Protokoll der Sitzung vom 27.07.2005

Auch die Aufgabe der Kommunen wird näher definiert. Ich habe mich bereits im Zuge der Verwaltungsreform erfolgreich für eine Präzisierung der Aufgaben der Kommunen eingesetzt. Mit dem neu eingefügten § 19 a des Landesgleichberechtigungsgesetzes haben wir klargestellt, dass die Verwirklichung des verfassungsrechtlich verankerten Gebots der Gleichberechtigung von Frauen und Männern auch eine kommunale Aufgabe ist. § 19 a des Landesgleichberechtigungsgesetzes soll wortgleich in das Chancengleichheitsgesetz übernommen werden. Darin werden die Gemeinden und Landkreise verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass auch auf kommunaler Ebene Aufgaben der Frauenförderung wahrgenommen werden und Chancengleichheit auch als durchgängiges Leitprinzip berücksichtigt wird. Die Stadt- und Landkreise sind verpflichtet – das ist also nicht nur eine Freiwilligkeitsleistung –,

eine Person oder eine Organisationseinheit zu benennen, die diese Aufgabe inhaltlich und fachlich begleitet. Diese Regelung belässt den Kommunen aber im Rahmen ihrer von der Landesverfassung garantierten Selbstverwaltungshoheit einen ausreichenden Gestaltungsspielraum.

Abschließend, meine Damen und Herren: Vor neun Jahren ist ja von der großen Koalition das Landesgleichberechtigungsgesetz in Kraft gesetzt worden, und es hat – das sage ich rückblickend; wir können nun neun Jahre überblicken – Wirkung gezeigt. Aber bei der praktischen Anwendung hat sich in einigen Punkten eben Anpassungsbedarf ergeben.

Wir werden mit der vorliegenden Novellierung ein modernes Gesetz schaffen, das einerseits überflüssigen Verwaltungsaufwand reduziert, andererseits aber auch der aktuellen Rechtsprechung entspricht und der Verwaltungsreform Rechnung trägt. Ich möchte Sie deshalb bitten, dieses Gesetz zu unterstützen, damit wir in der tatsächlichen Realisierung der Chancengleichheit weiter voranschreiten können.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erhält Frau Abg. Dr. Stolz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich zu Beginn den Altoberbürgermeister von Stuttgart, Manfred Rommel, zitiere, der vielleicht manchem männlichen Kollegen – die haben ja zum größten Teil die Flucht ergriffen – mit einem Stoßseufzer aus dem Herzen spricht:

(Abg. Herrmann CDU: Na, na, na! Wir sind doch da! Qualität zählt, nicht Quantität! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Schiffsuntergang: Ab in die Boote! Doch halt: Es stört die Frauenquote. Besser allesamt ersoffen, als die Frauenfrag’ bleibt offen.

(Beifall und Heiterkeit der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können Herrn Rommel und alle noch existierenden Zweifler beruhigen. Trotz des Einforderns der Frauenfrage und trotz eines Gesetzes, das die Frauenquote praktisch vorschreibt, ist die Landesverwaltung nicht untergegangen, nicht ersoffen. Im Gegenteil, sie hat durch einen gestiegenen Frauenanteil nicht an Qualität eingebüßt, sondern gewonnen. Sie wird durch die Frauen auch weiter an Qualität gewinnen. An dieser Stelle würde ich eigentlich Applaus von der Opposition erwarten.

(Heiterkeit – Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜ- NE – Abg. Marianne Wonnay SPD: Was ist mit Ih- rer eigenen Fraktion los?)

Der Bilanzbericht zur Frauenförderung zeigt, dass sich der Frauenanteil erhöht hat – das wurde ausgeführt – und dass das Landesgleichberechtigungsgesetz zusammen mit der hervorragenden Qualität unserer Frauen also Wirkung zeigt.

Aber im Gesamtergebnis sind wir in Baden-Württemberg noch nicht Spitze. Diese beliebte Position, die wir in vielen Bereichen durchaus bereits einnehmen, sollten wir auch im Bereich der Frauenförderung anstreben. Das Landesgleichberechtigungsgesetz, in der neuen Formulierung das Chancengleichheitsgesetz, wird also weiter gebraucht.

Wir begrüßen die Novellierung und die darin enthaltenen Weiterentwicklungen. Wir begrüßen insbesondere die Vereinfachungen, zum Beispiel bei der Wahl der Chancengleichheitsbeauftragten. Dies macht das Gesetz für alle Beteiligten ohne Effizienzeinbußen für die Frauen anwendungsfreundlicher. Wir begrüßen, dass die Verantwortung für Chancengleichheit bei allen Vorgesetzten liegt. Kein Vorgesetzter kann also das Thema als Gedöns – ich nehme an, die SPD weiß, wen ich meine – abtun, für das allein die Chancengleichheitsbeauftragte zuständig wäre. Wir begrüßen auch, dass die Aufgaben der Kommunen zur Frauenförderung aufgenommen und weiter präzisiert worden sind.

Ich nehme an, zu bestimmten Themen wird es unterschiedliche Auffassungen geben. Man kann darüber streiten, ob es zielführender ist, im Chancengleichheitsplan genaue Zielund vor allem genaue Zeitvorgaben festzuschreiben, als dies nicht zu tun. Man kann sich auch darüber streiten, ob den Kommunen das Erstellen von Chancengleichheitsplänen verbindlich vorgeschrieben werden muss, ob im Gesetz also statt „soll“ „muss“ stehen soll. Darüber kann man sich sicher streiten und unterschiedlicher Meinung sein. Wichtig ist uns die Festlegung auf das Ziel, den Anteil der Frauen in den Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind, deutlich zu erhöhen. Der Bilanzbericht zeigt ja auch, dass diese Zielfestlegung in wenigen Jahren zu deutlich verbesserten Ergebnissen geführt hat.

Was den Streitpunkt Kommunen betrifft, wird diesen mit § 23 die Aufgabe, Chancengleichheit zu fördern, klar zugewiesen. § 23 belässt den Kommunen einen Gestaltungsspielraum, wer die Aufgabe wahrnimmt und wie dies zu geschehen hat. Bei einem Gesamtanteil der Frauen in den kommunalen Verwaltungen von 68 % wird es durchaus Verwaltungen geben, die nicht so weit sind wie andere. Es wird auch das eine oder andere schwarze Schaf geben, aber wir wollen den Kommunen dennoch nicht das Wie der Förderung aus der Hand nehmen, sondern ihnen hier ihren eigenen Gestaltungsspielraum lassen.

Meine Damen und Herren, wir unterstellen allen Vorgesetzten den guten Willen, tüchtige Frauen vorbildhaft zu fördern. Aber immer wieder taucht das Argument auf, dass die Frauen letztlich, wenn man sie braucht, nicht zu finden seien oder irgendwo auf dem Weg nach oben verloren gegangen seien. Wichtig ist uns daher ein Aspekt der Frauenförderung, der auch weit über dieses Gesetz hinausgeht, nämlich die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Für Männer und Frauen!)

So begrüßen wir speziell die im Gesetzentwurf zu diesem Bereich getroffenen Verbindlichkeiten, weil wir wissen, dass den Frauen gerade durch dieses Thema Schwierigkeiten in ihrem Weiterkommen erwachsen. Sowohl die Aufnahme der Teleheimarbeit als auch die Vorgabe, dass Teil

zeitkräfte nicht benachteiligt werden dürfen, begrüßen wir ausdrücklich. Die Regelungen, die eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf beinhalten, machen dieses Gesetz auch sinnvoll für die Bereiche der Verwaltung, in denen Frauen nicht unterrepräsentiert sind, also die Quoten schon erfüllt sind.

Um zum Anfang zurückzukommen: Bei aller Wertschätzung für meinen anfangs zitierten Parteikollegen Manfred Rommel ist sein Stöhnen über die Frauenquote sicher unberechtigt. Die CDU-Landtagsfraktion ist der Überzeugung, dass wir über die Beachtung der Frauenfragen nicht gemeinsam untergehen, sondern alle an Qualität gewinnen werden. Wir werden das Gesetz konstruktiv begleiten.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Frau Abg. Haller-Haid.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Interesse an Gleichstellungspolitik auf Regierungsseite und auch aufseiten der CDU-Fraktion ist ja schon umwerfend.

(Abg. Seimetz CDU, auf die SPD-Fraktion zei- gend: Na, na! – Gegenruf des Abg. Zeller SPD: Wir sind da! – Abg. Dr. Scheffold CDU: Für uns ist das alles selbstverständlich!)

Frau Stolz, ich glaube, Sie haben noch einiges zu tun.

Aber nun zur Sache. Auf dieses Gesetz und die damit verbundene Novellierung haben wir ja nun jahrelang gewartet. Die Frauenvertreterinnen haben seit vielen, vielen Jahren immer wieder auf die völlig unzulänglichen Arbeitsbedingungen hingewiesen. Die Landesregierung hat immer wieder eine Novellierung angekündigt. Die letzte Novellierungsankündigung war im April 2003. Die Novellierung wurde dann wegen der Verwaltungsreform noch einmal verschoben. Auch die Verwaltungsreform, die eigentlich hätte Anlass sein müssen, wirklich schnell zu novellieren, wurde nicht dazu genutzt. Ich kann mich noch gut erinnern, wie damals die Vorsitzende der Frauenunion lautstark eine Novellierung gefordert hat. Doch es war wieder nichts.

Aber nun liegt der Gesetzentwurf vor. Frau Lichy, Sie haben sich wirklich lange Zeit gelassen, und man müsste nun natürlich auch annehmen: Was so lange währt, wird auch besonders gut.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das wird auch gut!)

Annehmen müsste man auch, dass eine solche Novellierung auf der Grundlage des letzten Bilanzberichts erfolgt – aber Fehlanzeige. Der Bericht ist erst nach der Verabschiedung der Gesetzesnovelle im Kabinett gewesen und erst nach dem Anhörungsverfahren überhaupt veröffentlicht worden. Das ist schon höchst merkwürdig, aber auf den zweiten Blick, wenn man genauer hinguckt, nicht mehr, wenn man nämlich den Bericht unter dem Gesichtspunkt ansieht, was da alles nicht drinsteht.

Im Unterschied zum ersten Bericht wird manches einfach ausgespart. Wir erfahren zum Beispiel nicht, ob die Zielvorgaben der Frauenförderpläne eingehalten wurden, wo es Schwierigkeiten gab und warum es diese gab, wo die Frauenvertreterinnen zu Personal- und Vorstellungsgesprächen hinzugezogen wurden und wo nicht. Wir erfahren zwar, dass die Zahl der Teilzeitbeschäftigten zugenommen hat, aber wir erfahren überhaupt nichts darüber, warum Teilzeitbeschäftigung – Frau Lichy, das ist so – immer noch ein Aufstiegshindernis darstellt.

Wie sieht es im kommunalen Bereich aus, nachdem Tausende Beschäftigte den Dienstherrn gewechselt haben? Frau Lichy, Sie haben selbst gesagt, die Verwaltungsreform müsse unter frauenpolitischen Gesichtspunkten begleitet werden. Nun findet sich jedoch im Bilanzbericht kein Wort dazu. Wie viele Frauenförderpläne sind denn auf kommunaler Ebene erstellt worden? Werden diese Pläne jetzt überarbeitet, oder nimmt man einfach, wie es in meinem Landkreis geschehen ist, den alten Bericht und setzt ein aktuelles Datum darunter? So läuft das nämlich.

Stattdessen haben wir jetzt viel statistisches Material, und wir haben die Erkenntnis, dass beim Frauenanteil in Führungs- und Leitungspositionen nach wie vor ein Nachholbedarf besteht. Der Frauenanteil ist zwar im Staats-, im Justizund im Sozialministerium gestiegen. Warum aber fällt der Zuwachs in anderen Ressorts so niedrig aus? Im Wirtschaftsministerium beträgt er beispielsweise nur 0,92 %. Da müssten Sie, Frau Berroth, dringend einmal nachhaken. Das Innenministerium – leider ist Herr Rech gerade nicht da – trägt sowieso die rote Laterne, da dort der Frauenanteil bei den Funktionsstellen noch einmal gesunken ist.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das ist doch relativ lo- gisch, oder? Bei der Polizei ist es doch relativ lo- gisch! – Gegenruf der Abg. Marianne Wonnay SPD: Was ist denn daran logisch?)

Herr Kollege Haas, vielleicht hören Sie lieber einmal zu. – Absichtlich wurde also im Bilanzbericht vermieden, den Finger in die Wunde zu legen. So kommt das Gesetz nun zwar mit neuem Namen daher, bringt aber nicht die echten Verbesserungen, die Frau Lichy angekündigt hat.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Ich will durchaus auch einiges loben. Sicherlich ist eine Verbesserung im Wahlverfahren gegeben. Auch auf das Verfassungsgebot als Aufgabe der Kommunen wird ausdrücklich noch einmal hingewiesen. Aber es ist für mich auf der anderen Seite überhaupt nicht nachvollziehbar, warum die Erstellung von Chancengleichheitsplänen nur eine Soll-, aber keine Mussvorschrift ist. Zu diesem Punkt werden wir auf jeden Fall einen Antrag einbringen, denn das kann so nicht stehen bleiben.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Caroli SPD: Sehr richtig!)

Es ist sicher auch positiv, dass bei Einstellungen künftig eine Quotenregelung besteht. Aber leider gilt dies nicht für

Beförderungen, und deshalb muss ich mein Lob auch gleich wieder relativieren.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Das ist gut!)

In den nächsten Jahren kann der Frauenanteil nämlich eigentlich nur durch Beförderungen erhöht werden, weil es, wie Sie ja auch wissen, künftig nicht mehr so viele Neueinstellungen in der Landesverwaltung geben wird. Auch da, denke ich, müssen wir etwas ändern, und hier agieren Sie, Frau Lichy, eigentlich halbherzig, wenn nicht sogar mutlos.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Unsere Frauenvertreterinnen haben alle trotz der unzureichenden Bedingungen eine sehr engagierte Arbeit geleistet, und ich möchte ihnen an dieser Stelle ausdrücklich danken.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Aber unsere Frauenvertreterinnen sind auch enttäuscht darüber, dass in dem neuen Gesetz vieles noch immer nicht geregelt ist. Hier nenne ich etwa den Punkt der Freistellungen. Dazu gibt es sehr schwammige Formulierungen. So wird einfach gesagt, die Vertreterinnen müssten „im erforderlichen Umfang“ entlastet werden. Was heißt das denn eigentlich? Da müssen Sie, denke ich, auch dringend nachbessern und eine Freistellungsregelung schaffen, die an die Zahl der weiblichen Beschäftigten einer Dienststelle gekoppelt ist.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Rückschritte gibt es natürlich bei der Ausgestaltung der Chancengleichheitspläne. Frau Lichy, das, was Sie dazu gesagt haben – „nur noch alle fünf Jahre, wegen des Bürokratieabbaus“ –, war so nicht korrekt. Ist es angesichts der heutigen Technik vielleicht möglich, Daten einfach fortzuschreiben? Das ist doch eigentlich nicht schwierig.