Protokoll der Sitzung vom 27.07.2005

Ich will darauf hinweisen, dass diese Entscheidung auch innerhalb des Spruchkörpers ja nicht unumstritten war; es gab gleich zwei Minderheitenvoten. Aber jetzt ist nicht der Ort und die Zeit, dies zu vertiefen und diese Debatte noch einmal aufzurollen. Denn das Land ist verpflichtet, Gesetze des Bundes auszuführen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Die dafür notwendigen Regelungen haben wir im Gesetz zur Ausführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes geschaffen.

Nun wissen ja alle, dass von Anfang an heftig darüber diskutiert oder sogar gestritten wurde, ob für die Entgegennahme der Erklärungen der Lebenspartner das Standesamt oder aber eine andere Stelle zuständig sein soll. Wir haben diese Aufgabe aus guten Gründen, auf die ich gleich noch eingehen werde, in den Landkreisen den Landratsämtern und in den Stadtkreisen den Oberbürgermeistern übertragen. Die Zuweisung in dieser Form hat sich bewährt. Ich sage noch einmal: Das Ganze ist bislang unspektakulär und reibungslos abgelaufen.

Wenn Herr Kollege Boris Palmer vorhin gesagt hat, in Tübingen finde diese Erklärung in der Kfz-Zulassungsstelle statt, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass das tatsächlich in der Kfz-Zulassungsstelle selbst geschieht.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Aber im Gebäude!)

Das findet vielleicht im selben Gebäude statt. Schauen Sie sich die Räumlichkeiten dort doch einmal an; diese können durchaus würdig sein. Möglicherweise stehen keine anderen Räumlichkeiten im Rathaus oder anderswo zur Verfügung.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Aber der Landkreis kann doch über das Rathaus gar nicht verfügen!)

Das müssen Sie im Einzelfall betrachten. Ich mag das jetzt nicht vertiefen, denn ich kenne die Gegebenheiten nicht.

Die Zuweisung hat sich bewährt. Dennoch wird immer wieder – wie jetzt auch wieder durch die SPD-Fraktion – die Forderung erhoben, dass zukünftig die Standesbeamten diese Aufgabe übernehmen sollen. Die Position der Landesregierung in dieser Frage, meine Damen und Herren, war und ist daran ausgerichtet, welche unter den in Betracht kommenden Lösungen am ehesten sachgerecht und mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist.

Insoweit ist zunächst festzustellen, dass eine besondere sachliche Notwendigkeit der Aufgabenerledigung durch eine bestimmte Behörde oder Stelle nicht besteht. Dass dem so ist, sieht man, wenn man die Regelungen in den anderen Ländern betrachtet. Dort sind einmal die Kreise, einmal die Gemeinden, einmal die Regierungspräsidien, einmal die Notare und dann wiederum die Standesbeamten zuständig.

Vor diesem Hintergrund sehen wir unverändert keinen Sinn darin, den Vollzug dieser besondere Fachkenntnisse erfordernden Aufgabe den 1 375 Standesämtern zu übertragen. Vielmehr erscheint es sachgerecht, eine Aufgabe, die im Gegensatz zum Vollzug von Eheschließungen nicht sehr häufig zu erledigen ist, bei den 44 unteren Verwaltungsbehörden, also den Stadt- und Landkreisen, zu bündeln. Aufgrund dieser sachlichen Erwägung kann darin auch von vornherein keine Diskriminierung, wie es der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion glauben machen möchte, liegen.

Ich will nochmals betonen: Die Aufgabenzuweisung hat sich bewährt, und solange es keine vernünftigen Gründe für eine Änderung gibt, ist es am besten, es beim jetzigen Status zu belassen. Ich bitte Sie deshalb, dem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen.

Ich habe mich jetzt bewusst auf den sachlichen Kern des Anliegens beschränkt. Ansonsten hätten wir eine Diskussion, die jedenfalls im jetzigen Zusammenhang fehl am Platz wäre.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Nachfrage des Herrn Abg. Boris Palmer?

Ja, gern.

Bitte sehr, Herr Abg. Palmer.

Herr Minister, könnten Sie sich nach Ihren Ausführungen vorstellen, das Gesetz dahin gehend zu öffnen, dass Kommunen, die den Wunsch haben, dass auf ihren Standesämtern solche Lebenspartnerschaften geschlossen werden können, ein entsprechendes Zugriffsrecht erhalten, sodass also beispielsweise die Stadt Tübingen für ihr Gebiet diese Aufgabe vom Landkreis übernehmen könnte?

(Abg. Hillebrand CDU: Tübingen ist doch kein Stadtkreis!)

Tübingen ist, wie wir beide wissen, kein Stadtkreis.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: So ist es!)

Deswegen kann ich mir nicht vorstellen, dass wir von der Systematik abgehen, weil es einzelne, wenige Fälle geben mag – an uns ist noch gar keiner herangetragen worden –, bei denen man diese Systematik durchbrechen sollte. Ich hielte es auch für problematisch, jetzt eine solche Öffnungsklausel in dem Gesetz zu verankern, jedenfalls solange es beanstandungslos, reibungslos und unspektakulär funktioniert.

Der Fall, den Sie im Auge haben, ist nicht ganz so unspektakulär; das gebe ich zu. Die Kfz-Zulassungsstelle macht mich auch ein bisschen stutzig. Da müsste man einmal näher hinschauen. Aber ansonsten wird die Sache im ganzen Land – ich sage es noch einmal – völlig unaufgeregt gehandhabt und sachgerecht und fachgerecht erledigt. Deswegen glaube ich nicht, dass wir daran rütteln sollten.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Ein bisschen Diskri- minierung muss halt schon sein!)

Nein, ein bisschen Diskriminierung muss nicht sein. Ich könnte aber entgegnen: Doch Unterschiede darf es in einer toleranten Gesellschaft auch geben, Herr Kretschmann.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig! Sehr richtig!)

Und schon sind wir mittendrin in der Diskussion.

Meine Damen und Herren, in der Ersten Beratung des Gesetzentwurfs liegen keine Wortmeldungen mehr vor.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf an den Innenausschuss zu überweisen. Sie stimmen der Überweisung zu? – Es erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.

Damit ist Punkt 11 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:

a) Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD – Gesetz zur Änderung des Landeshochschulgesetzes – Drucksache 13/4486

b) Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜNE – Gesetz zur Änderung des Landeshochschulgesetzes – Drucksache 13/4528

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu a und b je fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

(Abg. Seimetz CDU: Die Redezeit muss aber nicht ausgeschöpft werden!)

Wem darf ich das Wort erteilen? – Bitte, Frau Abg. Schmidt-Kühner.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Den Hochschulzugang für qualifizierte Berufstätige ohne Abitur zu erleichtern ist das Ziel unseres Gesetzentwurfs, den wir heute einbringen. Schon lange fordern die Handwerkskammern im Land, dass die Meisterprüfung als Zulassungsvoraussetzung für ein Studium anerkannt wird.

Die klassische Karriereleiter mit ihren drei Sprossen Lehrling, Geselle und Meister soll um eine vierte Sprosse, nämlich das Studium, ergänzt werden können. Ausführlich hat sich dazu auch der Handwerkstag Baden-Württemberg in seinem Papier „Wege in die Berufswelt – Agenda zur Zukunftsgestaltung“ im April dieses Jahres zu Wort gemeldet.

In einigen Bundesländern haben wir bereits die Situation, dass Meistern der Weg zum Studium ohne Eignungsprüfung offen steht. Ich nenne Niedersachsen, wo es damit sehr gute Erfahrungen gibt. Seit dem 1. Januar 2005 ist das auch in Hessen möglich.

Untersuchungen zeigen, dass Studierende ohne Abitur ihre Ausbildung an der Hochschule überdurchschnittlich schnell und erfolgreich abschließen. Die Erfahrung, die sie aus Ausbildung und Beruf mitbringen, hilft ihnen offenbar beim Studieren.

Weitere Gründe, die für den erweiterten Hochschulzugang sprechen – nicht nur, dass diese Menschen mit ihrer Qualifikation schneller und besser studieren –, sind die steigenden Qualitätsanforderungen in Handwerk und Industrie. Diese Qualitätsanforderungen machen es eben sinnvoll, nach der Meisterprüfung noch ein Studium aufzunehmen, um betriebswirtschaftliche oder auch technische Kenntnisse zu vertiefen. Der Zugang für Meister zum Studium ist also ein Baustein der Qualitätssicherung in unserem Land.

(Beifall bei der SPD)

Wir sagen: Der Hochschulzugang über die Meisterprüfung oder einen gleichwertigen Abschluss könnte damit ein gutes Element des zweiten Bildungswegs und ein Beitrag zur Erhöhung der Studierendenquote werden.

(Beifall der Abg. Marianne Wonnay SPD)

In Baden-Württemberg haben wir zurzeit die Situation, dass der Hochschulzugang für Meister und vergleichbar Qualifizierte nur mit einer zusätzlichen Prüfung der Hochschulreife möglich ist. Die Einzelheiten dieser Prüfung sind in einer besonderen Verordnung ausführlich geregelt. Diese Prüfung, die dem Abitur gleichgestellt wird, wird von den

Oberschulämtern durchgeführt. Die Hürde, die damit aufgebaut wird, erweist sich als sehr hoch. Zum einen kommen nur sehr wenige Bewerberinnen und Bewerber. Im Jahr 2002 waren es 63, und von diesen wurden letztendlich nur 23 zum Studium zugelassen. An dieser Stelle haben wir also eine sehr hohe Hürde.

Schon bei der Novellierung des Landeshochschulgesetzes Ende 2004 – des großen Wurfes, wie es damals hieß – beantragte die SPD-Fraktion den Wegfall der Eignungsprüfung. Die Regierungsfraktionen konnten zwar nicht kategorisch Nein sagen, wollten aber unserem Änderungsantrag auch nicht zustimmen, wahrscheinlich weil er von uns kam oder aus welcher Motivation auch immer. Bis zum Sommer dieses Jahres – so wurde damals in einem Entschließungsantrag beschlossen – solle die Eignungsprüfung überprüft werden. Der Sommer ist da.

(Abg. Pfisterer CDU: Aber noch nicht vorbei!)

Der Sommer ist auch schon über einen Monat im Land. Die interministerielle Arbeitsgruppe konstituiert sich und prüft und prüft und prüft. Ein Bericht, den wir erwarten konnten, liegt immer noch nicht vor. Gerade deswegen, weil er immer noch nicht vorliegt, obwohl versprochen war, dass er im Sommer da ist, bringen wir das Thema heute wieder auf die Tagesordnung.