Protokoll der Sitzung vom 16.03.2005

In der Antwort auf eine Große Anfrage der SPD zum Thema „Zukunft der Kinderbetreuung in Baden-Württemberg“ verweist die Landesregierung darauf, die Verantwortung für die Umsetzung der Sprachförderung liege eindeutig bei den Kommunen.

(Zuruf des Abg. Dr. Caroli SPD)

Was heißt das jetzt? Wer kommt für die 6 Millionen € auf?

(Abg. Alfred Haas CDU: Der Steuerzahler!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit über einem Jahr streitet man sich im Land um 6 Millionen € zuzüglich der Kosten für die Fort- und Weiterbildung.

(Abg. Alfred Haas CDU: 6 Milliarden €!)

6 Millionen €, Kollege Haas. Lesen Sie doch endlich einmal Ihre Vorlagen, anstatt immer nur herumzureden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Fischer SPD: Man muss lesen können! – Zuruf des Abg. Wacker CDU)

Seit einem Jahr streitet man sich im Land um 6 Millionen € für die Sprachförderung. Es erscheint doch wie Hohn, wenn man Vorschläge wie die Einführung einer Kindergartenpflicht – das würde ja bedeuten, dass das Land für die Elternbeiträge aufkommt, 51 Millionen € –

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

in die aktuelle Diskussion einbringt, wenn man nicht einmal in der Lage ist, diese 6 Millionen € zu finanzieren.

(Beifall bei den Grünen)

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich Sie: Schaffen Sie für die Sprachförderung eine vernünftige, dauerhafte Finanzierung. Sprachförderung beginnt ab dem dritten Lebensjahr. Sie ist eine Pflichtaufgabe des Landes und kann nicht über Projekte der Landesstiftung finanziert werden.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Dr. Stolz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die „Kindergarten-PISA“-Studie der OECD bescheinigt unseren Kindergärten ein solides Fundament. Dabei wurden Kinderbetreuungseinrichtungen in Baden-Württemberg, in Brandenburg, in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz und in Thüringen untersucht. Den Kindertageseinrichtungen wurden als positive Merkmale gehaltvolle Konzepte, zufriedenstellende materielle Ressourcen, ein engagiertes, für neue Ideen offenes Personal und Offenheit für Veränderungen bescheinigt.

Bei den gehaltvollen Konzepten nimmt man Bezug auf den ganzheitlichen Ansatz, dass Bildung, Betreuung und Erziehung untrennbar miteinander verbunden sind. Das ist in anderen Ländern oft nicht so der Fall, was die Kindergartenbetreuung qualitativ durchaus nicht verbessert.

Weiter wird positiv vermerkt, dass Kinder bei uns in gleicher Weise gefördert werden, und zwar unabhängig vom Familieneinkommen.

Lobend hervorgehoben wird die dezentrale Verantwortung. Das heißt, die Kreativität und die Innovation vor Ort werden bei der Kinderbetreuung genutzt.

Die Offenheit für Veränderungen wird gelobt, das heißt die Bereitschaft, auszubauen und aufzubauen, was sich insbesondere in der Rahmenvereinbarung, die die zuständigen Länderminister unterzeichnet haben – die Rahmenvereinbarung, Bildungspläne und Erziehungspläne aufzustellen –, niedergeschlagen hat.

Im Übrigen – das wurde schon erwähnt – ist der Bildungsauftrag der Kindertageseinrichtungen schon lange im Jugendhilfegesetz verankert. Wegen seiner Wichtigkeit ist er auch im Kindergartengesetz des Landes verankert.

Ich glaube also, Frau Lösch, wir können – auch aufgrund dieser Studie – nicht sagen, dass der Bildungsauftrag in den Kindergärten sträflich vernachlässigt würde. Ich glaube, bisher wurde in den Kindergärten eine gute Arbeit geleistet.

(Beifall bei der CDU)

Es besteht allerdings Konsens darüber – da brauchen wir uns auch über die Parteien hinweg nicht zu streiten –, dass die frühkindliche Bildung, auch aufgrund veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, verstärkt werden muss. Wir brauchen uns nicht darüber zu streiten, dass Handlungsbedarf besteht. Kleine Kinder sind besonders lernfähig und lernwillig. Das weiß man. Im frühen Alter werden praktisch schon die Grundlagen für die Bildungskarriere erarbeitet. Wir alle müssen uns anstrengen: das Land, die Kommunen, die Kindergartenträger und natürlich auch die Eltern, denn Erziehung und Bildung erfährt das Kind zuerst im Elternhaus.

In allen Bundesländern werden zurzeit Orientierungspläne für die Bildung erarbeitet. Über die Vereinbarung des Landes mit den Kommunen und den kommunalen Landesverbänden wurde an dieser Stelle auch schon berichtet. Diese Vereinbarung wurde im letzten Jahr unterzeichnet. Wir von

der CDU-Landtagsfraktion gehen davon aus, dass der dort vereinbarte Zeitplan eingehalten wird. Das heißt, dass in diesem Jahr mit einer Pilotphase begonnen werden kann und der Orientierungsplan sukzessive eingeführt werden kann.

Eine tragende Rolle muss in den Kindergärten die Stärkung der sprachlichen Kompetenz einnehmen. Das wurde schon erwähnt. Auch hier sind Defizite bekannt. Sie werden gar nicht bestritten. Man war bisher auch nicht untätig. Auch das wurde an dieser Stelle schon öfter gesagt. Durch die Hausaufgaben-, Sprach- und Lernhilfen hat das Land schon bisher Sprachförderung im vorschulischen Raum betrieben, und auch die Förderung der Landesstiftung für Kinder wurde in einer zweiten Tranche wieder erhöht. Ich denke, das zeigt, dass diese Sprachförderung nicht neu ist, dass sie intensiviert wird und einen Stellenwert besitzt.

Für den weiteren Ausbau der Sprachförderung steht die Ausarbeitung der interministeriellen Arbeitsgruppe im Raum. Das Konzept ist so angelegt – Sie haben das erwähnt, Frau Lösch –, dass der einzelnen Kindertageseinrichtung und dem jeweiligen Träger genügend Spielraum zur Eigengestaltung verbleibt, sodass bestehende Entwicklungen vor Ort berücksichtigt werden können. Ich glaube, darüber braucht man auch keine großen Worte mehr zu verlieren.

Wir von der CDU-Landtagsfraktion gehen davon aus, dass dieses Sprachförderkonzept, nachdem es erstellt ist, auch schnellstmöglich umgesetzt wird. An uns wird es nicht scheitern.

(Abg. Walter GRÜNE: Da müssen Sie aber etwas genauer sagen, was „schnellstmöglich“ heißt!)

Natürlich spielt hinsichtlich der Bildungsqualität des Kindergartens auch die Qualifikation der Erzieherinnen eine Rolle. Darauf will ich, falls notwendig, in der zweiten Runde noch eingehen.

Sie haben die Forderung nach Einführung eines Kindergartenpflichtjahrs angesprochen. Diese Forderung steht im Raum. Ich gebe Ihnen Recht, dass darüber diskutiert werden muss. Das ist zunächst eine Formsache.

(Abg. Zeller SPD: Das ist eine Formsache?)

Wenn man es will, wird es wichtig sein, darüber nachzudenken, wie man es gestaltet und vor allem welche Alternativen es hierzu gibt.

Meine Damen und Herren, es gibt beim Thema „Frühkindliche Bildung“ sicher kein Patentrezept. Angesichts der Brisanz des Themas ist auch die CDU-Fraktion durchaus ungeduldig.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Aber, meine Damen und Herren, ein unüberlegter Aktionismus wird uns nicht weiterführen. Wir werden schrittweise auf dem aufbauen müssen, was bereits an Sinnvollem da ist, und wir müssen Möglichkeiten zum Erproben geben. Mit der Erarbeitung des Orientierungsplans und ersten Umset

zungsschritten in diesem Jahr, von denen wir ausgehen, sind wir, denke ich, auf einem guten Weg.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Walter GRÜNE: Das war ja voröster- liches Schönreden!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Wonnay.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist Aufgabe unserer Bundespräsidenten, immer wieder gesellschaftliche und politische Impulse zu geben. Das hat vor einigen Jahren in bemerkenswerter Weise der damalige Bundespräsident Johannes Rau im Rahmen seiner Abschlussrede zum Forum Bildung getan, als er vom Kindergarten als „Tor zur Bildung und zur gesellschaftlichen Teilhabe“ sprach. Besser kann man die Bedeutung des Kindergartens und damit gleichzeitig den Auftrag an uns, diesen Bereich zu stärken, nicht formulieren.

(Beifall bei der SPD)

Die im internationalen Vergleich gewonnene Erkenntnis, dass wir im Bildungsbereich insgesamt mehr tun müssen und dass wir dabei insbesondere den Bereich, der am meisten Ertrag bringt, nämlich die ersten sechs Jahre, stärken müssen – dieser Bereich ist bisher unterdurchschnittlich ausgestattet –, haben in der Zwischenzeit

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Alle erkannt!)

zahlreiche Studien bestätigt. Ich verweise auf den nationalen Bildungsplan, das Gutachten von Professor Fthenakis für das Bundesfamilienministerium, die nationale Qualitätsinitiative, die gemeinsame Anhörung von Schul- und Sozialausschuss zum Thema Sprachförderung und auf die Anhörungen, die derzeit im Rahmen der Enquetekommission „Demografischer Wandel“ stattfinden. Überall kommt man zu dem einen Schluss: Wir müssen den Anfang stärken.

(Beifall bei der SPD)

An der Erkenntnis mangelt es also nicht.

(Abg. Alfred Haas CDU: Aber am Geld!)

Das Riesenproblem, Herr Kollege Haas,

(Abg. Dr. Caroli SPD: Er selber ist das Problem!)