Protokoll der Sitzung vom 27.10.2010

Die zweite Frage: Sie sagten vorhin, dass das Ausbaupro gramm sehr gut angenommen werde, insbesondere im MINTBereich. Sie sagten, alle neu geschaffenen Studienanfänger plätze seien im Wesentlichen besetzt worden. Jetzt haben Sie uns Anfang Oktober einen Bericht zukommen lassen, der Aus kunft über die Entwicklung bei den Studienanfängerplätzen gibt. Darin enthalten ist eine Tabelle, die zeigt, dass die Aus lastung der neuen Studienanfängerplätze im Bereich der MINT-Studiengänge – Mathematik, Informatik, Naturwissen schaften und Technik – nicht besonders gut gelungen ist. So ist beispielsweise nachzulesen, dass im MINT-Bereich in Frei burg 155 Studienanfängerplätze neu geschaffen wurden, dass aber 2009 gegenüber 2006 nur 15 zusätzliche Studierende ein solches Studium aufgenommen haben.

Für Heidelberg sehen die Zahlen nicht viel besser aus: 120 Plätze wurden neu geschaffen, aber nur 46 weitere Personen haben ein solches Studium aufgenommen. In Hohenheim wur den 80 Studienplätze geschaffen, aber nur 27 Personen haben ein entsprechendes Studium aufgenommen.

Habe ich Ihre Ausführungen vorhin falsch verstanden, oder stimmt die Tabelle nicht?

Bitte, Herr Minister.

Zu Ihrer eingangs gestellten Frage nach der „Erfindung“ der Zahl von 20 000: Sie können es mir glau ben: Nachdem das Statistische Landesamt seine Prognose kor rigiert hatte, haben wir sehr schnell reagiert. Vielleicht kön nen wir uns auf die Feststellung einigen, dass wir im Endef fekt alle richtig gedacht haben. Das zeigt im Übrigen, dass wir alle ganz gut in der Materie drin sind.

Zu Ihrer Frage bezüglich der 4 000 Studienplätze: Diese An gabe beruht tatsächlich nicht auf der alten Definition von „Überlast“; das haben Sie richtig bemerkt. Früher hat man als „Überlast“ etwas bezeichnet, was man nahm, ohne entspre chend auszubauen. Die 4 000 Studienplätze, von denen jetzt die Rede ist, sind jedoch genauso mit neuen Stellen unterlegt wie die 16 000.

Aber hier gilt das, wonach Herr Stober gefragt hatte: Diese zusätzlichen Studienplätze sind eindeutig als temporär ge

kennzeichnet. Insofern definieren wir den Begriff „Überlast“ anders, als wir es früher getan haben. Andere Bundesländer würden sagen: Wir nehmen die 4 000 Plätze, aber wir geben nichts dafür. Das ist bei uns nicht der Fall.

Zur Frage nach der Auslastung der Studiengänge: Sie werden immer einzelne Beispiele für Studiengänge finden, bei denen es nicht gelungen ist, genügend geeignete Bewerber zu fin den. Diese Beispiele – das sehen Sie auch – konzentrieren sich auf einzelne Universitäten. Bei der Dualen Hochschule ist weit überbucht worden. Auch im aktuellen Programm ist es so, dass wir im Rahmen dieses Ausbaus, der für die Jahre 2011/2012 geplant ist, für die Duale Hochschule den größten Teil der Plätze bereits vorziehen müssen, weil das entspre chende Angebot besteht. Wir werden aber auch dort einzelne Studiengänge finden, in denen auch einmal weniger Ausbil dungsplätze bereitgestellt worden sind, als Studienplätze vor handen gewesen wären.

Insofern werden Sie im Einzelfall immer Beispiele dafür fin den – das beruht auf ganz normalem menschlichem Verhalten –, dass es nicht so viele Anmeldungen bzw. Wahrnehmungen von Zulassungen gab, wie es Angebote gegeben hätte. Das liegt aber noch immer auch daran – wir sehen es, wenn wir in diesem Wintersemester Studiengänge außerhalb des Pro gramms „Hochschule 2012“ in den Blick nehmen –, dass wir noch kein funktionierendes Verfahren der Stiftung für Hoch schulzulassung haben. Das Verhältnis zwischen den Bewer berzahlen und der Zahl der Zulassungen ist noch immer sehr schwierig. Außerdem wird dieses Verhältnis zwischen Bewer bern und Zulassungen immer schwieriger vorherzusagen sein.

Wir haben in der Kultusministerkonferenz massiv darauf ge drängt, dass die Stiftung für Hochschulzulassung früher in der Lage sein soll, diesen Prozess wenn nicht zu dirigieren, so doch zu administrieren. Solange die Stiftung für Hochschul zulassung dies nicht schafft, wird es immer wieder zu solchen Verwerfungen kommen. Wir hoffen, dass die Stiftung aller spätestens zum Wintersemester 2012/2013 hierzu in der La ge ist; die Bayern hoffen dabei auf das Wintersemester 2011/2012. Beide Länder haben den Antrag gestellt, bis da hin die Vorbereitungen fertigzustellen und die Verfahren be reitzustellen.

Heute können wir 30 Bewerbungen für einen Studiengang ha ben, und tatsächlich kommen dann fünf Studienanfänger, wäh rend in einem anderen Studiengang nur sieben Bewerbungen eingehen und ebenfalls fünf Studienanfänger kommen. Frü her haben wir dies einschätzen können; die Hochschulen wussten: Wir überbuchen die Zahl der Plätze um die Zahl X, und dann sind die Plätze zu 100 % ausgelastet. Dies können Sie heute jedoch überhaupt nicht mehr vorhersagen.

Ich glaube, wir sind uns einig: Wir brauchen die Servicestel le, wir brauchen eine bundesweite Administration; wir brau chen keine Entscheidung, wohl aber eine Administration der Bewerbungen. Solange das nicht gegeben ist, wird das Be werberverhalten unvorhersehbar und unvorhersagbar bleiben und wird es dadurch auch zu Lücken bezüglich der Wahrneh mung von Studienplatzangeboten kommen. Im Mittel sind die Fachhochschulen weit überbucht, ist die Duale Hochschule überbucht und sind die Universitäten voll ausgelastet. Aber die Einzelentscheidung ist immer schwerer prognostizierbar.

Vielen Dank, Herr Mi nister.

Damit ist die erste halbe Stunde der Regierungsbefragung be endet. Ich darf mich bei Ihnen bedanken.

Wir kommen jetzt zum zweiten Teil der Regierungsbefragung, nämlich zu den Fragen der Opposition, heute zunächst zu ei ner Frage der Fraktion GRÜNE.

Ich erteile Frau Abg. Dr. Splett das Wort.

Verehrter Herr Präsident! In den letzten Jahrzehnten hat die Belastung der Bevölkerung durch Lärm erheblich zugenommen. Die Bedeutung dieses Problems hat dazu geführt, dass die EU im Jahr 2002 die Um gebungslärmrichtlinie beschlossen hat. Sie hat das Ziel, ge sundheitliche Schäden abzuwenden. Als Instrument sieht sie die Aufstellung und Umsetzung von Lärmaktionsplänen vor. Bei der Aufstellung der Pläne ist eine Mitwirkung der Öffent lichkeit vorgesehen. Diese hat besonderes Gewicht.

Meine Fraktion sieht in der EU-Umgebungslärmrichtlinie ein wichtiges und zukunftweisendes Instrument. Für uns ist nicht nachvollziehbar, warum die Landesregierung den Verpflich tungen, die sich aus dieser Richtlinie ergeben, nicht nach kommt. Insbesondere ist für uns nicht nachvollziehbar, war um es noch immer keinen Aktionsplan für den Flughafen Stuttgart gibt, obwohl dieser nach EU-Recht bereits im Jahr 2008 hätte vorliegen müssen. Das hat uns die EU-Kommissi on im Übrigen aktuell in einem Schreiben bestätigt.

Auch in vielen Kommunen, die unter Lärm von Hauptver kehrsstraßen leiden, fehlen noch immer Aktionspläne. Ein wirksamer Lärmschutz in den Kommunen wird von der Lan desregierung auch dadurch blockiert, dass Landesbehörden den Kommunen wirksame und kostengünstige Maßnahmen wie Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Lkw-Durchfahrts verbote verwehren. Dies machen sie, obwohl die Lärmakti onsplanung in der Zuständigkeit der Kommunen liegt und die se dabei nicht auf Einvernehmen mit Straßenverkehrsbehör den angewiesen sind. Gerade hier hätte ich mir durch die Zu sammenlegung der Bereiche Verkehr und Umwelt zu einem Ressort Fortschritte erwartet. Diese Hoffnung ist bisher ent täuscht worden.

Ich frage deshalb: Welche Konsequenzen zieht die Landesre gierung aus der Feststellung der EU-Kommission, dass die Nichterstellung eines Lärmaktionsplans für den Flughafen Stuttgart einen Verstoß gegen EU-Recht darstellt? Wie sieht der Zeitplan für die Erstellung eines Aktionsplans aus? Trifft es zu, dass die Landesregierung bezüglich der Notwendigkeit der Erstellung eines Aktionsplans für den Flughafen Stuttgart externen Sachverstand eingeholt hat oder einholt? Falls ja, wann und zu welchen Kosten wurde ein entsprechendes Gut achten bei wem in Auftrag gegeben?

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Einfache Frage! – Zuruf von der SPD: Kurze Frage!)

Vielen Dank. – Zur Be antwortung erteile ich Frau Umweltministerin Gönner das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Dr. Splett, zu Ihrer ersten Frage: Wir haben be reits, nachdem Sie schon mehrere Schreiben an die Europäi sche Kommission geschickt haben

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Oh! Gepetzt! – Zuruf von der SPD: Unglaublich!)

und Ihnen die Europäische Kommission nach meinem Kennt nisstand zu einem früheren Zeitpunkt mitgeteilt hat, dass sie die Vorgehensweise des Landes Baden-Württemberg – so stel len Sie es in Ihrem eigenen Brief an die Europäische Kom mission auch dar –, dass wir zunächst, was das Thema „Flug hafen Stuttgart und Lärmkartierung“ angeht, die Lärmaktions planung und die Festlegung der Lärmschutzbereiche nach dem Fluglärmgesetz vornehmen – –

Nachdem die notwendige Verordnung, mit der die Datener fassung und die Berechnung der Lärmschutzbereiche geregelt wurde, erst Ende 2008 erlassen wurde und es sich hierbei um eine komplexe Aufgabe handelt, die Anfang 2009 mit Unter stützung kompetenter und externer Dienstleister angegangen wurde, liegt seit Juli eine Verordnung vor, zu der die Anhö rung für die Festsetzung der Lärmschutzbereiche für den Flug hafen Stuttgart derzeit läuft. Wir haben ergänzend für diese Verordnung – und damit eine entsprechende Anhörung statt finden kann – zu Beginn dieser Woche, am 26. Oktober 2010, zu einer Informationsveranstaltung für die im Rahmen der An hörung angesprochenen Behördenmitarbeiter und Mandats träger sowie interessierte Bürger eingeladen. Wir gehen da von aus, dass die Festsetzung der Lärmschutzbereiche durch Verordnung der Landesregierung Anfang 2011 erfolgen kann. Diesen Sachverhalt hatten wir bereits im Jahr 2008 bzw. 2009 der Kommission mitgeteilt, die die damalige Akte der Be schwerde daraufhin geschlossen hat.

Wir werden auch aufgrund des Schreibens, das Sie jetzt an die EU-Kommission gerichtet haben, mit dem entsprechenden Antwortentwurf mit der Europäischen Kommission Kontakt aufnehmen und darauf hinweisen, dass wir zunächst – dieses Vorgehen wurde von der Kommission bisher so geteilt – die Festsetzung der Lärmschutzbereiche durch die Verordnung vornehmen. Ich gehe davon aus, dass die Europäische Kom mission dann bereit ist, den Weg auch weiterhin mit uns zu gehen.

Zu der zweiten Frage: Es ist so, dass wir für die Aufstellung des Lärmaktionsplans externen Sachverstand einbeziehen. Es gab in der vergangenen Woche eine mündliche Beauftragung der ACCON GmbH aus Greifenberg in Bayern. Wir haben da raufhin ein entsprechendes Angebot erhalten. Auf der Grund lage dieses Angebots wurde inzwischen auch eine entspre chende schriftliche Beauftragung vorgenommen.

Die Arbeiten werden zu einem Festpreis von netto 17 600 € zuzüglich der geltenden Mehrwertsteuer ausgeführt, sodass brutto insgesamt 20 944 € vereinbart werden. Eventuelle Er gebnispräsentationen werden noch zusätzlich kommen, so dass dies entsprechend beinhaltet ist.

Die letzte Bemerkung bezieht sich auf das Thema „Kommu nen und Unterstützung“: Das Land Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, das den Kommunen bei der Erstel lung von Lärmaktionsplänen finanzielle Unterstützung hat zu

teilwerden lassen – denjenigen Kommunen, die diese Pläne im ersten Schritt erstellen müssen. Baden-Württemberg ist das einzige Land in ganz Deutschland, das den jeweiligen Kom munen, die in der ersten Phase die entsprechende Erstellung vornehmen müssen, 50 Cent pro Einwohner zur Verfügung gestellt hat. Dieses Geld haben wir gegeben. Insofern kann ich den Vorwurf, das Land unterstütze die Kommunen nicht entsprechend und trage nicht dafür Sorge, dass eine Umset zung erfolgt, in dieser Weise nicht gelten lassen.

Vielen Dank.

Frau Ministerin, Sie können gleich am Rednerpult stehen bleiben.

Gibt es weitere Fragen? – Von der CDU nicht, von der SPD auch nicht.

Herr Abg. Sckerl von der Fraktion GRÜNE, bitte.

Frau Ministerin, noch einmal zum Verhältnis zwischen Land und Kommunen. Wir haben mehrere Fälle, in denen sich Kommunen über das Ver halten von Straßenverkehrsbehörden beschweren, die die An ordnung straßenverkehrsrechtlicher Maßnahmen blockieren oder ablehnen. Es sind Maßnahmen, die die Kommunen gern im Lärmaktionsplan hätten. Das gilt z. B. für Geschwindig keitsbegrenzungen auf Bundesstraßen oder Autobahnen als wichtigem integralem Instrument einer lokalen Aktionspla nung. Übergeordnete Verkehrsbehörden lehnen dies ab.

Wie beurteilen Sie dies, und wie werden Sie auch vor dem Hintergrund eingreifen, dass Sie gleichzeitig sagen, Kommu nen seien in diesem Zusammenhang gegenüber dem Land nicht weisungsabhängig?

Ich beginne mit dem Hinweis, dass manche Kom munen als Erstes die Maßnahmen ergreifen wollen, für die Dritte zuständig sind. Ich glaube, dass die Aufgabe auch dar in besteht, dass jeder zunächst den Teil bearbeitet, den er leis ten kann.

Zweite Bemerkung: Die Schwierigkeit liegt darin, dass das Straßenverkehrsrecht, das bekanntermaßen Bundesrecht ist,

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

den neuen Herausforderungen, die wir in verschiedenen Be reichen haben, möglicherweise noch nicht vollumfänglich an gepasst ist. Das gilt nicht nur für Lärmfragen, sondern auch für Luftreinhaltefragen. Auch dort kennen wir die Diskussion über die Frage, welche Möglichkeiten gegeben sind, was der geringere Eingriff ist.

Damit geht der dritte Punkt einher. Natürlich muss man in je dem Einzelfall prüfen. Auf der anderen Seite gibt es im Stra ßenverkehrsrecht bestimmte Voraussetzungen, die zunächst erfüllt sein müssen, bevor es möglich ist, entsprechende An ordnungen zu treffen. Nicht immer sind diese Voraussetzun gen erfüllt. Das ist der Grund, dass nicht jeder Wunsch der einzelnen Kommunen bezüglich der Frage „Können wir das machen oder nicht?“ erfüllt werden kann.

Ich will nicht leugnen: Als kommunaler Vertreter würde ich auch als Erstes sagen: „Ich verhänge ein Lkw-Durchfahrts

verbot.“ Mir wäre es ziemlich gleichgültig, wohin die Lkws dann fahren und ob es Ausweichstrecken gibt. Mir wäre es auch ziemlich gleichgültig, ob es sich um eine Bundesstraße handelt oder nicht.

(Vereinzelt Beifall)

Vor diesem Hintergrund glaube ich schon: An diesem Punkt hat eine übergeordnete Behörde die Aufgabe, auch darüber nachzudenken und zu bewerten, ob die Grundvoraussetzun gen jeweils gegeben sind. Denn ich glaube, Verdrängungsver kehre – Verkehre, die ich aus der einen Kommune hinausver lagere, um sie in andere Kommunen hineinzuverlagern – sind auch wenig hilfreich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Albrecht Fischer CDU: Sehr gut!)

Eine weitere Wortmel dung, Herr Abg. Dr. Murschel von der Fraktion GRÜNE.

Frau Ministerin Gönner, ich möchte gern etwas konkreter nachfragen, weil das doch etwas schwammig im Raum stand. Sind allein die Kommu nen für die Aufstellung von Lärmaktionsplänen, konkret für die Integration von Geschwindigkeitsbegrenzungen in diese Pläne, zuständig, und dies, ohne das Einvernehmen mit der höheren Straßenverkehrsbehörde herzustellen?

In verschiedenen Drucksachen haben Sie den Hinweis gege ben, dass es bei den Luftreinhalteplänen nach § 47 des Bun des-Immissionsschutzgesetzes anders sei, bei Lärm allerdings allein die Kommune zuständig sei. Wie verhält es sich jetzt konkret?