Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich meine, da muss man einfach rechnen können. Sie haben es angedeutet: Dadurch, dass wir in den Grundschulen und in den Hauptschulen so viele einzügige Klassen haben, korreliert der Rückgang der Schülerzahlen nicht mit dem Rückgang der Zahl der Schülerklassen, und das führt automatisch zu dieser Verschlechterung.
Ich möchte in der ersten Runde aber auch noch kurz die Realschulen, die Gymnasien und die beruflichen Schulen ansprechen.
An der Realschule haben wir seit Jahren steigende Schülerzahlen. Da haben wir die größten Klassen. Die Realschule ist aber die Schulart für die Bildungsaufsteiger. Bei den neuen Zahlen der Sitzenbleiber ist es entsetzlich, dass in der neunten Klasse der Realschule 10 % der Jungen sitzen bleiben. Das beweisen die neuen Zahlen des Statistischen Landesamts. Das heißt, Sie haben dort die größten Klassen und die geringste Förderung; es gibt dort keine Stütz- und Förderkurse. Das Problem ist, dass gerade die Bildungsaufsteiger dort nicht die notwendige Förderung bekommen. Das ist auch nicht vereinbar mit einer gerechten Unterrichtsversorgung und mit Bildungsgerechtigkeit in Baden-Württemberg.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wurde umgeschichtet ins Gymnasium, zum Teil an die beruflichen Schulen. Aber auch dort wird die Situation nicht verbessert.
Ich sage einfach hier am Ende der ersten Runde: Wir brauchen mehr Lehrerinnen und Lehrer. Wir dürfen gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer nicht in die Arbeitslosigkeit entlassen oder in andere Bundesländer abwandern lassen. Denn das geschieht auch, wie mir die Eltern von jungen Lehrerinnen und Lehrern schreiben. Sie werden hier teuer ausgebildet, werden aber in anderen Bundesländern beschäftigt. Das dürfen wir nicht zulassen.
Ich möchte abschließend in Anlehnung an die Debatte von heute Morgen noch einmal betonen: Sie haben diese Anzeige in den Zeitungen gesehen. Ich möchte Ihnen die Überschrift vorlesen:
Die Zukunft unserer Kinder liegt nicht unter dem Stuttgarter Hauptbahnhof, sondern in den Klassenzimmern unserer Schulen.
Das ist die Bildungspolitik, aber nicht die Vorfinanzierung von Aufgaben, die die Deutsche Bahn leisten muss.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gilt, bei dieser Debatte zwischen dem tatsächlichen Unterrichtsausfall im Schuljahr 2006/07, das nun fast hinter uns liegt, und dem vermuteten Unterrichtsausfall im kommenden Schuljahr zu unterscheiden.
Ich darf Ihnen jetzt einmal die Zahlen aus der Übersicht zur Lehrereinstellung im Jahr 2007 nennen. Es sind gerundete Zahlen, Stand 26. Juni 2007, also einen Monat alt. Grund- und Hauptschulen: 530, Sonderschulen: 190, Realschulen: 380, Fachlehrer für musisch-technische Fächer: 140, Fachlehrer/ Technische Lehrer an Sonderschulen: 80, Gymnasien: 1 250,
berufliche Schulen: wissenschaftliche Lehrer: 700, Technische Lehrer: 100. In der Summe macht das 3 370. Das sind ganz schlicht und ergreifend die Fakten.
Es ist richtig: Im Schuljahr 2006/07 hatten wir eine sehr gute Lehrerversorgung. Die Abdeckung des Pflichtbereichs und der Ergänzungsbereich bei Grund- und Hauptschulen waren sehr gut. Es gab ein Plus von 2,5 Poolstunden je Klasse, bei Realschulen etwas weniger – zwei Poolstunden – und noch etwas knapper beim Gymnasium mit nur einer Poolstunde.
Es gab Maßnahmen gegen Unterrichtsausfall bzw. den Ausfall von Lehrkräften aufgrund von längerer Krankheit, Schwan gerschaft usw. Hierfür gab es Mittel im Umfang von jährlich 14 Millionen €, die noch um bis zu 3 Millionen € aufgestockt werden können, plus 18,5 Millionen € zur befristeten Einstellung von Lehrkräften.
Außerdem existiert eine Vertretungsreserve mit 1 250 Stellen. Sie werden zu Schuljahresbeginn Stammschulen zugewiesen, von denen sie im Bedarfsfall abgerufen werden können. Das wird dort dann als Mangel wahrgenommen. Der Umfang der Vertretungsreserve hat sozusagen eine natürliche Grenze, denn die betreffenden fest eingestellten Lehrkräfte müssen auch dann im Unterricht eingesetzt werden, wenn sie keine Krankheitsvertretung machen. Man kann sie ja nicht zu Hause sitzen und warten lassen, bis sich eine Krankheitsvertretung ergibt.
Von einem dramatischen tatsächlichen Unterrichtsausfall im ablaufenden Schuljahr 2006/07 kann in der landesweiten Betrachtung nicht gesprochen werden.
In der einzelnen Schule kann es trotzdem anders aussehen, Herr Zeller. Das gebe ich gern zu. Wahrgenommen wird das insbesondere bei den sogenannten Mangelfächern, bei denen bisweilen in der Tat auch keine Vertretung gefunden werden kann.
Wir sollten es uns nicht antun, über einen vermuteten oder prognostizierten Unterrichtsausfall im kommenden Schuljahr 2007/08 zu debattieren, obgleich wir ihn nicht kennen. Die Situation der Lehrereinstellung hat hiermit grundsätzlich nichts zu tun und sollte damit nicht – auch nicht indirekt und unterschwellig – in Verbindung gebracht werden.
Von Herrn Zeller wurde vorhin angesprochen, dass soundso viele Leute auf der Straße stünden. Meine Damen und Herren, vom kirchlichen Bereich kenne ich das in gleicher Weise. Sollen wir sie alle einstellen und bezahlen?
(Abg. Margot Queitsch SPD: Wir brauchen sie aber doch! – Abg. Norbert Zeller SPD: Hören Sie doch einmal auf die Schulleiter!)
Wo brauchen wir sie denn? Der Klassenteiler in der Hauptschule, liebe Frau Kollegin, liegt nach wie vor bei 33. Doch über 50 % der Hauptschulklassen haben 20 oder weniger Schüler.
Ich vertrete selbstverständlich die Meinung, dass pädagogisches Potenzial, das dadurch frei wird, dass die Klassen klei
ner werden, in der Hauptschule verbleiben sollte, um z. B. in den Städten, wo die Klassen tatsächlich noch relativ groß sind, Klassen halbieren oder die pädagogischen Kräfte in den Ganztagsbetrieb stecken zu können, wobei ich sogar für einen gebundenen Ganztagsbetrieb bin,
was die Hauptschulen betrifft. Deshalb bin ich der Meinung, dass bei den Hauptschulen nicht gekürzt werden darf. Aber wir kürzen ja nicht.
Nein, wir kürzen nicht! Wo kürzen wir denn, Frau Rastätter? Jetzt behaupten Sie doch nicht irgendwelche Dinge, die nicht stimmen. Wir kürzen nicht. Wir stellen nur nicht zusätzlich ein, aber wir kürzen nicht.
(Abg. Norbert Zeller SPD: Wenn Sie Stellen nicht mehr besetzen, ist es im Ergebnis das Gleiche! Die Lehrkräfte fehlen an den Schulen!)
Da haben Sie völlig recht, Herr Zeller. Aber ich habe ja gerade vorgelesen, was wir alles gemacht haben und was wir auch in Zukunft tun werden. Wir besetzen die Stellen.
Zur Lehrerversorgung habe ich ja schon einiges gesagt, meine Damen und Herren. Das derzeitige Einstellungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Auch das ist ganz wesentlich zu sagen. Das weiß jeder Schulleiter.
Seit elf Jahren sitze ich im Parlament, und seit elf Jahren sitze ich im Schulausschuss. Man weiß doch, dass im Juli die erste Tranche und im August die zweite Tranche läuft. Mein Schulleiter am Gymnasium in Sulz, an dem ich zwei Jahre lang unterrichtet habe, sagte mir: „Mir fehlen noch 60 oder 64 Stunden.“ Drei Wochen später sagte er mir: „Im Moment fehlen mir bloß noch sechs Stunden.“ Es weiß doch jeder, dass das nicht im Juli abgeschlossen ist, sondern dass die zweite Tranche im August läuft. Darum brauchen Sie nicht jetzt im Juli zu versuchen, diese ganzen Dinge hochzuspielen.
Meine Damen und Herren, die Situation an unseren Schulen ist nicht schlecht, im Gegenteil. Auch PISA belegt dies eindeutig ohne Wenn und Aber. Von daher plädiere ich dafür, dass wir ohne Hysterie versuchen, die nächste Tranche der Lehrer einstellung abzuwarten.
Noch ein letztes Wort – Herr Präsident, wenn Sie mir das gestatten – zum dreigliedrigen Schulsystem.
Nein, bitte, Herr Kaufmann! – Diskutieren Sie dann aber bitte auch, nachdem wir vom G 9 zum G 8 gegangen sind, ob wir in Zukunft nur noch sechs Jahre Gymnasium machen und vier Jahre Realschule. Wir waren immer der Meinung, dass die Erstausbildungszeit reduziert werden muss, da die Halbwertsqualität der Erstausbildung sinkt und die Fort- und Weiterbildung in Zukunft wichtiger sind. Darum haben wir das Gymnasium auf acht Jahre reduziert. Das müssen Sie auch dazusagen und nicht nur, dass wir sechs Jahre gemeinsame Grundschule machen, und wie es dann weitergeht, das interessiert Sie nicht.