Protokoll der Sitzung vom 24.05.2007

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das ist doch pole- misch! Wir verdienen an der Haft, das stimmt!)

Sie haben wortwörtlich ausgeführt, Sie wollten sogar Kosten bei dieser Pflichtaufgabe des Staates sparen, und haben das sogar in der Einzelbegründung darlegt, indem Sie formuliert haben, der Entwurf

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Ist das schlimm?)

Moment, jetzt kommt es zu den Auswirkungen – arbeite deswegen mit Soll- und Ermessensvorschriften, damit der Justizhaushalt nicht überfordert werde. Dazu muss ich Ihnen sagen: Warum befassen wir uns denn damit? Weil wir Vorfälle wie den in Siegburg verhindern wollen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wir reden doch von Baden-Württemberg!)

In Siegburg wurde im Jugendstrafvollzug ein Zwanzigjähriger von drei Strafgefangenen zwölf Stunden lang gequält, sexuell missbraucht und anschließend zum Selbstmord gezwungen.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Wenn man das mit Kosteneinsparungen verhindern will, dann geht das eben daneben. Mit Verlaub, dann geht das daneben.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wenn Sie mir ein Beispiel aus Baden-Württemberg nennen, gebe ich Ihnen recht! Unglaublich! – Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Ich gehe stichwortartig noch auf einzelne Punkte ein:

Erstens: Einzelunterbringung zur Nacht. Sie haben das so dargestellt, als ob es nicht so bedeutungsvoll wäre. Ich muss Ihnen sagen, wenn wir das in dieser Form ins Gesetz hineinschreiben würden, wären in Baden-Württemberg Vorfälle wie in Siegburg nicht möglich.

Wir erlauben uns, trotz der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts keine Zahlen zur Personalausstattung ins Gesetz zu schreiben. Ich sage Ihnen, in Nordrhein-Westfalen sind als

Konsequenz der Vorfälle in Siegburg 300 neue Leute eingestellt worden.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Schaumschläger!)

300 Leute auf einen Schlag, obwohl die damals schon einen besseren Personalschlüssel hatten als wir heute!

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Sehen Sie! Es hat nichts gebracht! Nichts gebracht!)

Trotzdem haben sie nach Siegburg 300 neue Leute eingestellt. Wir werden ja sehen, was wir hier noch für Konsequenzen haben.

Der nächste Punkt ist tatsächlich bedenklich. In § 11 Abs. 3 Ihres vorgelegten Entwurfs, Herr Minister, schreiben Sie:

Mit der Erziehung junger Gefangener soll nur betraut werden,

da wird es dann konkret; nicht „darf nur betraut werden“, sondern „soll nur betraut werden“ –

wer für die Erziehungsaufgabe des Jugendstrafvollzuges geeignet und ausgebildet ist.

Das ist ja der Wahnsinn! Das ist ein Zurückgehen zu Vorschriften, bei denen wir gedacht haben, wir hätten sie schon längst überwunden.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Griffelspitzer!)

Das kann nicht sein. Das muss geändert werden. Denn wer im Jugendstrafvollzug arbeitet, der soll nicht nur geeignet sein, der m u s s geeignet und ausgebildet sein. Das ist auch die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, um die es sich dreht.

Als nächsten Punkt nenne ich die Mitwirkungspflicht in § 23 des Jugendstrafvollzugsgesetzes. Das ist auch eine ganz heik le Geschichte. In der Fachliteratur ist man beim bisherigen Mitwirkungsrecht davon ausgegangen, dass Gefangene, wenn sie in diese Situation kommen, das Recht haben, sich an ihrer eigenen Resozialisierung zu beteiligen. Pädagogisch gesehen ist das auch der bessere Ansatz. Wenn man aber daraus eine Mitwirkungspflicht konstruiert, hat man ein zusätzliches Sanktionsmittel und die Möglichkeit, Leute aus kostenpflichtigen Maßnahmen herauszunehmen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wenn der Psycholo- ge kommt, muss der doch da sein! Mitwirkungs- pflicht gibt es doch überall!)

In der Fachwelt wird gesagt, dass die Mitwirkungspflicht als Billigmacher dieses Jugendstrafvollzugsgesetzes benutzt wird. Das hat das Bundesverfassungsgericht nicht gemeint.

Als nächstes Stichwort ist zu nennen: Ein Rauchverbot ist dort installiert worden. Ein Rauchverbot! Noch heute sagt die CDU: „An Schulen wollen wir kein flächendeckendes Rauchverbot“, aber für den Vollzug soll es dann plötzlich ins Gesetz hineingeschrieben werden. Also ein reines Absurdistan.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Karl Zim- mermann CDU: So ein Quatsch!)

Rauchen gehört, wenn es schon verboten wird, dort verboten, wo die Leute süchtig werden und nicht dort, wo schon 100 % derjenigen, die inhaftiert sind, hochgradig nikotinabhängig sind.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wo steht das?)

Dort sollten nicht als zusätzliche Sanktion auch noch die Zigaretten entfernt werden.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Sakellariou, voll da- neben!)

Zum Schluss – in fünf Minuten dieses Gesetz durchzuhecheln, ist nicht einfach – zitiere ich § 22 Abs. 2 wortwörtlich, um es sich auf der Zunge zergehen zu lassen:

Die jungen Gefangenen sind in der Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christlichen Nächstenliebe,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Nicht so lächerlich darstellen!)

zur Brüderlichkeit aller Menschen und zur Friedenslie be, in der Liebe zu Volk und Heimat, zu sittlicher und po litischer Verantwortlichkeit, zu beruflicher und sozialer Bewährung und zu freiheitlicher demokratischer Gesin nung zu erziehen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Sie machen sich über die Landesverfassung lustig!)

Gute Vorsätze, aber an wen sind sie denn gerichtet?

(Abg. Karl Zimmermann CDU: An alle!)

Sie sind gerichtet an einen Personenkreis, Herr Zimmermann, von dem ich schon froh wäre, wenn er nach dem Vollzug keine Straftaten mehr begehen würde.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wir geben keinen auf! Das ist der Unterschied!)

Meine Güte, was soll denn aus diesen Leuten nach Ihrer Ideo logie noch werden? Eine Vorschrift, die wir nicht einmal im Kindergartengesetz haben, nehmen wir zum Maßstab, um ehemalige Straftäter zu erziehen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das haben wir für al- le! Das steht in der Landesverfassung!)

Wer so etwas für möglich hält, der glaubt auch, dass man aus einem Marinerichter einen Widerstandskämpfer machen kann.

(Zuruf von der CDU: Oh!)

Aber dazu ist dieses Jugendstrafvollzugsgesetz beim besten Willen nicht geeignet gewesen und wird es auch nicht sein.

(Beifall bei der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Konsequente Haftverbüßung in der Heimat! – Gegen- ruf des Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Die Türkei in die EU, dann machen wir das!)

Für die Fraktion GRÜNE erteilte ich Herrn Abg. Oelmayer das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielleicht vorweg eine Vorbemerkung.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Vorbemerkungen sind immer vorweg!)