Protokoll der Sitzung vom 27.10.2010

In verschiedenen Drucksachen haben Sie den Hinweis gege ben, dass es bei den Luftreinhalteplänen nach § 47 des Bun des-Immissionsschutzgesetzes anders sei, bei Lärm allerdings allein die Kommune zuständig sei. Wie verhält es sich jetzt konkret?

Ich hoffe, dass Sie von mir jetzt keine juristische Vorlesung erwarten, weil ich das jetzt alles aus dem Kopf he raus beantworten muss.

Es ist tatsächlich so, dass bei den Luftreinhalteplänen eine ent sprechende Rechtsgrundlage über § 47 des Bundes-Immissi onsschutzgesetzes geschaffen wurde, während bei den Lärm aktionsplänen eine solche nicht gegeben ist und deswegen die Kommunen zuständig sind.

Es gilt aber auch, dass nicht jede Kommune zugleich Straßen verkehrsbehörde ist. Soweit eine Kommune nicht Straßenver kehrsbehörde ist, bedarf sie zur Umsetzung der Mithilfe Drit ter. Die Mithilfe Dritter besteht darin, dass man überprüfen muss, ob die Grundvoraussetzungen erfüllt sind, damit es ent sprechend angewandt werden kann.

Frau Abg. Dr. Splett.

Frau Ministerin, Sie haben vorhin versucht, die Frage des Verstoßes gegen EU-Recht zu relativieren. Deswegen möchte ich an dieser Stelle nachha ken. Deshalb lese ich Ihnen drei Sätze aus einem EU-Schrei ben vor, das ich am Montag dieser Woche erhalten habe. Da rin steht:

Der Flughafen Stuttgart wurde der Kommission von der Bundesrepublik Deutschland als Großflughafen gemel det. Es wurde jedoch noch kein Lärmaktionsplan für den Stuttgarter Flughafen mitgeteilt. Ich teile Ihre Ansicht,

dass dies ein Verstoß gegen Artikel 8(1) der Richtlinie 2002/49 ist.

Ich finde, das ist eine sehr klare Aussage. An dieser Stelle kann man nicht auf andere gesetzliche Regelungen zum Lärmschutz verweisen, sondern man muss dieser EU-rechtlichen Ver pflichtung nachkommen.

In diesem Zusammenhang interessiert mich, ob Sie eine Vor stellung davon haben, wer im Falle eines Vertragsverletzungs verfahrens am Ende die Kosten tragen wird. Beim Flughafen Stuttgart ist das relativ klar. Hierfür müsste wohl das Land aufkommen. Bei den Kommunen ist das weniger klar. Mich interessiert, wie Sie das einschätzen.

Ich will mit der letzten Frage beginnen. Nachdem Sie genau diese Frage in Ihrem Schreiben mit der EU-Kom mission nicht abgeklärt haben, gibt es auch noch keinen Hin weis der Europäischen Kommission, dass es zu einem Ver tragsverletzungsverfahren kommt. Insofern handelt es sich um eine völlig hypothetische Frage.

(Zuruf der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE)

Zu Ihrer ersten Frage weise ich auf Ihr Schreiben hin. Ich sa ge ganz ehrlich: Es ist nicht so, dass die Kommission jedes Mal beim Land anruft, wenn sie einen Brief bekommt. Sie teilt vielmehr ihre Meinung mit.

Wir werden Ihren Brief zum Anlass nehmen, genau das zu tun, was wir schon einmal gemacht haben. Ich zitiere jetzt aus Ih rem Schreiben an die Kommission:

Bezug nehmend auf meine Schreiben vom 28.10.08 und 28.01.09 zur Umsetzung... sowie Ihre Antworten vom 03.02.09 und 22.12.09 wende ich mich nochmals in Ihrer Funktion als Hüterin der Verträge an Sie.

Weiter heißt es – das ist der entscheidende Satz –:

In Ihrem Schreiben vom 03.02.09... teilten Sie mir mit, dass auf Grundlage der vom Umweltministerium BadenWürttemberg gelieferten Informationen davon auszuge hen sei, dass für den Flughafen Stuttgart... „die grund sätzliche Bereitschaft besteht, im Anschluss an die Lärm erfassung einen Lärmaktionsplan zu erstellen.“ Zum damaligen Zeitpunkt war deshalb Ihres Erachtens ein weiteres Tätigwerden der Kommission in dieser Sache nicht erforderlich.

(Zuruf der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE)

Sie haben also in Ihrem eigenen Schreiben dargelegt, dass die Kommission am 3. Februar 2009 ein weiteres Tätigwerden nicht für notwendig erachtete. Wir werden auf der Grundlage Ihres Schreibens der Kommission jetzt mitteilen, dass wir, nachdem die Lärmerfassung stattgefunden hat und die ent sprechende Verordnung für die Fluglärmschutzzonen gemacht wird, anschließend in die Lärmaktionsplanung gehen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Kommission wie beim letzten Mal sehr bereit ist, die Aussage, die sie in ihrem Brief an Sie getroffen hat, insofern zu relativieren. Ich gehe davon aus, dass es auch in diesem Fall nicht zu einem Ver tragsverletzungsverfahren kommen wird.

Herr Abg. Pix.

(Zuruf des Abg. Reinhold Pix GRÜNE – Abg. Wal ter Heiler SPD: Er hat zum Publikum hinauf gewun ken!)

Herr Abg. Dr. Murschel.

Frau Ministerin Gönner, da wir gerade dabei sind: Sie hatten gesagt, Sie unterstützten die Kommunen bei der Umsetzung von Lärmschutzmaßnah men, das Land steuere hierzu 50 Cent pro Einwohner bei. Mich würde einfach Ihre Einschätzung interessieren: Halten Sie bei den anstehenden Maßnahmen in diesen Aktionsplänen – Pi mal Daumen: was von den Kommunen bisher eingebaut wurde – diese 50 Cent pro Einwohner für wenig, mittel oder viel Unterstützung für die Kommunen?

Ich glaube, dass – –

Bitte, Frau Ministerin.

Vielen Dank, Herr Präsident. Entschuldigung, dass ich ohne Ihre Erlaubnis beginne.

(Oh-Rufe – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das läuft ja runter wie Öl! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Der Präsident ist begeistert! – Unruhe)

Deswegen habe ich mich gleich entschuldigt.

Herr Murschel, die 50 Cent pro Einwohner, die wir den Kom munen zur Verfügung gestellt haben, waren für die Lärmkar tierung und für die Erstellung der Lärmaktionspläne. Sie wa ren nicht für die Maßnahmenumsetzung. Insofern haben wir uns von allen anderen Ländern in der Bundesrepublik unter schieden.

Zur zweiten Frage: Es gibt bereits seit 2008 – so meine ich – gemeinsame Bemühungen der Länder in Absprache mit dem Bund, um hier sicherstellen zu können, dass es gerade bei der Umsetzung der Lärmaktionspläne Unterstützung gibt. Es gab bereits eine Einigung der unterschiedlichen Bundesministeri en mit den Ländern dergestalt, dass man eine Drittelfinanzie rung vornimmt: Ein Drittel werden die Länder, ein Drittel wer den die Kommunen und ein Drittel wird der Bund zur Verfü gung stellen. Diese Einigung wurde dann durch die Konjunk turpakete aufgehoben. Derzeit befinden wir uns wiederum auf Bundesebene in einem Gespräch mit den zuständigen Minis terien, ob diese Drittelung für eine entsprechende Zeit nicht nur wieder aufgenommen, sondern als Grundlage genommen werden kann. Denn eines ist klar: Die Umsetzung der Maß nahmen wird natürlich erstens eine längere Zeit dauern, und zweitens wird es notwendig sein, hierfür auch entsprechende finanzielle Möglichkeiten – im Übrigen wirklich aller Betei ligten – bereitzustellen.

Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. – Vielen Dank, Frau Ministerin.

Damit ist Tagesordnungspunkt 4, die Regierungsbefragung, erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

a) Antrag der Fraktion der SPD – Einsetzung und Auftrag

des Untersuchungsausschusses „Aufarbeitung des Po lizeieinsatzes am 30. September 2010 im Stuttgarter Schlossgarten“ – Drucksache 14/7080

b) Wahl der Mitglieder und der stellvertretenden Mitglie

der, der/des Vorsitzenden und der/des stellvertretenden Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses

Das Präsidium hat für die Begründung eine Redezeit von fünf Minuten und für die Aussprache eine Redezeit von zehn Mi nuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gel ten.

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzendem Schmiedel das Wort.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Seit über 15 Jahren setze ich mich zusam men mit vielen anderen für die Verwirklichung des Verkehrs projekts Stuttgart 21 ein. In diesen langen Jahren gab es vie le Aufs und Abs bei diesem Thema.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Abs?)

Aber kein einziges Thema, keine Stellungnahme, kein Ereig nis hat dem Projekt Stuttgart 21 so geschadet wie der Polizei einsatz am 30. September 2010. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben gerade diejenigen, die für dieses Projekt eintreten, ein enormes Interesse daran, dass aufgeklärt wird, warum dieser Polizeieinsatz so aus dem Ruder lief, damit wir wieder eine Chance haben, ohne die Belastung durch dieses Thema über Stuttgart 21 zu reden.

(Beifall bei der SPD)

Daran, dass der Polizeieinsatz aus dem Ruder lief, kann es überhaupt keinen Zweifel geben. Selbst der Ministerpräsident erklärte am Tag darauf, dass es solche Bilder aus Stuttgart und aus Baden-Württemberg nie mehr geben darf.

Diese Bilder, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben natür lich nicht nur diejenigen zu sehen bekommen, die sich mit die sem Projekt beschäftigen, sondern diese Bilder haben alle Menschen in Baden-Württemberg, in Deutschland und weit darüber hinaus zu sehen bekommen. Diese Menschen fragen sich: Wie konnte das geschehen? Wie konnte es geschehen, dass ein Polizeieinsatz so abläuft, dass selbst die Polizei hin terher sagt, der Einsatz hätte so nicht ablaufen dürfen, und dass die Landesregierung sagt, einen solchen Ablauf dürfe es nie wieder geben?

Deshalb haben auch die Menschen, die das gesehen haben, ei nen Anspruch darauf, aufgeklärt zu bekommen, warum dies so geschehen ist. Diejenigen, die selbst davon betroffen wa ren, haben ein enormes persönliches Interesse daran, aufge klärt zu bekommen, was da geschah.

Wer eine Tochter an einer Schule hat, von der an dem ange sprochenen Tag Schülerinnen im Schlosspark waren,

(Vereinzelt Oh-Rufe)

und wer erlebt hat, wie dies im Zusammenhang mit der Schil derung und mit Bildern, die in den Zeitungen zu sehen waren, auf junge Menschen wirkt, der kann nachvollziehen, weshalb nicht nur wir, sondern wahrscheinlich Sie alle ganz viele Zu schriften und E-Mails bekommen haben, die fordern, dass auf geklärt werden muss, warum der Polizeieinsatz so verlaufen ist, wie er verlaufen ist.

In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Scheuermann, finde ich es unangemessen, wenn derjenige, der als künftiger Vor sitzender des Gremiums berufen werden soll, das genau die sen Polizeieinsatz aufklären soll, das die Gründe finden soll, warum dies so schiefgelaufen ist, bevor das Gremium über haupt zusammentritt in der Öffentlichkeit feststellt, dass alles in Ordnung gewesen sei, dass alles verhältnismäßig gewesen sei, dass dieser Untersuchungsausschuss eigentlich nicht zu sammentreten müsste.