Protokoll der Sitzung vom 25.04.2007

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: jeweils fünf Minuten für die Begründung der beiden Anträge und fünf Minuten je Fraktion – gestaffelt – in der Aussprache.

Das Wort zur Begründung des Antrags Drucksache 14/871 erteile ich Frau Abg. Rastätter.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die heutige Debatte zum Thema „Französisch an der Rheinschiene“ beantragt, weil direkt zwar nur ein Gebiet von 30 km Breite entlang der Rheinschiene betroffen ist, dieses Thema jedoch für ganz BadenWürttemberg relevant ist. Auch der Landeselternbeirat, der ja ganz Baden-Württemberg vertritt, hat sich zu diesem Thema geäußert, ebenso wie der Philologenverband und die GEW. Es ist ein Thema, das uns alle in Baden-Württemberg angeht.

Meine Damen und Herren, die Verordnung, dass Französisch verpflichtend als erste Fremdsprache an allen Gymnasien entlang der Rheinschiene eingeführt wird, traf die Eltern am Oberrhein aus heiterem Himmel. Ich möchte daran erinnern, dass im Jahr 2001 die damalige Kultusministerin Schavan in einem Interview mit der „Badischen Zeitung“ gesagt hat, dass es Anschlussmöglichkeiten gibt, dass aber auch die Möglichkeit besteht, im Gymnasium bzw. an den anderen weiterführenden Schularten zunächst einmal eine Pause einzulegen. Außerdem stand auf der Homepage des Kultusministeriums im Jahr 2001, dass beim Sprachenkonzept Anschlussmöglichkeiten in den weiterführenden Schulen gegeben sind. Von einem Anschlusszwang war nicht die Rede.

Als Folge dieser Verordnung hat ein massiver Protest entlang der Rheinschiene eingesetzt. Dem Protest haben sich nicht nur der Landeselternbeirat angeschlossen, sondern auch die IHK Karlsruhe, die Mittelstandsvereinigung der CDU, die Gemeinderäte vieler Kommunen, die GEW, der Philologenverband, die Direktorenvereinigung Nordbaden und schließlich auch die FDP/DVP-Fraktion, die in der Debatte bislang allerdings eine unrühmliche Rolle gespielt hat, weil sie diesen Beschluss, entlang der Rheinschiene Französisch als erste Fremdsprache einzuführen, zwar vor Ort kritisiert, aber bei der Abstimmung im Schulausschuss unseren Antrag auf eine Wahlfreiheit der Eltern abgelehnt hat.

(Beifall des Abg. Johannes Stober SPD)

Meine Damen und Herren, bei der Ablehnung von Französisch als erster Pflichtfremdsprache im Gymnasium ab der

fünften Klasse durch die Eltern handelt es sich nicht um eine Ablehnung der französischen Sprache und schon gar nicht um eine Ablehnung des Erlernens der französischen Sprache,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Gott sei Dank!)

sondern es geht einzig und allein um den Zwang, Französisch als erste Pflichtfremdsprache ab der Klasse 5 zu erlernen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie können gleich auch noch mit Englisch beginnen! Dann hat man zwei Fremdsprachen!)

Denn dieser von oben verordnete Zwang, ab der Klasse 5 Französisch als erste Pflichtfremdsprache zu erlernen, führt für die Schüler und Schülerinnen entlang der Rheinschiene zu gravierenden Bildungsnachteilen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie dürfen sofort auch mit Englisch beginnen! Sofort! Wer hindert sie daran, sofort auch mit Englisch zu beginnen? Sagen Sie mir das einmal! Niemand! – Gegenruf des Abg. Gunter Kaufmann SPD: Das sagen wir Ihnen gleich!)

Herr Röhm, darauf komme ich jetzt zu sprechen.

Meine Damen und Herren, statt eines Anschlusszwangs nach der Grundschule fordern die Eltern zu Recht die Anschlussfähigkeit. Die Anschlussfähigkeit ist in der Hauptschule entlang der Rheinschiene gewährleistet. Ich begrüße ausdrücklich, dass die Schüler dort die Möglichkeit haben, qualifiziert als zweite Fremdsprache Französisch zu erlernen, nachdem sie Englisch als erste Pflichtfremdsprache in der Hauptschule haben. Die Anschlussmöglichkeit, Herr Röhm, ist auch an der Realschule gesichert.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Aber auch an den Gymnasien an der Rheinschiene würden doch die allermeisten Schülerinnen und Schüler entweder als erste, als zweite oder als dritte Fremdsprache Französisch wählen. Wir brauchen dazu doch gar nicht den Zwang, Französisch als erste Pflichtfremdsprache an den Gymnasien erlernen zu müssen.

Deshalb stelle ich fest, meine Damen und Herren: Die Einführung von Französisch als erster Pflichtfremdsprache ist eine politische Entscheidung.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Von 2000!)

Sie kann weder pädagogisch noch sprachlogisch begründet werden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die Fortführung ist eine pädagogische Begründung!)

Die Französischpflicht entspricht einzig und allein der fixen Idee des Kultusministers, sich bundesweit und gegenüber Frankreich damit zu profilieren, dass alle Schüler innerhalb einer 30-km-Zone, die das Gymnasium besuchen, zehn Jahre lang Französisch lernen.

Meine Damen und Herren, ein Pendant zu dieser obrigkeitsstaatlichen Vorgehensweise gibt es nicht einmal im Elsass.

Aber gerade dort wäre das eher angebracht, denn dort ist die Sprache des Volkes Elsässisch, also tatsächlich Deutsch,

(Lachen des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

während Französisch in der Tat nicht als Volkes Sprache entlang des Rheins verankert ist.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Abg. Rastätter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Kleinmann?

Bitte schön, Herr Kollege Kleinmann.

Herr Abg. Kleinmann, bitte.

Ich habe zwei Fragen, Frau Kollegin.

Die erste ist: Ist Ihnen bewusst – Sie sagten, es sei die fixe Vorstellung des Herrn Kultusministers, Französisch als erste Fremdsprache in den Gymnasien entlang der Rheinschiene einzuführen –, dass das Kabinett dies im Jahr 2001 und sogar schon im Jahr 2000 beschlossen hat? Der Kultusminister ist nicht das Kabinett und das Kabinett nicht der Kultusminister, wiewohl der Kultusminister Bestandteil des Kabinetts ist.

Zweitens: Halten Sie es für pädagogisch sinnvoll, vier Jahre lang an einer Grundschule eine Fremdsprache – in diesem Fall Französisch – unterrichten zu lassen,

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

anschließend jedoch keine Möglichkeit der Weiterführung zu geben und zu sagen, jetzt bestehe die freie Wahl zwischen Englisch und Latein, Französisch gebe es aber überhaupt nicht mehr?

Herr Kollege Kleinmann, dazu kann ich sagen: Die Tatsache, dass Französisch an den Gymnasien entlang der Rheinschiene als erste Pflichtfremdsprache fortgesetzt werden soll, hat die Landesregierung offenbar bewusst verschwiegen, als Eltern damals gegen Französisch als Grundschulfremdsprache geklagt haben;

(Abg. Volker Schebesta CDU: Das stimmt doch nicht! Ich werde es Ihnen nachher vorlesen! Ich lese es Ih- nen nachher vor, Frau Rastätter!)

denn das Gericht hat die Grundschulfremdsprache Französisch deshalb gebilligt, weil es festgestellt hat:

(Abg. Volker Schebesta CDU: Es wird nicht besser, wenn man es wiederholt!)

Im Gymnasium sind anschließend alle Wahlmöglichkeiten gegeben, also z. B. auch die Kombination von Englisch mit Latein.

Sie sind damals nicht eingeschritten, wohl aus der berechtigten Angst, dass dann möglicherweise die Einführung von Französisch als Grundschulfremdsprache gefährdet wäre.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch schlaglichtartig einige Argumente vortragen, warum die Eltern diesen massiven Widerstand leisten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie waren aber schon für Französisch in der Grundschule, Frau Ra- stätter!)

Erstens: Die Direktorenvereinigung hat klargestellt, dass jetzt gravierende Nachteile für die Schüler entlang der Rheinschiene bestehen. Im württembergischen Teil Baden-Württembergs fangen die meisten Gymnasien jetzt, nachdem sie das können, mit der zweiten Fremdsprache erst in der sechsten Klasse oder frühestens nach dem ersten Halbjahr des fünften Schuljahrs an. Am Oberrhein wollen die Eltern natürlich verständlicherweise, dass ihre Kinder auch sofort mit Englisch beginnen können. Deshalb müssen die Gymnasien praktisch schon ab Beginn der fünften Klasse mit der zweiten Fremdsprache beginnen. Das bewerten die Direktoren als eine Verschlechterung der Startchancen der Kinder entlang der Rheinschiene.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Das ist es auch! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die haben keine Er- fahrung damit! Das ist doch Unfug! Keinerlei Erfah- rung haben sie damit!)

Zweitens: Wer an der Rheinschiene die bewährte Kombina tion Englisch mit Latein wählen will, kann dies nur noch an sieben altsprachlichen Gymnasien tun. Diese altsprachlichen Gymnasien sind also überhaupt nicht flächendeckend vorhanden, und damit entsteht ein gravierender Nachteil für die Schülerinnen und Schüler. Gerade für Kinder mit naturwissenschaftlichen Stärken, Kinder, die in den Sprachen schwächer sind, war das bislang ein ganz wichtiges Angebot, damit diese Kinder einen Bildungserfolg im Gymnasium erreichen können. Diese Möglichkeit gibt es jetzt nicht mehr.

Das, was Sie nun anbieten wie sauer Bier, dass diese Kinder doch die Französischvariante des Biberacher Modells wählen können, nämlich Französisch mit Latein, bedeutet de facto, dass diese Kinder erst im achten Schuljahr Englisch lernen. Es ist doch ganz klar, dass Eltern dies nicht akzeptieren.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Warum? Die ler- nen Englisch gleich lange wie Französisch! – Gegen- ruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Diese Möglichkeit, meine Damen und Herren, ist bereits ein Ladenhüter, bevor die Fremdsprache eingeführt wird.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die haben keine Stunde weniger Englisch!)

Sie können doch nicht ein Modell vorschlagen, für das es überhaupt keine Akzeptanz seitens der Eltern gibt.