Protokoll der Sitzung vom 23.05.2007

(Heiterkeit bei der SPD und den Grünen – Abg. Mi- chael Theurer FDP/DVP: Aber mit den Landwirten sprechen Sie nicht! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: In welcher Welt lebst du?)

Die Einführung der Ökosteuer und die Umstellung der Gasölverbilligung hat auch nichts mit EU-Harmonisierung zu tun, sondern mit dem nationalen Steuerrecht.

(Zuruf von der SPD: Aha! – Abg. Dr. Friedrich Bul linger FDP/DVP: Steuerwettbewerb, natürlich!)

Ja Herrgott, auch das muss Ihnen einmal jemand sagen!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Das Verbot der Verfütterung von Fetten aus dem Gewebe warmblütiger Landtiere und von Fischen an Nutztiere zur Lebensmittelgewinnung ist – da haben Sie recht – eine Sondersituation bei uns. Das haben wir hier auf nationaler Ebene untersagt. Das hat nichts mit der EU zu tun. Die EU-Kommission hat sogar gefordert, dass wir es zurücknehmen.

(Zuruf des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Was soll die Frau Ratspräsidentin bei der EU-Kommission dazu machen? Wir könnten es höchstens abschaffen, aber wir wollen das nicht.

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Das müssen Sie in Berlin regeln!)

Beispiel Verbraucherschutz, EU-Verordnung für Rückstandshöchstwerte in Lebensmitteln: Die Landesregierung schreibt dazu, durch die bestehenden Verordnungen seien „gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen im Binnenmarkt hergestellt“. Ich füge hinzu: Es ist bis heute nicht zu Ihnen durchgedrungen, dass das schon seit 2005 so ist. Wir haben heute das Jahr 2007.

Styropor ist Verpackung, aber ist kein Inhalt. Der Inhalt wurde schlicht vergessen. Dabei gäbe es hier eigentlich genügend Themen: Gemeinsame Agrarpolitik, Gemeinsame Marktorganisation, Markterschließung, neue Märkte. All das hätte im Zusammenhang mit dem Thema EU-Ratspräsidentschaft in diesen Antrag gehört.

Das gilt auch für das Thema „Reform des Weinmarkts“. Hierzu möchte ich nur zwei Zahlen nennen: 1,2 Milliarden € gehen in das Weinmarktbudget. Davon entfällt der größte Teil auf die Destillierung überschüssiger Weine. Das ist ein Thema, das förmlich auf der Straße liegt und das bearbeitet werden muss – aber nicht von Frau Merkel. 15 Millionen Wein erzeugende Betriebe gibt es in der EU; auf der anderen Seite sind in den letzten zehn Jahren die Einfuhrmengen an Wein in die EU jährlich um 10 % gestiegen. Hier liegen die Pro

bleme heute sichtbar zutage – aber in Ihrem Antrag findet sich hierzu kein einziger Satz.

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Fordern Sie ein Alkoholverbot? – Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit angezeigt.)

Frau Präsidentin, ich bin gleich fertig. – Meine Damen und Herren, in der letzten Sitzung hat uns der Kollege Dr. Rülke von der FDP/DVP mit hoher Detailversessenheit dafür kritisiert, dass wir einen Antrag abgeschrieben hätten. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Tun Sie das auch.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und Abgeordne- ten der Grünen – Glocke der Präsidentin – Zuruf von der CDU: Er ist schon weg!)

Wem darf ich für die Fraktion GRÜNE das Wort erteilen? – Herr Abg. Dr. Murschel, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Winkler, es ist schade, dass Sie Ihr Manuskript nicht dagelassen haben. Ihre Rede war einfach klasse.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Haben Sie selbst nichts Gescheites drauf?)

Denn wer den vorliegenden Antrag gelesen hat, der hat sich tatsächlich gefragt, was hierzu eigentlich groß gesagt werden soll. Der Hintergrund und die Intention dieses Antrags waren ja eigentlich etwas ganz anderes, als nur zu fragen, wie die Wettbewerbsfähigkeit hergestellt werden kann.

Herr Dr. Bullinger, Sie haben die Antwort ja selbst schon gegeben, als Sie sagten: „Ich bin zutiefst enttäuscht von einem CSU-Bundeslandwirtschaftsminister, von dem ich gehofft hatte, dass er im Rahmen der vor fünf Monaten übernommenen EU-Ratspräsidentschaft bedeutende Dinge umsetzt, die mir, die uns und vielen anderen am Herzen liegen.“

(Beifall des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Zum Beispiel ging es um Bürokratieabbau. Es ist jedoch nichts passiert.

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Sehen Sie!)

Sie haben sich auch die Antwort auf die Frage, warum dies nicht passiert ist, schon selbst gegeben: Es ist nicht passiert, weil es überhaupt keine Punkte zur Harmonisierung gibt. Sie haben in Ihrem Antrag krampfhaft nach Punkten gesucht und dabei festgestellt – ich habe das gerade mitnotiert –, dass beim Agrardiesel ein Unterschied besteht und dass es auch im Gartenbau Beispiele hierfür gibt. Sie haben jedoch komplett weggelassen und verschwiegen, dass in anderen Ländern, z. B. in Finnland oder in Norwegen, wesentlich höhere Auflagen beispielsweise bei der Lagerkapazität für Gülle bestehen als bei uns. Im Grunde haben sich die Anforderungsprofile in den einzelnen Ländern längst harmonisiert und ausgeglichen; von einer Wettbewerbsverzerrung kann heute überhaupt keine Rede mehr sein.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: In welcher Welt leben Sie denn?)

In der realen Welt, die Sie offenbar noch nicht erreicht hat.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Den Ein- druck habe ich aber nicht! Schauen Sie einmal in die Praxis! Gehen Sie einmal hinaus ins Elsass oder an den Oberrhein! Keine Ahnung!)

Noch einige Punkte zur Agrarpolitik: Wir haben eine Gemeinsame Agrarpolitik, und gute Ansätze hierfür sind die Lissabon- und die Göteborg-Strategie, also das Bestreben, die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit und den Umweltschutz in Einklang zu bringen.

Für Baden-Württemberg bedeutet das insbesondere die Umsetzung der EU-Förderprogramme. Ich nenne hier den ESF, den Europäischen Sozialfonds, oder EFRE, die Regionalförderung. Baden-Württemberg hat 143 Millionen € für diese neue Förderperiode zur Verfügung. Das sind 30 % mehr als bisher. Das stellt damit eine Chance dar, die man richtig umsetzen muss.

Die Politik für den ländlichen Raum wird ergänzt durch eine Politik für die Landwirte. Fehler haben wir immer wieder einmal genannt, nämlich in der Beziehung, dass hier permanent auf diese Direktzahlungen – die erste Säule – gesetzt wird. Wir halten diese Direktzahlungen als erste Säule für notwendig, aber nicht in dem jetzigen Umfang. Denn es wird auch in Zukunft keine gesellschaftliche Akzeptanz finden, nur deshalb Geld zu erhalten, weil man Landwirt ist und landwirtschaftliche Flächen hat. Das wird in Zukunft nicht mehr funktionieren.

Im Gegensatz dazu steht als zweite Säule, dass gesellschaftliche Leistungen honoriert werden, Stichwort ELER-Verordnung. Wer etwas für die Gesellschaft tut und dadurch Nachteile erleidet, soll Geld bekommen. Das ist ein wichtiger und richtiger Ansatz. Stichworte dazu sind hier auch schon gefallen: Biomasse, Bioenergie. Landwirte sollen dafür bezahlt und entschädigt werden, wenn sie die hierfür benötigten Rohstoffe umweltgerecht anbauen.

(Beifall bei den Grünen)

Der Antrag der FDP/DVP verfolgt nicht das Ziel, die Landwirtschaft zu stärken, sondern das Ziel, Umweltstandards europaweit herunterzuschrauben.

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Woher wissen Sie denn, was wir verfolgen? So einen Blödsinn habe ich noch nie gehört!)

Sie machen das immer mit dem gleichen simplen Motto: Sie beklagen die Wettbewerbsfähigkeit, sagen, wir in BadenWürttemberg hätten höhere Standards, und deswegen hätten wir keine „Waffengleichheit“, wie Sie es nennen – das ist auch so ein Unwort –, und Sie reden davon, das Umweltrecht 1 : 1 umzusetzen. Sie können aber nichts benennen, woran das hinterher festgemacht werden soll. Mit diesem „Umweltstandards-schraub-herunter-Manöver“ kommen Sie nicht durch. Sie zeigen sich in genau so einem Punkt einmal mehr als Antiumweltpartei.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Friedrich Bullin- ger FDP/DVP: Das haben wir in der Debatte heute Morgen bei euch gesehen!)

Wenn Sie das real betrachten, dann sehen Sie, dass BadenWürttemberg und Deutschland EU-Verordnungen im Regelfall zögernd, mit großer zeitlicher Verzögerung und nur unter Anordnung von Zwangsgeldern umsetzen.

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Sie sind ja die An- tiarbeitsplätzepartei! – Gegenruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Oh! Wer hat denn die meisten Ar- beitsplätze geschaffen? – Gegenruf des Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Wir!)

Ich nenne einmal ein paar Punkte: FFH – Flora-Fauna-Habitat –, Natura 2000 hängt in den Seilen, Nachmeldung Vogelschutzgebiete, Umsetzung Umgebungslärmrichtlinie, IVURichtlinie zum Umweltschutz, Luftreinhaltemaßnahmen. Meine Kollegin Gisela Splett redet nachher dazu. Das alles sind Punkte, zu denen man jemand hintreiben musste, damit sie hier in Baden-Württemberg umgesetzt werden konnten.

Wo Sie aber ganz schnell dabei sind, ist z. B. bei der Agrarministerkonferenz, wenn es darum geht, Pestizidgrenzwerte lascher zu machen oder die Kontrollen auszusetzen. Nun soll es nur noch eine 1-%-Regelung und Kontrollen mit Vorab ankündigung geben. Ich halte das eigentlich für einen Witz.

Wir brauchen eine gemeinsame, harmonisierte Agrarpolitik. Das ist richtig. Wir brauchen keinen Rückschritt in eine spätmittelalterliche Kleinstaaterei. Wir brauchen Europa, und wir finden, dass Europa starke Regionen braucht. Da wollen wir mitmachen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Fried- rich Bullinger FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Hauk.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat neigt sich die deutsche Ratspräsidentschaft langsam dem Ende zu. Der zweite Agrarrat unter deutscher Präsidentschaft hat in diesem halben Jahr bereits stattgefunden. Aber ich glaube, wenn man Bilanz zieht, muss man sagen, dass wir zumindest das erreicht haben, was erreichbar war. Wenn man weiß, dass die Mühlen der Europäischen Union relativ langsam, aber doch kontinuierlich mahlen, dann kann man mit dem Erreichten eigentlich auch ganz zufrieden sein.

Wir sind, glaube ich, ein Stück weit vorangekommen beim Thema Entbürokratisierung.

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Sehr gut!)

Das war auch ein zentrales Anliegen, Herr Kollege Dr. Bullinger, der FDP/DVP. Ich vermute, das war ein Anliegen aller Fraktionen, vielleicht mit Einschränkung der Grünen, wenn ich die letzte Wortmeldung von Ihnen, Herr Dr. Murschel, richtig verstehe.

(Beifall des Abg. Michael Theurer FDP/DVP – Zu- ruf des Abg. Thomas Knapp SPD)

Da ging es schon um die Frage einer Umsetzung im Verhältnis 1 : 1. Das widerspricht sich etwas: Immer wenn wir EURegeln in Deutschland und in Baden-Württemberg 1 : 1 umsetzen wollen, dann rufen Sie nach mehr Staat und nach verstärkten und strengeren Regeln.