden. Man hat sich jahrelang nur mit Statistiken beschäftigt, mit der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz, aber über die Bedeutung der frühkindlichen Bildung hat man nie geredet, obwohl sie schon im § 22 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes verankert ist. Auch im baden-württembergischen Kindergartengesetz wird in § 2 ausdrücklich auf den Bildungsauftrag hingewiesen und in § 9 die wichtige, zentrale Rolle der Sprachförderung unterstrichen.
In keinem anderen Bereich herrscht eine solch große Diskrepanz zwischen Handeln und Reden wie bei der Diskussion über die frühkindliche Bildung. Vor vier Wochen, bei
den Haushaltsplanberatungen, hat Ministerpräsident Teufel darauf hingewiesen, dass er in drei Wochen ein Konzept zur Sprachförderung vorstelle. Diese Zeit ist verstrichen, passiert ist gar nichts.
Dagegen jagt ein Vorschlag den anderen. So versucht sich der designierte Ministerpräsident Oettinger
mit seiner Forderung nach Einführung einer Kindergartenpflicht zu profilieren. Er sagt aber nicht, wie dies finanziert werden soll und wer dies finanzieren soll, sondern er benutzt nur nebulöse Formulierungen wie „die Finanzierung ist stufenweise in wenigen Jahren von der öffentlichen Hand zu schultern“ – wer auch immer diese öffentliche Hand ist; wahrscheinlich sind es die Kommunen. So funktioniert es auf jeden Fall nicht.
Der neue Präsident des Städtetags, Ivo Gönner, kontert sofort, indem er eine Einschulung mit fünf Jahren fordert und die Finanzierung somit dem Land zuschiebt. Kultusministerin Schavan wiederum belebt die Diskussion, indem sie mehrfach ankündigt, in der nächsten Legislaturperiode Institute für Bildung für Drei- bis Zehnjährige zu schaffen. Beim Kindergarten, bei der Grundschule? Was ist das für ein Konzept? Wie funktioniert das mit dem Orientierungsplan? Keine Ahnung!
Das Einzige, was Sie mit dieser Diskussion erreichen, ist eine tiefe Verunsicherung bei Erzieherinnen, bei Eltern, bei Trägern und ein peinliches Bild der Landesregierung, die Kompetenzstreitigkeiten und machtpolitische Spielchen auf dem Rücken der Kinderbetreuung austrägt.
Der frühkindlichen Bildung wird nicht dadurch geholfen, dass man sie neu organisieren will, dass man neue Strukturen schafft oder früher einschult. Vielmehr geht es in erster Linie darum, die Rahmenbedingungen für frühkindliche Bildung zu verbessern, das heißt kleinere Gruppen, eine Fort- und Weiterbildungsoffensive für die Erzieherinnen. Das heißt auch, dass man endlich das Sprachförderkonzept umsetzt. Erst dann, wenn die Qualität in den Kindergärten stimmt, kann man über eine Kindergartenpflicht oder ein kostenfreies Kindergartenjahr nachdenken – eines nach dem anderen.
5 % der Kinder bei uns besuchen nicht den Kindergarten. Das ist ein Problem. Man muss versuchen, auch diese Kinder zu erreichen. Aber das Hauptproblem besteht doch darin, dass von den 95 % der Kinder, die einen Kindergarten besuchen, 80 % der Kinder mit Migrationshintergrund und 30 % der deutschen Kinder Sprachdefizite haben, wenn sie in die Schule kommen. Deshalb muss man da ansetzen und endlich dafür sorgen, dass das Sprachförderkonzept, das seit Mai 2004, also seit fast einem Jahr, vorliegt, umgesetzt wird.
Dieses Sprachförderkonzept ist ja nicht mehr als eine Minimallösung. Es geht darum, die HSL-Mittel um 6 Millionen € zu erhöhen. 6 Millionen € sind dringend notwendig, damit man die Gruppe der Kinder erweitern kann. Bisher ist es nur möglich, dass Kinder mit Migrationshintergrund an der Sprachförderung partizipieren. Es ist notwendig, dass auch deutsche Kinder und Aussiedlerkinder die Möglichkeit haben, über die HSL-Mittel des Landes bezuschusst zu werden. Zum Zweiten bedarf es einer Erweiterung auf 60 000 Kinder. Im Sprachförderkonzept der IMA wurde festgestellt, dass ca. 60 000 Kinder – das sind 15 % aller Kinder – ergänzende Sprachförderung benötigen.
Wer bezahlt nun diese Sprachförderung, die Kommunen oder das Land? In dem Sprachförderkonzept der interministeriellen Arbeitsgruppe wird noch explizit darauf hingewiesen, dass Sprachförderung eine Gemeinschaftsaufgabe von Kommunen und Land sei.
In der Antwort auf eine Große Anfrage der SPD zum Thema „Zukunft der Kinderbetreuung in Baden-Württemberg“ verweist die Landesregierung darauf, die Verantwortung für die Umsetzung der Sprachförderung liege eindeutig bei den Kommunen.