Protokoll der Sitzung vom 09.11.2006

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Darum geht es. Es geht um eine Zukunftsentscheidung für Menschen, die an dieser Therapie teilgenommen haben. Wir müssen heute im Landtag klären, wie es weitergeht. Ich will von der CDU-Fraktion nach dem CDU-Landesparteitag schon einige Antworten. Eine Antwort wäre zum Beispiel, dass der Fraktionsvorsitzende der CDU, der da hinten jetzt gerade so intensiv im Gespräch ist und so tut, als ob ihn das alles nichts angehen würde – – Er hat nach der Anhörung in der CDU-Fraktion vor den Fernsehkameras verlautbart, dass er sehr beeindruckt gewesen sei, was die Experten bei der Anhörung geschildert hätten, und dass er sorgfältig prüfen werde. Eine Woche später – auf dem Parteitag – ist er dann eingeknickt und hat den Hardlinern in der Partei nachgegeben.

Ich möchte auch gern vom Herrn Ministerpräsidenten wissen, warum er die zuständige Fachministerin auf diesem Parteitag im Regen stehen ließ.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Ute Vogt SPD: Weil er ein Weichei ist!)

Ich hätte schon gern eine Antwort, wie es hier weitergeht. Es wirft natürlich auch ein bezeichnendes Licht auf die Stellung des Ministerpräsidenten, wenn er seiner Fachministerin nicht den Rücken stärkt und sie wirklich im Regen stehen lässt. Hierzu hätte ich heute gern Antworten von Ihnen. Ich bin gespannt. Wir werden in der zweiten Runde sehr wohl eine Perspektive entwickeln müssen, wie es mit den Probanden weitergeht, die an den Versuchen teilnehmen.

Wir alle wissen, dass die Städte, die sich an der Studie beteiligen, mit der Entwicklung sehr zufrieden sind. Wir ha

ben bei über 80 % der Teilnehmenden wesentliche Verbesserungen des Gesundheitszustands erreichen können. Wir haben eine Integration ins Berufsleben. Es ist eine erfolgreiche Studie.

Die CDU muss heute hier an dieser Stelle Farbe bekennen.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Ich bin sehr gespannt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Ich will Ihnen, Frau Dr. Stolz, nur versichern: Im Landtag von Baden-Württemberg haben Sie mit der FDP/ DVP, den Grünen und der SPD eine Mehrheit,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Danke, dass du für uns sprichst!)

die den Weg mit Ihnen geht.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Klenk das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt Themen, die sich in der politischen Auseinandersetzung nur bedingt diskutieren lassen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Auf einem Parteitag schon gar nicht!)

Deshalb möchte ich das Thema auf eine sachliche Ebene bringen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist völlig richtig! – Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, es geht nach meinem Verständnis in erster Linie um ein medizinisches Thema,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! – Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

und es geht um Menschen, die sich in einer Extremsituation befinden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig!)

Es gilt, nach adäquaten Lösungsansätzen zu suchen.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Völlig richtig!)

Auch manche Überschriften in der Presse – „Heroin auf Krankenschein“, „Heroinfreigabe“ – dienen der Sache nicht.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Leitlinie für unsere Fraktion ist die Koalitionsvereinbarung. Ich darf daraus zitieren:

Ob und unter welchen Bedingungen in Ausnahmefällen bei Schwerstabhängigen, bei denen wiederholte Therapien zur Entziehung erfolglos geblieben sind, die Abgabe von Heroin als Vorstufe einer differenzierten, auf

Entzug gerichteten Therapie in Betracht kommen kann, wird unter Einbeziehung von Experten geprüft

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Ja!)

und bis Mitte 2007 entschieden. Insgesamt ist auf eine noch engere Verzahnung ambulanter, teilstationärer und stationärer Hilfsangebote hinzuarbeiten.

Wer heute sagt, wir hätten keine Angebote, lügt. Wir haben in der Suchtpolitik vielmehr gute Angebote –

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Genau!)

auch im stationären Bereich. Das heißt, es bleibt heute niemand auf der Straße liegen. Das wollen wir auch einmal festhalten.

(Beifall bei der CDU)

Aus diesem Grund hat die CDU-Landtagsfraktion vor ca. zwei Wochen eine Expertenanhörung durchgeführt. Sie war sehr gut und hat auch sehr zur Versachlichung des Themas beigetragen.

Dabei kam aber auch klar zum Ausdruck, mit welchen Rahmenbedingungen dies alles verknüpft sein muss und dass eine sorgfältige Abwägung auch zwischen dem ambulanten und dem stationären Bereich stattzufinden hat.

Wir müssen heute hier gar nichts entscheiden. Denn Grundvoraussetzung ist zunächst einmal, dass der Bund das Betäubungsmittelgesetz ändert.

(Zuruf des Abg. Johannes Stober SPD)

Danach – so meine Aussage bei der Anhörung und auch heute – werden wir

(Zuruf des Abg. Andreas Hoffmann CDU)

je nach Gesetzeslage eine Entscheidung herbeiführen. Die Expertenkommission des Bundes, an der auch Ärzte und Kostenträger beteiligt waren, hat vor wenigen Tagen ihren Bericht abgegeben. Auf dieser Grundlage wird der Bund eine Entscheidung zu fällen haben. Dann werden wir uns hier wieder mit dem Thema auseinandersetzen.

Auch hinsichtlich der Frage, was mit den Menschen passiert, die nach dem Ende der Studie noch in den entsprechenden Programmen sind, war bereits zu Beginn der Studie in der Helsinki-Erklärung eine Übergangsregelung getroffen worden. Es bleibt also niemand auf der Straße stehen.

Deshalb: Diskutieren wir über dieses Thema in aller Ruhe wieder nach dem Beschluss des Bundes.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Gute Darstellung! – Abg. Thomas Blenke CDU: Man kann mit dem Thema auch sachlich um- gehen!)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Lösch das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Suchtpolitik gibt es einen Grundsatz. Er lautet: Viele Wege führen in die Sucht, und genauso viele Wege müssen auch aus der Sucht führen. Dieser Grundsatz in der Suchtpolitik darf sich nicht an Parteitagsbeschlüssen oder an Ideologien orientieren. Vielmehr muss sich dieser Grundsatz an den Bedürfnissen, an den Lebenslagen der betroffenen Menschen orientieren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Neben der Prävention, der Repression und der Suchtkrankenhilfe gibt es noch eine vierte Säule in der Suchtpolitik. Das sind die Überlebenshilfen. Genau um diese Überlebenshilfen geht es heute. Es geht um Überlebenshilfen für einen ganz eng begrenzten Teil von Schwerstabhängigen, langjährigen Suchtabhängigen, für nicht einmal 10 %. Nur um diesen kleinen, begrenzten Teil von Schwerstabhängigen geht es.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)