Protokoll der Sitzung vom 13.12.2006

Wenn Sie jetzt das EQJ anführen, muss ich Ihnen sagen – Sie haben es selbst erwähnt –: Die Hälfte der Teilnehmer im EQJ hat Abitur oder mittlere Reife. Wenn da 60 % vermittelt werden, was bleibt für die Hauptschüler übrig? Das Gleiche wie im BVJ.

(Beifall bei der SPD)

Das EQJ war gedacht als ein Programm für Jugendliche mit einem besonderen Förderungsbedarf, der für die Ausbildungsreife besteht. Ob dies für Abiturienten unbedingt notwendig ist, wage ich zu bezweifeln.

(Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Sie müssen die Notenschnitte dieser Schüler anschauen!)

Zu den Notenschnitten und zu der Ausbildung: Die Hälfte aller Bewerber für Lehrstellen hat mittlerweile Abitur oder mittlere Reife.

(Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Ja, aber welcher Schnitt?)

Sie können mir jetzt nicht erzählen, dass man bei jedem von einer mangelnden Ausbildungsreife sprechen kann. Das ist einfach eine falsche Darstellung der Situation.

(Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Wenn sie einen Dreierschnitt haben, haben sie überall Probleme!)

Ich will noch sagen, worauf es uns ankommt. Wir sind in der Tat der Meinung: Der Grundsatz der dualen Ausbildung besteht. Er muss gesichert werden. Aber wenn es faktisch nur ein Angebot für die Hälfte der Bewerber ist, ist dieses Angebot zu erweitern. Dazu gehört die Nutzung des novellierten Berufsbildungsgesetzes. Dazu haben Sie keine Silbe gesagt.

(Abg. Ute Vogt SPD: Ja!)

Das novellierte Berufsbildungsgesetz gibt die Möglichkeit, Teilqualifikationen zu zertifizieren und vollzeitschulische Ausbildungen anzurechnen. Da kann uns nicht die Wirtschaft diktieren, sondern da muss auch die Bildungspolitik entsprechend Einfluss nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Wir können sagen: Das, was wir an den Schulen leisten, ist eine hervorragende Arbeit. Das muss auch auf die berufliche Ausbildung angerechnet werden. Das ist in ganz Europa üblich.

Für das Sonderprogramm für Altbewerber schlagen Sie jetzt eine Finanzierung über ESF-Mittel vor.

(Minister Ernst Pfister: Machen wir schon!)

Das ist ja in Ordnung. Ich gönne das auch jedem. Aber man muss es vom Volumen her sehen. 1 800 Jugendliche sind 1 bis 2 % bezogen auf die Lehrstellen im dualen System. Damit kommen Sie nicht weiter. Wir haben 40 000 Altbewerber. Da kommen Sie mit 1 bis 2 %, die, wie Sie sich brüsten, mit EU-Mitteln finanziert werden, nicht weiter. Da müssen Sie bitte schön auch bei sich selbst in die Tasche greifen. Das Land ist hier gefordert. Dabei würden wir Sie auch unterstützten.

(Beifall bei der SPD)

Ich bitte darum, den Antrag zur weiteren Beratung an die zuständigen Ausschüsse zu überweisen. Es gibt noch viel zu diskutieren. Ich denke, es wäre notwendig, sich mit der Thematik noch einmal vertiefend auseinanderzusetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Es wurde Überweisung des Antrags an den Wirtschaftsausschuss (mitbera- tend) und an den Ausschuss für Schule, Jugend und Sport interjection: (federführend) beantragt. – Ich sehe keine Gegenstimmen. Dann wird so verfahren.

Tagesordnungspunkt 4 ist damit abgeschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Staatsministeriums – Kabelnetzbelegung in BadenWürttemberg – Drucksache 14/497

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Ich darf das Wort für die SPD-Fraktion Frau Abg. Kipfer erteilen.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wir haben schon in der letzten Woche festgestellt, dass wir uns mitten in der digitalen Revolution befinden. Die SPD will diese Herausforderung annehmen. Ich glaube, die SPD ist die einzige Partei, die schon ein Grundlagenpapier dazu entwickelt hat. Wir wollen diese Chancen nutzen. Wir wollen die Verbesserung der globalen Information und Kommunikation.

(Zuruf des Abg. Günther-Martin Pauli CDU)

Wir wollen die Chancen der Wertschöpfung und im Übrigen auch die Chancen einer stärkeren demokratischen Partizipation nutzen. Aber wir sehen auch die Problemfelder, denen sich der Gesetzgeber annehmen muss. Gegenwärtig haben wir es mit einer Übergangsphase zu tun.

(Unruhe)

Da ist nun interessant, was die Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten selbst in ihrem neuesten Bericht, den ich Ihnen, Herr Minister Stächele, zur Lektüre empfehle, geschrieben hat. Da heißt es:

In der Übergangsphase mit gleichzeitiger analoger und digitaler Übertragung reduzieren die Kabelnetzbetreiber die Zahl der analogen Kanäle; sie geben der Vermarktung von zusätzlichen digitalen Programmen und Triple-Play-Angeboten den Vorrang. Dies gefährdet die Vielfalt des Rundfunkangebots.

Wenn man genau hinschaut, erkennt man: Das ist auch der Grund, warum es im Raum Karlsruhe und im Rhein-Neckar-Raum „gerumpelt“ hat. Es zeigt sich, dass unser Landesmediengesetz diesen Entwicklungen nicht gewachsen ist, jedenfalls wenn man es mit dem Begriff Rundfunk ernst

meint – so, wie wir ihn hoffentlich alle verstehen –, dass Rundfunk nämlich eine Veranstaltung für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zur Unterhaltung, zur Information und zur Meinungsbildung in möglichst großer Vielfalt ist. Fernsehen ist eben nicht nur Kommerz, sondern ein wichtiges Stück Kultur in unserem Land. So sieht es jedenfalls die Bevölkerung, und so sehen wir es auch.

Anstatt also vor allem diese Interessen der Zuschauer zu schützen, eröffnet unser Mediengesetz den kommerziellen Nutzern unverhältnismäßig großen Spielraum. Wie sonst ist es zu erklären, dass sich der Kabelnetzbetreiber in BadenWürttemberg bei der Umstellung der Übertragungskapazität auf digitale Verbreitung mühelos über die Interessen der angeschlossenen Teilnehmer im analogen Bereich hinwegsetzen kann? Hessen 3 verschwand genauso wie ein französischer Sender aus dem analogen Kabel. Stattdessen wurden Verkaufssender eingespeist.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Skandal!)

Das hatte zwar auch technische Hintergründe, aber im Ergebnis war es so.

Erst nach Protesten der Zuschauer und nicht etwa nach Intervention der Landesanstalt für Kommunikation wurde Hessen 3 im Rhein-Neckar-Raum wieder eingespeist – also im Grenzgebiet, wo dieses Programm auch terrestrisch zu empfangen ist.

Die Landesanstalt für Kommunikation hätte hier schon im Vorfeld eingreifen müssen – schon nach der Gesetzeslage –, hat dies aber nicht getan oder wollte es nicht. Die LfK, die das Geschäftsgebaren des Kabelnetzbetreibers eigentlich überwachen soll – es heißt im Gesetz, dass die Belegung im Non-must-carry-Bereich in Abstimmung mit der LfK erfolgen soll –, erweist sich als zahnloser Tiger. Sie hat, anders als es in den Landesmediengesetzen von Hessen und Bayern geregelt ist, keinen Einfluss auf die Nutzung der Kabelkapazität durch den Betreiber. Den informellen Einfluss schließlich, den sie hätte, hat sie nicht genutzt.

Nun sagt die Landesregierung, mehr Einfluss auf die Kabelbelegung sei wegen der EU-Universaldienstrichtlinie gar nicht erlaubt. Diese Richtlinie besagt aber ausdrücklich, dass zumutbare Übertragungspflichten auferlegt werden können, wenn eine erhebliche Zahl von Endnutzern diese Netze als Hauptmittel zum Empfang von Hörfunk- und Fernsehsendungen nutzen. Ich denke schon, Herr Minister, dass Sie diese EU-Dienstrichtlinie nicht in vorauseilendem Gehorsam zu interpretieren brauchen. Sie sollten sich vor allem erst einmal für unsere Vorstellung von Rundfunk in Deutschland verkämpfen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Allerdings ist im allgemeinen Interesse die Definition klar umrissener Ziele erforderlich. In der Tat haben Sie es bisher vermissen lassen, Ziele zu definieren, die besagen, wie Sie diesen Umstieg vom analogen in den digitalen Bereich gestalten wollen. Wir geben Ihnen heute die Chance, dazu etwas zu sagen. Es geht nicht nur um die digitale Zukunft, sondern auch um die Übergangsphase. Ich bin gespannt, was Sie uns dazu zu sagen haben.

In der zweiten Runde werde ich Ihnen dann unsere Vorstellungen dazu nennen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kößler.

Meine Damen und Herren, Herr Präsident!

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Es präsidiert eine Frau Präsidentin!)

Oh, Entschuldigung, Frau Präsidentin. – Anlass für diese Debatte ist der Antrag der SPD-Fraktion, Drucksache 14/497. Darin geht es um die Herausnahme des Senders Hessen 3 sowie eines französischen Senders aus dem badischen Teil des Kabelnetzes.

Grundsätzlich ist zu bedauern, dass HR 3 aus dem Kabelnetz genommen wurde. Natürlich besteht bei den Zuschauern ein gewaltiges Interesse. Doch kann man – wie in allen politischen Angelegenheiten – auch in dieser Angelegenheit den Satz von Kurt Schumacher zitieren: „Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit.“ Diese Wirklichkeit ist in diesem Fall das Landesmediengesetz.

Im Kern geht es bei dieser Änderung um drei wesentliche Fragen, die beantwortet werden müssen: War Kabel BW zu der Herausnahme dieser Programme berechtigt? Ist die Landesanstalt ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen? Kann der Pflichtbereich im Landesmediengesetz erweitert werden?