Protokoll der Sitzung vom 27.07.2005

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD – Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes – Drucksache 13/4485

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort erhält Herr Abg. Stickelberger.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir jetzt gemeinsam die geballte Frauenpower erlebt haben, versuche ich, das nächste Thema mit männlicher Sanftmut anzugehen –

(Heiterkeit)

ein sicher sensibles Thema.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Dazu braucht man männliche Sanftmut!)

Meine Damen und Herren, mit unserem Gesetzentwurf wollen wir erreichen, dass die bisher in Baden-Württemberg geltende Regelung zur Eintragung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften vereinfacht wird. Bisher sieht die gesetzliche Regelung vor, dass dies bei den Landratsämtern bzw. bei den Stadtkreisen zu geschehen hat. Unser Gesetzentwurf sieht vor, dies den Standesämtern bei den Gemeinden zu übertragen, die auch sonst im Personenstandsbereich und für familiäre Angelegenheiten die zuständigen Stellen sind.

Meine Damen und Herren, ich darf vielleicht etwas weiter ausholen – sehen Sie es mir nach –:

Eine Demokratie ist dann stark, wenn sie unterschiedliche Lebensformen zulässt und niemanden ausgrenzt. Diskriminierung und Intoleranz dürfen in einer modernen und leistungsfähigen Bürgergesellschaft keinen Platz haben.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen auf der rechten Seite, hier hätten eigentlich auch Sie klatschen können. Denn ich habe eben Ihren Herrn Ministerpräsidenten zitiert, der dies in einem Grußwort anlässlich des Christopher Street Days vor wenigen Wochen so gesagt hat.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Da hat er ei- gentlich ja auch Recht!)

Zum Ausgrenzen: Wir meinen, dass die bisherige Zuständigkeitsregelung ausgrenzt und wir dies ändern sollten. Ich glaube, Sie wären gut beraten, wenn Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen würden – nicht nur, weil wir ja allgemein über Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungsreform diskutieren. Herr Innenminister, hier könnte die Landesregierung einen echten Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung leisten. Wenn Sie unserem Gesetzentwurf zustimmten, könnte durch einen Federstrich eine Zuständigkeitsregelung, eine Sonderregelung, die die Zuständigkeit den Landratsämtern zuweist, mit einem Schlag vom Tisch gewischt werden. Dies wäre ein schneller Beitrag zur Vereinfachung unserer Vorschriften im Verwaltungsbereich, insbesondere im Personenstandsbereich.

Ich habe natürlich in den letzten Wochen die Diskussion aufmerksam verfolgt. Ich schaue einmal in die Runde. Ich sehe Herrn Zimmermann, ich sehe auch andere, die sich zum Thema Christopher Street Day sehr deutlich geäußert haben.

(Abg. Capezzuto SPD: Ach du lieber Gott!)

Ich habe doch den Eindruck gewonnen, dass sich viele auf der rechten Seite des Hauses, bei der CDU, schwer tun, sich mit dem Thema Homosexualität auseinander zu setzen.

(Abg. Blenke CDU: Darum geht es nicht, Herr Kollege! – Abg. Scheuermann CDU: Wir halten es mit dem Papst!)

Es geht mir nicht um den Christopher Street Day, sondern um die Auseinandersetzung mit diesem Thema. Ihr Fraktionsvorsitzender Mappus hat dazu ja gegenüber der „bwWoche“ gesagt:

Beim Thema Homosexualität besteht Nachholbedarf. Wir haben aber kein Problem, uns mit dem Thema in der Sache zu befassen.

Also tun wir das doch einmal.

Wie haben Sie es gemacht? Denken wir einmal an den Medienrummel, den Sie entfacht haben: Von der SeniorenUnion bis zur Jungen Union – alle haben sich zu diesem Thema lautstark geäußert. Man höre und staune: Die „Bild“-Zeitung hat sogar vom „Frauenaufstand in der CDU“ gesprochen. Hätten Sie sich vorstellen können, dass die Frauen in der CDU einen Aufstand wagen?

(Abg. Capezzuto SPD: Ach du lieber Gott! – Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Ja, Frau Netzhammer hat sich da ja geäußert.

(Abg. Capezzuto SPD: Die konservieren sich eines Tages noch selber!)

Da müssen wir uns doch fragen, ob Sie wirklich sachlich mit diesem Thema umgehen oder ob Sie nicht die längst vergessen geglaubten Diskussionen der Sechziger- und Siebzigerjahre an dieser Stelle nachholen. Das müssen wir uns ernsthaft fragen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Marianne Wonnay und Abg. Wintruff SPD: So ist es! – Abg. Blenke CDU: Herr Kollege, jetzt übertreiben Sie aber maßlos!)

Der Herr Sozialminister hat sich ja dieses Themas angenommen

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Jetzt fehlt er!)

und darauf hingewiesen, dass wir 700 000 Lesben und Schwule haben, die auch Kinder haben. Er hat das unter dem Thema Familienpolitik angesprochen, hat sich dazu dezidiert geäußert und entsprechend Kritik auf sich gezogen. Die „Stuttgarter Nachrichten“ schreiben in diesem Zusammenhang zu Recht:

Es bedarf langwieriger Überzeugungsarbeit in diesem Bereich, die Renner bisher nicht geleistet hat.

Ich glaube, mit dieser lautstarken Diskussion, wie sie bei Ihnen abgelaufen ist, leisten Sie auf Dauer keinen Beitrag. Nehmen Sie sich des Themas ernsthaft an! Herr Renner als zuständiger Minister ist aufgerufen, zunächst einmal hier bei Ihnen die nötige Überzeugungsarbeit zu leisten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Jägel CDU: Jetzt aber!)

Ich würde auch unserem liberalen Justizminister empfehlen, sich hier zu Wort zu melden.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Der fehlt auch!)

Die FDP springt doch immer sehr stark in die Bresche, wenn es um Bürgerrechte, um den Schutz der Individualrechte geht.

(Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE – Abg. Zimmermann CDU: Von der FDP hat man gar nichts gehört!)

Da würde ich gerne Ihre Stimme hören und erfahren, wie Sie sich zu diesem Thema stellen. Stimmen Sie doch unserem Gesetzentwurf zu! Dann leisten Sie nicht nur einen Beitrag zur Entbürokratisierung, sondern tun auch etwas für die Betroffenen.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Die Zuständigkeitsregelung ist bürokratischer Ballast. Den braucht man doch nicht, Frau Berroth.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Herr Goll hat ja vor einigen Jahren dafür gekämpft, dass sich die Landesregierung bei der Abstimmung über das Lebenspartnerschaftsgesetz im Bundesrat der Stimme enthalten hat. Und der verstorbene Kollege Dr. Glück, den ich sehr geschätzt habe, hat sich zu diesem Thema sehr differenziert und behutsam geäußert. Ich würde mich freuen, wenn die FDP/DVP weiterhin in dieser Tradition stünde.

(Abg. Capezzuto SPD: Fragen Sie mal nach der Meinung des Bundesvorsitzenden Westerwelle!)

Lassen Sie mich zum Abschluss noch darauf hinweisen: Es gibt eine Bundesratsinitiative des Stadtstaates Hamburg – sie ist jetzt ein Jahr alt –, initiiert vom Ersten Bürgermeister Ole von Beust. Der dort eingebrachte Entschließungsantrag sieht als einen der ersten Punkte vor, die Zuständigkeit in diesem Bereich auf die Standesämter zu übertragen.

(Zuruf des Abg. Zimmermann CDU)

Mir scheint, wenn ich in die Runde blicke, der CDU-Kollege aus Hamburg ist wesentlich weiter als Sie. Folgen Sie doch seinem Beispiel, und stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu!

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kurz.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen, verehrte Kollegen! In diesem Zusammenhang auch heute noch von Ausgrenzung und Intoleranz zu sprechen bedeutet, dass man das, was die CDU bisher für die Familien und auch für die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften getan hat, überhaupt nicht sieht und nicht akzeptiert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

In einem muss ich Ihnen ganz deutlich widersprechen: Sie wollen mit Ihrem Gesetzentwurf erreichen, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften dem familienrechtlichen Institut der Ehe gleichgestellt werden, und das wollen wir auf jeden Fall nicht.