Protokoll der Sitzung vom 16.03.2005

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Das sagt kein Mensch!)

Aber es wird schon ein bisschen immer so vermittelt.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Sie kaschieren doch nur Ihr Nichthandeln! – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Dr. Noll, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Zeller?

Bitte schön, Herr Zeller.

Herr Noll, sind Sie – nach Ihren Ausführungen – bereit, die Beitragsfreiheit für Kindergärten einzuführen, und sind Sie bereit, mit uns zu gehen, wenn es darum geht, wenigstens den Kindergartenbesuch im fünften Lebensjahr beitragsfrei zu stellen?

(Abg. Dr. Caroli SPD: Jetzt ist die Stunde der Wahrheit angebrochen!)

Verehrter Kollege Zeller, ich habe vorhin von Studiengebühren gesprochen. Ich bin in der Tat der Meinung, dass wir schrittweise dahin kommen müssen, dass wir für das Studium eine Eigenbeteiligung verlangen.

(Zuruf des Abg. Dr. Caroli SPD)

Aber beim Kindergartenbesuch sollte, bevor über Pflichtjahre nachgedacht wird, tendenziell erst einmal über die Finanzierung der Gebührenfreiheit nachgedacht werden. Dass dies tendenziell von uns angestrebt wird, sage ich auf Ihre Frage hin ganz klar.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Wer soll das finan- zieren? Haben Sie auch einen Finanzierungsvor- schlag?)

Aber eines muss auch klar sein: Dies geht nicht in einem Hauruckverfahren. Denn den Kommunen entstünden, wie Sie wissen, dadurch finanzielle Ausfälle.

So herum wird ein Schuh daraus: Ich glaube, angesichts all der Diskussionen, in denen wir immer auf das Konnexitätsprinzip hinweisen, sind wir als Land gut beraten, nicht dagegen zu verstoßen, indem wir sozusagen neue Dinge anstoßen und dann den Kommunen sagen: Das müsst ihr alles machen, und finanzieren müsst ihr es, wenn die Gebühren wegbrechen, auch. Das heißt für mich ganz klar und eben im Unterschied zu Ihnen, Frau Wonnay – Sie meinen ja, das müsse aus Haushaltsmitteln kommen –, und auch im Unterschied zu den Grünen, die für eine Halbierung des Landeserziehungsgelds plädieren – das können wir übrigens gar nicht –: Dauerhaft werden wir für die gemeinsame Finanzierung dieser Aufgaben den großen Brocken Landeserziehungsgeld mit 83 Millionen € angehen müssen. Sie wissen, das braucht Vorlaufzeit.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Keine Schnellschüs- se!)

Die wollen wir nutzen, um dann gemeinsam mit den Kommunen zu entscheiden, wie wir die Finanzbeziehungen bei der Zuständigkeit für die unterschiedlichen Bereiche auch finanziell regeln wollen, damit wir gemeinsam zu einer vernünftigen Lösung kommen.

Ich sage auch ausdrücklich, dass ich an dieser Stelle den Vorschlag von Gönner – nicht unserer Sozialministerin, sondern von Ivo Gönner –, dass man die finanzielle Verantwortlichkeit und die generelle Verantwortlichkeit für Kindergärten und Schule klarer zuordnen sollte, sehr wohl für diskussionswürdig halte. Wenn der Kindergarten eine Bildungseinrichtung ist, dann gehört er – das ist für mich klar – in die Kompetenz des Landes und des Kultusministeriums, keine Frage.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Aber wieder nur tendenzi- ell!)

Auch dies wird man nicht während einer laufenden Legislaturperiode verändern. Das ist ja überhaupt keine Frage. Aber es ist doch bezeichnend, dass diese unterschiedlichen

Zuständigkeiten in der Vergangenheit zum Beispiel bei der Reform der Erzieherinnenausbildung nachteilig waren. Nichts gegen interministerielle Arbeitsgruppen, aber wenn das in einer Hand wäre, wären wir dabei, glaube ich, etwas schneller vorangekommen.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Zum Thema „Qualifikation der Erzieherinnen“ werde ich in der zweiten Runde etwas sagen, und zwar mit genau der Tendenz, nicht alles schlechtzureden, aber zu schauen, wo wir noch etwas verbessern können.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Birzele SPD: Und warum machen Sie es nicht?)

Das Wort erteile ich der Ministerin für Kultus, Jugend und Sport, Frau Dr. Schavan.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Weil in der Landesregierung völlig klar ist, dass sich, wenn es um einen Bildungsauftrag geht, auch das Kultusministerium zu Wort meldet, stehe zunächst ich hier.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Zu Recht!)

Ich habe mit meiner Kollegin Gönner einen völligen Konsens über Inhalte und Strukturen. Man kann jetzt lange darüber diskutieren, wo was hingehört, aber das bringt die Kindertagesstätten nicht weiter. Unsere beiden Häuser blockieren einander nicht und arbeiten gut zusammen. Zwischen den beiden Ministerinnen gibt es Konsens in der Sache, und deshalb ist die Frage der Zuständigkeit zweitrangig.

Wenn ich die Debatte hier verfolge, stelle ich etwas Positives fest – das haben wir auch bereits in früheren Debatten festgestellt –, nämlich, dass es einen großen Konsens über die Bedeutung früher Jahre für das Lernen gibt. Das war noch vor einigen Jahren nicht so.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Noch Mitte der Neunzigerjahre, als wir einen ersten wichtigen Schritt getan haben zu einer besseren Verbindung von Grundschule und Kindergarten – um die Institutionen zu nennen –, zu mehr Beweglichkeit beim Schulbeginn, zu Möglichkeiten früherer Einschulung, hat es viel öffentliche Empörung und auch viel politischen Streit gegeben. Sie wissen, dass noch Mitte der Neunzigerjahre die Philosophie der Kindergärten und die Philosophie der Schule weit auseinander lagen. Insofern ist in den letzten zehn Jahren viel passiert, auch an Veränderung von Mentalität, an gutem Gedankenaustausch und guter Zusammenarbeit zwischen Grundschulen und Kindertagesstätten.

Wir haben eine deutliche Reduzierung der Rückstellungen beim Schulbeginn bewirkt. Wir haben eine Verdoppelung oder Verdreifachung der frühen Einschulung. Kinder können in Baden-Württemberg bereits mit fünf Jahren eingeschult werden. Wir haben gesagt, wir wollen nicht einfach eine neue Festlegung, sondern wir wollen Kindern in ihren unterschiedlichen Entwicklungen gerecht werden. Deshalb soll der Stichtag fallen, und in der guten Partnerschaft zwi

schen den Kindertagesstätten, zwischen den Schulen und den Eltern sollen die konkreten Entscheidungen möglich werden.

Was wir in den vergangenen zehn Jahren in diesem Bereich an Erfahrungen gesammelt haben, hat uns gute Impulse für die nächsten Schritte gegeben. Die nächsten Schritte waren die Modernisierung der Erzieherinnenausbildung. Wer sich heute die Erzieherinnenausbildung in Baden-Württemberg anschaut und diese inhaltlich und konzeptionell vergleicht mit manchem, was in anderen europäischen Ländern passiert, der stellt fest, dass das eine moderne, anspruchsvolle Ausbildung ist, mit der der Erwerb der Fachhochschulreife verbunden ist, weshalb es künftig auch Möglichkeiten der Weiterqualifizierung etwa für Führungskräfte im tertiären Bereich gibt. Auch da sind ja interessante erste Überlegungen im Gange. Wir haben eine qualifizierte Erzieherinnenausbildung, eine, die den modernen Erfordernissen gerecht wird.

Damit ist auch die Voraussetzung dafür geschaffen worden, den Bildungsauftrag zu stärken. Der Orientierungsplan, der im Mai veröffentlicht werden wird, ist letztlich schon das Finale. Man fängt doch nicht am Punkt null an, wenn man an die Arbeit geht, einen Orientierungsplan zu schreiben. Viele Impulse, die sich darin wiederfinden, werden in unseren Kindertagesstätten bereits umgesetzt. Deshalb sage ich: Tun wir doch nicht so, als würden wir am Punkt null stehen!

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Übrigens: Wenn es so wäre, dass in den Kindergärten bildungsmäßig nichts Gescheites passieren würde, dann hätte Baden-Württemberg bei der IGLU-Studie nicht so abgeschnitten, wie es abgeschnitten hat. Es liegt nämlich im internationalen Vergleich der Kompetenzbereiche in der Spitzengruppe mit Japan und Korea. Das heißt, die IGLU-Studie hat uns erstmals ein empirisches Fundament dafür geliefert, dass anscheinend schon besser, als wir das selbst gedacht haben, frühe Jahre in Baden-Württemberg genutzt werden.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Aber darauf darf man sich doch nicht ausruhen!)

Sehe ich so aus, als würde ich mich ausruhen?

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU und der FDP/ DVP)

Diesen Vorwurf habe ich in zehn Jahren noch nie gehört; das ist etwas ganz Neues.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sie sehen ausgeschlafen aus und nicht so, als ob Sie Ruhe nötig hätten!)

Vielen Dank. Das sollte man ja auch, wenn man vor dem hohen Hause spricht.

Also tun Sie doch nicht so. Sie wissen es doch; wir haben doch alles hier zigfach besprochen. Der Orientierungsplan kommt. Damit verbunden sind bereits Erfahrungen: sportund bewegungsfreundlicher Kindergarten, Sprachförderung in unterschiedlichster Weise, frühes Experimentieren. Wir sind dauernd in Institutionen, in Kindergärten und Grund

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

schulen, um wieder neue Programme der Öffentlichkeit vorzustellen. Das alles existiert und wird in diesem Orientierungsplan in ein Gesamtkonzept gebracht und dann Stück für Stück in 7 300 Kindergärten in Baden-Württemberg eingebracht.

Auch diese Aufgabe muss man sich einmal klar machen: 7 300 Kindergärten! Davon sind 60 % in der Trägerschaft freier Träger, zum Beispiel viele kirchliche, und 40 % haben kommunale Träger. Ich sage Ihnen: Alles, was wir konzeptionell, strukturell und verbunden mit finanziellen Konsequenzen tun, können wir doch nicht einfach allein tun.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Genau!)

Wir müssen es zusammen mit den Trägern tun. Alles hat große Konsequenzen für die Träger.

Deshalb sage ich auch zum Pflichtjahr: Wenn wir es uns leisten können, wenn es sich die freien Träger und die Kommunen leisten können, ist das wunderbar. Aber richtig wird erst etwas daraus, wenn auch das Konzept stimmt.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Das haben Sie doch in die Welt gesetzt! Die designierte Regierung!)

Das heißt, wir müssen uns um das Konzept kümmern. Bei allem anderen rate ich uns, immer zu bedenken, dass wir viele Partner haben.