(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Bravo! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Sehr gut!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als ich die Rede meines Kollegen Kübler gehört habe, hatte ich den Eindruck: Alles ist hier in Baden-Württemberg in Ordnung.
Es wurde der Eindruck vermittelt, beim Einzelplan 08 sei ebenso wie bei allen anderen Einzelplänen alles spitze und wunderbar.
Ich finde, dass es noch einiger Worte bedarf, um das zu ergänzen, was mein Kollege Winkler hier gesagt hat – dem ich im Übrigen in Vielem zustimmen kann.
Gestern habe ich erfahren: Der Justizhaushalt kostet jeden Steuerzahler des Landes 5 € pro Monat. Das fand ich eine griffige Zahl. Die anderen Zahlen im Millionen- und im Milliardenbereich, die hier genannt werden, sind irgendwie nicht so richtig griffig. Der Agrarhaushalt kostet mit 10 € pro Steuerzahler und Monat etwa doppelt so viel. Da stellt sich schon die Frage, ob diese 10 €, die jeder Monat für Monat für die Agrarpolitik zahlt, richtig angelegt sind. Wo steht denn die Agrarpolitik in Baden-Württemberg? Da hilft manchmal ein Blick auf ein paar Zahlen. Ich möchte einige Zahlen nennen, die ich der Statistik entnommen habe.
Baden-Württemberg hat 60 000 landwirtschaftliche Betriebe. In den letzten zehn Jahren haben ein Drittel der Betriebe aufgegeben. Das sind jährlich ungefähr 4 % der Betriebe; seit 2001 hat jeder sechste Betrieb aufgegeben. Dies ist übrigens deutlich mehr als der Bundesdurchschnitt. Im Zuge des Strukturwandels gingen seit 2001 über 21 000 Arbeitsplätze im Landwirtschaftsbereich verloren.
Noch einige weitere Zahlen: Durchschnittlich hatte jeder Voll erwerbsbetrieb in Baden-Württemberg einen Unternehmergewinn von 35 000 € pro Jahr. Dies ist deutlich weniger als der
Bundesdurchschnitt; dort sind es 2 000 € mehr. Der Anteil der Landwirtschaft an der Gesamtwertschöpfung in Baden-Würt temberg ist Jahr für Jahr gesunken und beträgt jetzt 0,7 %.
Angesichts dieser Zahlen kann man sich schon fragen: Wohin driftet die Landwirtschaft in Baden-Württemberg? Unterstützt die Landesregierung auch tatsächlich die bäuerlichen Familienunternehmen? Die Zahlen zeigen genau das Gegenteil.
Zum Ökolandbau will ich auch ein paar Worte sagen: Der ökologische Landbau stagniert in Baden-Württemberg. Nur 5 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche werden hier ökologisch bewirtschaftet. Die Landwirte stellen nicht auf ökologischen Landbau um, weil die Umstellungsgelder eingefroren waren und nicht zur Verfügung standen. Die Firma Hengstenberg sucht dringend Ökobetriebe, die z. B. Gurken aus ökologi schem Anbau liefern. Ich frage mich, Herr Minister: Was machen Sie, um solche Nachfragen zu befriedigen?
Fazit: Wir sind keineswegs, wie es anklang, spitze in der Landwirtschaft. Gerade in diesem Bereich bleibt noch viel zu tun.
In Baden-Württemberg sind wir vielleicht spitze, was das Höfesterben anbelangt. Bei uns gehen die meisten Arbeitsplätze in der Landwirtschaft verloren. Die Unternehmergewinne sind im Vergleich zum Bundesdurchschnitt im Keller. Darüber hinaus kommen wir bei der Produktion von Biolebensmitteln nicht nach. Der Ökomarkt boomt, und wir haben nicht genügend Betriebe, die Ökolandbau betreiben, weil wir keine vernünftige Förderung haben.
Die Frage ist also: Was tut die Landesregierung, um eine Landwirtschaft zu fördern, die ökologisch arbeitet, die Qualität produziert, die z. B. gentechnikfrei produziert? Wie unterstützt sie sie? Nutzt sie die Förderprogramme, die es auf EU-Ebene gibt, richtig? Auf diese Fragen möchte ich mich konzentrieren, da meine Kollegin Gisela Splett auch noch ein paar Worte sagen will.
Wir haben verschiedene Fördermöglichkeiten, die in der neuen Förderperiode 2007 bis 2013 neu hinzugekommen sind und bei denen das Land einen großen Gestaltungsspielraum hat. Ich habe vorhin gehört, beim MEKA und den Agrarumweltprogrammen werde gar nicht gekürzt. Genau das Gegenteil ist der Fall, wie Sie erkennen, wenn Sie die Zahlen richtig anschauen.
Gerade bei den Umweltmaßnahmen im Agrarbereich wird am meisten gekürzt. Sie sehen bei diesen Zahlen – die zweite Säule auf dieser Grafik –, dass 2006 noch 236 Millionen € für Baden-Württemberg zur Verfügung standen, es im Durchschnitt der nächsten Jahre jedoch nur noch 170 Millionen € sind. Die größte Kürzung betrifft den Agrarumweltbereich. Beim MEKA allein sinkt die Zahl von 136 Millionen € im Jahr 2006 auf 104 Millionen € in der nächsten Förderperiode.
Das ist mit drin; das ist der Gesamtbetrag. Sie können das nachher ja korrigieren, wenn Sie andere Zahlen haben.
Wir wollen mit unserem Antrag umschichten zugunsten der Agrarumweltmaßnahmen. Wir haben gehört, dass 30 bis 40 Millionen € fehlen. Wir sehen in unserem Antrag eine Umschichtung von fast 100 Millionen € zugunsten einer ökologisch ausgerichteten Landwirtschaft vor. Wir wollen den Ökolandbau, Streuobstwiesen, gentechnikfreie Bewirtschaftung und naturverträgliche Waldbewirtschaftung fördern.
Ich würde mich freuen – es klang bei Ihnen ja auch an, dass Ihnen allen die Agrarumweltmaßnahmen wichtig sind –, wenn Sie unserem Antrag folgen und ihm zustimmen könnten.
(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Jetzt wird es wieder fundierter! – Gegenruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP: Danke für die Vorschusslorbeeren!)
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde sicherlich nicht so humorvoll sein können wie du, lieber Alfred. Ich werde auch nicht Agrarpolitik mit Agrarromantik verwechseln, sondern ein paar grundlegende Gedanken zur Agrarpolitik darlegen. Ich bedanke mich schon jetzt bei dir, Jochen Karl Kübler, dass du diese Zahlen genannt hast. Die werde ich nicht wiederholen.
Meine Damen und Herren, die Lebensgrundlagen der kommenden Generationen drücken sich nicht nur in sauberer Luft, gutem Wasser und gesunden Böden aus. Es ist unsere Verantwortung, die Politik nicht auf immer neuen Schulden aufzubauen. Nachhaltigkeit bedeutet für uns ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit. Deshalb ist der Haushalt des Landwirtschaftsministeriums – wie andere Haushalte ja auch – geprägt von der gemeinsamen Anstrengung, die Nettoneuver- schuldung bis 2011 auf null zu bringen.
Gleichzeitig war es unser Ziel, trotz der erheblichen Mittelkürzungen vonseiten der EU unserer Landwirtschaft und dem ländlichen Raum insgesamt wie bisher und auch weiterhin eine gute Zukunftsperspektive zu bieten. Die Landwirtschaft und die Menschen in den ländlichen Räumen sollen an der allgemeinen Einkommens- und Wohlstandsentwicklung teilhaben.
Die Landwirtschaft und die ihr vor- und nachgelagerten Bereiche wie z. B. das Agrargewerbe, das Ernährungshandwerk sowie die Nahrungsmittelindustrie sind nach wie vor Säulen des ländlichen Raums. 75 % der Landesfläche zählen zum ländlichen Raum. 45 % der Bevölkerung des Landes leben hier. Diese Fakten verlangen von der Politik eine Gesamtpolitik für den ländlichen Raum. Deshalb müssen wir auch im Hightechland Baden-Württemberg unsere Landwirte fit halten, sie fit machen für eine wettbewerbsfähigere und stärker am Markt orientierte Landwirtschaft und sie dabei vorbereiten und unterstützen.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt einmal los! Ler- nen Sie doch einmal etwas dazu! – Abg. Jürgen Wal- ter GRÜNE: Geben Sie einmal ein paar konkrete Bei- spiele! – Unruhe)
Ihre Reaktionen zeigen, dass Sie, glaube ich, darauf warten, dass ich in meinen Ausführungen fortfahre –
(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Ja, wir wollen einmal etwas Konkretes hören! – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)
sprechen wir nicht nur über die klassische Agrarpolitik, bei der die Vorgaben von außen kommen – ich nenne hier WTO, GATT, Europa, Berlin –, sondern gerade auch über regionale Landwirtschaftspolitik, über das Erfolgsprogramm ELR, die Verbraucherschutzpolitik und die Forstpolitik.
Zur Verbraucherpolitik nur so viel: Die Haushaltsmittel – auch das wurde ausgeführt – sind in diesem Bereich nicht weniger, sondern mehr geworden. Unser liberaler Ansatz heißt jedoch: Der mündige Bürger braucht ein Verbraucherrecht, das den Verbraucher besser informiert, das zu mehr Transparenz führt und in dem das, was draufsteht, auch drin ist. Deshalb muss der Verbraucher auch wissen, was er kauft. Das heißt für mich: Verbraucherforschung und eine bessere Vernetzung zwischen Verbrauchern, Verbrauchereinrichtungen und der Wirtschaft sind nach wie vor wichtig, und da gilt es, noch nachzulegen.
Das heißt aber auch: Wir brauchen eine bessere Verbraucherbildung. Der mündige Bürger hat allerdings – auch das will ich klarstellen – auch eine Bringpflicht, indem er sich selbst besser informiert und fortbildet. Ansonsten wären alle Anstrengungen des Verbraucherschutzes umsonst. Verbraucherschutzsendungen, meine Damen und Herren, anzusehen und die Glotze bei solchen Sendungen nicht abzuschalten, darum geht es. Es gibt durchaus Verbraucheraufklärung im Fernsehen, etwa bei der ARD, beim ZDF, beim SWR und beim Bay erischen Rundfunk. Diese Sendungen führen jedoch leider nicht, wie es eigentlich wünschenswert wäre, dazu, dass sich die Verbraucher mehr mit diesen Themen auseinandersetzen. Leider wird zu oft irgendein Unterhaltungsschrott angeschaut, anstatt diese Aufklärungsmöglichkeiten zu nutzen.
Ich komme nun zur klassischen Agrarpolitik, meine Damen und Herren. Die Agrarmärkte sind im Aufschwung. Die deutschen Bauern erwarten für 2007 eine relativ positive Entwicklung für ihre Betriebe. Sie planen Investitionen vor allem in Wirtschaftsgebäude, in Maschinen und Geräte. Diese positive Entwicklung ist doch auch ein Zeichen dafür, dass die Agrarpolitik hier im Land richtig ist.
Meine Damen und Herren, die Unternehmen brauchen natürlich auch Planungssicherheit. Die baden-württembergische Agrarpolitik steht für Verlässlichkeit.