Protokoll der Sitzung vom 12.10.2006

(Abg. Reinhold Gall SPD: Nix!)

Er sagt: Verbraucher, überlegt, wie ihr euch wehren könnt! Was machen die Energieversorger? Sie kündigen Preiserhöhungen an, und sie führen sie durch.

Deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir politisch dagegen angehen. Es kann nicht sein, dass auf unsere hohen Strompreise immer weiter draufgesattelt wird, während andere Länder die Bremse ziehen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat unser Weckruf in Sachen Strompreise in BadenWürttemberg ja schon dafür gesorgt, dass es weitere Initiativen gibt. Alle Fraktionen werden mit Konzepten vorstellig, und alle – dafür sind wir dankbar – haben das Ziel, preisdämpfend und preissenkend auf die Strompreisentwicklung einzuwirken. Deshalb haben wir vorhin verabredet – wir begrüßen das –, zu versuchen, aus den verschiedenen Ansätzen, die in den unterschiedlichen Anträgen zum Ausdruck kommen, unsere gemeinsame Zielsetzung in diesem Haus in ein gemeinsames Instrumentenpaket zu schmieden, damit die Baden-Württemberger in Zukunft zumindest im Durchschnitt der Preisentwicklung in Deutschland stehen und nicht länger an der Spitze.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Dr. Brenner.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Strompreiserhöhung stoppen – das hört sich natürlich toll an, nach dem Motto: Wir hauen auf den Tisch, und alles wird gut.

(Abg. Thomas Knapp SPD: So sind wir halt!)

Aber so einfach ist es natürlich nicht. Der Strompreis setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, die man sich einzeln anschauen muss. Ein gutes Drittel der Stromkosten entfällt auf das Netz, weitere gut 20 % auf Beschaffung, etwa 5 % auf den Vertrieb und etwa 40 % auf Steuern

und Abgaben. Wenn jetzt die Netzgebühren von der Regulierungsbehörde um 10 % gekürzt würden, hätte das eine Auswirkung auf den Strompreis von etwa 3 %. In BadenWürttemberg haben wir bei den Netznutzungsentgelten eine Spreizung zwischen vier und neuneinhalb Cent pro Kilowattstunde. Die Gründe werden zurzeit vom Wirtschaftsministerium überprüft, und Kürzungen sind auch schon angeordnet.

Bei den Beschaffungskosten ist die Situation klar. Die Preise für Öl und Gas bewegen sich weiterhin auf hohem Niveau. Das wirkt sich über die Gaskraftwerke auch auf den Strompreis aus. Diese Kosten sind abhängig von der Weltmarktnachfrage und von uns nicht beeinflussbar.

Die Konzessionsabgabe wird wohl bleiben, sonst meutern die Kommunen. Das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz wird bleiben. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz wird bleiben. Allerdings soll es überprüft und vereinzelt auch neu justiert werden. Die Ökosteuer soll zunächst bleiben; auf die Einnahmen für die Rentenkasse kann man laut Auskunft aus Berlin im Moment noch nicht verzichten. Und die Mehrwertsteuer soll erhöht werden. Von den drei Prozentpunkten gibt die EnBW aktuell 2,6 Prozentpunkte weiter.

Wie sieht nun der Wettbewerb aus? 1998 fand eine halbherzige Liberalisierung statt. Nach anfänglichem Wettbewerb und sinkenden Preisen haben die Stromversorger ihre Marktmacht gefestigt. Wohlwollende Fusionsentscheidungen durch die rot-grüne Bundesregierung – übrigens über das Kartellamt hinweg – haben dies erleichtert.

(Zuruf des Abg. Jörg Döpper CDU)

Jetzt wird der Strommarkt von einem Oligopol der großen Energieversorger bestimmt. Sie kennen sie alle: Eon, RWE, EnBW und Vattenfall bestimmen jetzt den Markt. Die Stadtwerke gehen auch nicht mit niedrigen Preisen in den Wettbewerb, sondern sie orientieren sich bei uns an den Preisen der EnBW.

Kurz und gut: staatliche Verordnungen zuhauf, Quersubventionen bei den Stadtwerken, undurchsichtige Zuordnung der Kosten. So ist es kein Wunder, dass die Wirtschaftsministerien alle Mühe haben, die Kalkulationen der Stromversorger zu überprüfen und Kostenfaktoren richtig zuzuordnen. Da wurde kalkulatorische Gewerbesteuer eingerechnet, auch wenn sie nicht bezahlt wurde. Jetzt haben Gerichte entschieden, dass dies nicht mehr zulässig ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Besonders undurchsichtig sind die sogenannten Opportunitätskosten. Darin verbergen sich die Kosten für die Emissionszertifikate, die zurzeit an der Leipziger Börse zu einem Preis zwischen 15 und 16 € gehandelt werden. Zu einem Preis, der darüber liegen dürfte, fließen sie in die Kosten ein.

Diese Zertifikate wurden den Energiekonzernen unter Berücksichtigung der aktuellen Emissionen ihrer Kraftwerke von der rot-grünen Bundesregierung als Erstausstattung kostenfrei zugeteilt. Das bedeutet, dass die Konzerne einen Kostenfaktor, für den sie nichts bezahlt haben, zum aktuel

len Preis an der Börse ansetzen und den Kunden in Rechnung stellen. Sie erhalten also etwas umsonst, stellen es aber anderen in Rechnung. Das wäre etwa so, als wenn mich Herr Kollege Schmiedel zu einem Kaffee einlädt, ich den aber nicht trinke und ihn der Frau Präsidentin für 2,50 € verkaufe.

(Heiterkeit – Beifall des Abg. Boris Palmer GRÜ- NE – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Sehr gut! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Carmina, klasse!)

Es wird geschätzt, dass dieses Verfahren den Stromkonzernen bis zu 8 Milliarden € in die Kassen gespült hat. Es wäre wohl besser gewesen, man hätte die Zertifikate für, sagen wir einmal, 5 € verkauft. Dann könnten sie nämlich auch nur mit 5 € in der Bilanz stehen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Herr Schmiedel hat ge- rade gesagt, er lädt beide zum Kaffee ein!)

Ich danke im Übrigen allen Kollegen aus dem Wirtschaftsausschuss, die einstimmig einem Antrag zugestimmt haben, wonach diese Kosten künftig extra auszuweisen sind und die Zertifikate, die kostenfrei zugeteilt worden sind, nicht als Kosten aufgeführt werden dürfen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP sowie des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Wir möchten, dass die Landesregierung dies in Berlin so beantragt.

Die Anträge, die jetzt gestellt sind – das haben wir vereinbart –, werden wir alle an den Ausschuss überweisen. Dort werden wir versuchen, uns fraktionsübergreifend – möglichst einstimmig – auf Instrumente zu einigen, die dazu dienen können, den Strompreis in Baden-Württemberg zu senken.

Trotzdem, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist auch Stromsparen eine Alternative. Standards für die Industrie bei Geräten und Beleuchtung und auch die Umsetzung der Energieeinsparungsverordnung werden sicher ihren Teil dazu beitragen.

Außerdem kommen von der EU eine ganze Reihe von Projekten unter dem Thema „Intelligente Energien“. Hier sollen erneuerbare Energien einen herausragenden Platz bekommen. Bei den erneuerbaren Energien bin ich besonders optimistisch: Selbst die EnBW hat jetzt einen Beauftragten für erneuerbare Energien.

(Heiterkeit bei den Grünen – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ja, das ist richtig! – Abg. Reinhold Gall SPD: Da sind wir einmal gespannt, was das wird!)

Auf dessen Heldentaten bin ich natürlich besonders gespannt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Untersteller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Strompreisdebatte beherrscht nun schon seit Wochen die Medien – wie ich finde, völlig zu Recht. 1998, zu Beginn der Liberalisierung des Energiemarkts, hatten wir in der Bundesrepublik acht Energieversorgungskonzerne. In den darauffolgenden Jahren wurden aus diesen acht Unternehmen vier.

(Zuruf des Ministers Ernst Pfister)

Diese vier wiederum sind im Besitz von 96 % der Grundlastkraftwerke. 80 % der gesamten Stromversorgung in der Bundesrepublik werden von diesen vier Konzernen beherrscht. Diese vier sind Anteilseigner einer ganzen Reihe von Stadtwerken. Beispielsweise sind RWE und Eon zusammen an 250 Stadtwerken beteiligt. Die EnBW in Baden-Württemberg ist an über 40 Stadtwerken beteiligt. Hinzu kommt noch, dass praktisch das gesamte große Stromübertragungsnetz im Besitz dieser vier Konzerne ist. Ich denke, dies zeigt, welche geballte Macht hier vorhanden ist.

Das Resultat dieser Entwicklung können Sie in Zahlen ablesen. Im Jahr 2002 hatten diese vier Konzerne in der Bundesrepublik Erlöse in Höhe von 4,3 Milliarden €. Drei Jahre später, im Jahr 2005, betrugen sie das Zweieinhalbfache davon, nämlich 11,2 Milliarden €. Ich sage Ihnen: In diesem Jahr werden wir über die Grenze von 15 Milliarden € gehen.

Allein diese Zahlen zeigen, dass der Verbraucher in den letzten Jahren von den Konzernen als Melkkuh missbraucht wurde.

Herr Minister, diese Zahlen zeigen noch ein Weiteres: Sie zeigen, dass es ein Fehler war, dass in einer Situation, in der sich abgezeichnet hat, dass Konzentrationsprozesse vorhanden sind und dass eben nicht der Markt kommt, der eigentlich mit der Liberalisierung versprochen war,

(Minister Ernst Pfister: Ich habe das nicht gemacht! Das hat Rot-Grün gemacht!)

die Strompreisaufsicht in Baden-Württemberg als einzigem Bundesland im Jahr 2000 von Ihrem Vorgänger im Amt abgeschafft wurde.

(Minister Ernst Pfister: Frau Vogt hat das gemacht! – Gegenruf des Abg. Thomas Knapp SPD: Nein, nein!)

Das war ein Fehler. Ich will Ihnen das auch einmal anhand von Zahlen zeigen, aus denen deutlich wird, dass das ein Fehler war. Herr Kollege Schmiedel hat ja schon einmal Balkendiagramme gezeigt.

(Zuruf der Abg. Ute Vogt SPD)

Ich zeige Ihnen auch noch eines. Ich gebe Ihnen das nachher einmal. Das war im „Offenburger Tagblatt“ veröffentlicht. Es sind ebenfalls Zahlen von Verivox. Ich sage Ihnen, wie die Zahlen aussehen: Wenn Sie 3 000 Kilowattstunden verbrauchen – das ist etwa der Jahresverbrauch einer dreiköpfigen Familie plus/minus; Herr Bullinger, Sie brauchen wahrscheinlich mehr –,

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

dann hatten Sie im Jahr 2005 gegenüber dem Jahr 2000 als Kunde der EnBW Strompreissteigerungen in der Größenordnung von 45 %. Das ist der oberste Balken.

(Der Redner hält ein Balkendiagramm in die Höhe.)

Kein anderes Unternehmen in der Bundesrepublik kommt auch nur annähernd an solche Strompreissteigerungsraten heran, wie wir sie in den letzten Jahren bei der EnBW zu verzeichnen hatten.