Einer auf der rechten Seite hier im Saale scheint ja noch einigermaßen vernünftig zu sein. Das ist der Herr Finanzminister,
der nämlich genau das gesagt hat: Wir könnten unsere gesamten Finanzplanungen in den Papierkorb werfen, wenn wir die Steuerreform vorzögen. Wo er Recht hat, hat er Recht, der Finanzminister.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, trotz der schwierigen Finanzlage gilt es hier in Baden-Württemberg, wichtigen Bereichen auch die nötigen Gelder zukommen zu lassen. Das darf man nicht vergessen.
Ich rede beispielsweise von den Zuständen an unseren Schulen. Überall im Land wird das Thema Bildung neu entdeckt; darüber bin ich froh. Endlich interessieren sich auch wieder mehr Eltern für die Zustände an den Schulen.
Aber das Problem wird dadurch nicht gelöst. Das größte Problem an den Schulen ist der zunehmende Unterrichtsausfall und die Unfähigkeit der Landesregierung, den Schulen die notwendigen Lehrerinnen und Lehrer sofort zukommen zu lassen.
Sie sind heute ja schon so weit, dass Sie zusätzliche Klassen genehmigen, aber keine Lehrer dafür zur Verfügung stellen und die Schulen dann gar nicht mehr nachkommen, neue Klassen einzurichten.
Sie haben 1 100 Lehrerstellen pro Jahr versprochen und genehmigen in diesem Haushalt ganze 150. Das ist für mich nichts anderes als Wählertäuschung. Punkt, fertig, amen.
Sie vernachlässigen auch die Probleme an den beruflichen Schulen. Es gibt Experten, die sagen: Man kann inzwischen an den beruflichen Schulen ohne Wenn und Aber von einer Bildungskatastrophe reden. Und das hat erst angefangen.
In einem weiteren Punkt haben Sie im Grunde versagt. Herr Kollege Scheffold, Sie haben vorhin gesagt: Wir investieren. Schauen Sie sich einmal die Investitionsquote im Haushalt an. Es sind etwa 8,5 %, und seit Jahren sinkt sie. Wir sind seit vielen, vielen Jahren auf dem tiefsten Stand angelangt – und das wollen Sie als Erfolg feiern?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie kündigen auch Einsparungen im Doppelhaushalt an, nämlich 1,5 Milliarden DM. In Wirklichkeit ist es nur eine Milliarde, weil Sie schon wieder neue Fässer aufmachen. Aber auch das wird nicht dazu führen, dass sich die Struktur verbessert, weil Sie sich nämlich bei diesen Ausgaben, die Sie zusätzlich vorsehen, verzetteln.
Es gibt eine beunruhigende Diskussion im Land um die Streichung des C1-Programms. In den wirtschaftlichen Bereichen streichen Sie also. Es gibt auch beunruhigende Informationen über die Messefinanzierungen. Die Kosten in Stuttgart laufen uns wahrscheinlich davon. Der neue Ansatz beträgt mehr als doppelt so viel, wie ursprünglich angenommen wurde. Die dezentrale Messeförderung steht auf der Kippe. Die anderen Regionen des Landes haben Angst, dass sie aus der Messeförderung herausfallen.
Sie fördern nicht einmal mehr die Wohnungssanierung vernünftig. Es ist mangelhaft, was Sie da tun. Im Juni sind die Gelder ausgegangen, obwohl dringend Geld gebraucht wird.
Sie tun nichts für das Handwerk, sagen aber: Wir tun mehr für das Handwerk. Quatsch! Nichts tun Sie, nicht einmal in den Bereichen, wo Sie etwas tun könnten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn viele Probleme bei der Infrastruktur in unserem Land – Verkehr, Straßen, Schulen, Bahn, ÖPNV, Wohnen usw. – nicht zu lösen sind
dann müssen wir einmal in aller Ruhe darüber nachdenken, ob wir nicht ernsthaft in eine neue Runde der Neuordnung des Landesvermögens eintreten müssen, um neue Spielräume für neue Investitionen zu bekommen, um Vermögen umzuwandeln, dadurch Arbeitsplätze zu sichern und gleichzeitig Schulden abzubauen. Das ist nämlich das Schwierige, vor dem wir finanzpolitisch stehen: die Kunst, dass wir beides tun müssen, investieren und Schulden abbauen, und zwar spürbar, nicht durch Erklärungen. Das muss man auf dem Schuldenkonto auch sehen.
Wir müssen alles ohne Tabus diskutieren. Wir müssen möglicherweise auch die Bankenlandschaft des Landes neu in diese Überlegungen einbeziehen.
Daran wird nichts vorbeiführen. Denn egal, was getan wird – Steuerreform vorziehen oder nicht – und ob Erklärungen abgegeben werden oder nicht: Die konkreten Zahlen werden sich nicht wesentlich verändern, wenn wir uns nicht die eigenen Strukturen ansehen und wenn wir nicht die eigenen Hausaufgaben machen, Herr Scheffold. Machen Sie doch einmal Ihre Hausaufgaben. Kümmern Sie sich nicht um Kiel, kümmern Sie sich nicht um Düsseldorf oder um Berlin, sondern um Stuttgart und das Land Baden-Württemberg. Dann kommen wir voran.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon abenteuerlich, was Sie, Herr Kollege Moser, zur Staatsverschuldung sagen. Ich darf Ihnen einmal – Herr Präsident, Sie gestatten, dass ich zitiere –
die Entwicklung der Nettokreditneuaufnahme nach den Istzahlen in den letzten Jahren zitieren. Ich will nicht einmal die Sollzahlen vortragen.
1991 waren es 2,5 Milliarden DM. 1992 waren es 1,949 Milliarden, 1993 1,633 Milliarden, 1994 1,691 Milliarden, und 1995 – kurz vor dem Wahljahr 1996 – stieg das Ist, obwohl das Soll lediglich 2,1 Milliarden DM betragen sollte, auf 2,784 Milliarden DM. 1996, im Wahljahr, als das Soll 1,7 Milliarden DM betrug, lag das Ist bei 2,689 Milliarden DM.