Ich erwarte von Ihnen, dass Sie hierher stehen und sagen: „Unsere Personalentwicklung ist gescheitert. Die Aussichten,
die wir den jungen Leuten vor fünf Jahren und noch vor einem halben Jahr gegeben haben, waren nicht richtig.“ Das wäre doch der Anstand und die Aufrichtigkeit, die ich hier erwarten kann, und kein Verschanzen hinter irgendwelchen Statis tiken, die an der realen Situation vor Ort für die Betroffenen überhaupt nichts ändern.
Bei Ihrem Verweis auf statistische Zahlen ignorieren Sie auch anderswo das Gefühl und die Realität, wie sie vor Ort ist. Ihnen springen doch Ihre eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Boot, wie der Brief der 100 Rektoren aus Oberschwaben zeigt. Ihnen springen die Eltern aus dem Boot: Es gibt eine Initiative „Pro kleine Klassen“ aus Neuhausen, die innerhalb von wenigen Wochen 50 000 Unterschriften für dieses Ziel gesammelt hat. Ihnen springen die Schülerinnen und Schüler aus dem Boot: Wir haben gestern hier in Stuttgart eine Demonstration von der Friedensschule in Ludwigsburg gehabt.
Erklären Sie doch einmal, warum die Schulleiter und das dortige Schulamt den Elternbeiratsvorsitzenden sagen: Durch den Wegfall von 14 Lehrerstunden werden im nächsten Jahr die Stunden zur Lese- und Rechtschreibförderung gestrichen, der Ergänzungsbereich wird auf null gesetzt, und für die Betreuung der Kinder, die nicht den katholischen oder evangelischen Religionsunterricht besuchen, gibt es keine Betreuung.
Auch die verlässliche Grundschule wird weiter abgebaut. Wenn das, was Ihre Schulleiterinnen und Schulleiter von Ihnen wissen, alles so verlässlich ist, warum kommt es dann dazu, dass Schülerinnen und Schüler mit ihren Eltern auf die Straße gehen? Übrigens hat das das Ergebnis, dass sie jetzt eine Anzeige am Hals haben, weil sie sich nämlich ein paar Meter aus der Längsachse der Königstraße in Richtung Kultusministerium bewegt haben. Das ist nicht der Umgang, den man vor Ort herstellen muss und den man sicherstellen muss, um hier für ein Verständnis für die Politik zu sorgen.
Dann springen Ihnen die Schulträger aus dem Boot. Letztmals habe ich hier aus einem Brief des Oberbürgermeisters von Donaueschingen zitiert. Jetzt springt Ihnen auch noch die Justiz aus dem Boot, die Ihnen beim „Französischzwang“ ein deutliches Signal setzt.
Irgendwann müssen Sie doch einmal erkennen, dass Sie sich mit den Realitäten auseinanderzusetzen haben und dass Sie sich – und jetzt zitiere ich einen Ihrer „großen“ Vorsitzenden – daran messen lassen müssen, was am Ende herauskommt: Es geht nicht um irgendwelche Statistiken und andere theoretische Detailpunkte. Letztlich zählt, was am Ende herauskommt.
Jetzt kann man sich natürlich Gedanken machen: Wie kommt es, dass Sie alle diese Rückmeldungen aus dem Land ignorieren, dass Sie alle diese Rückmeldungen mit einem von der Presse zum Teil schon bewunderten Stoismus in den entsprechenden Interviews und Sitzungen aussitzen? Ich habe mir überlegt, welches Vorbild in der Literatur geeignet sein könnte, um Ihnen verständlich zu machen, warum es unnachvollzieh
bar ist, dass man nicht zu den Dingen stehen kann, dass man, Herr Schebesta, anderthalb Jahre alte Zitate bemühen muss, um zu erklären, warum man heute etwas nicht macht, und warum man sich nicht flexibel auf veränderte Situationen einstellen kann. Da bin ich auf Asterix und Obelix gekommen.
So, wie Sie sich im Moment verhalten, kommt es mir manchmal vor wie eine Mischung aus Asterix und Obelix: Sie bauen ein gallisches Dorf um sich herum auf und fühlen sich dadurch ein Stück weit als der letzte Verteidiger bestimmter hehrer Ziele. Aber dieses Gefühl hakt an zwei Stellen. Da ist es nicht das Problem, dass Sie nicht die Größe eines Obelix und die Schnelligkeit eines Asterix haben und auch noch keinen disziplinarischen Zaubertrank gefunden haben, sondern das Problem ist, Herr Minister, dass es nicht die Römer da draußen sind, die spinnen, sondern die Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowie die Eltern in Baden-Württemberg, für die Sie eigentlich verantwortlich sind und für die und nicht gegen die Sie Politik machen sollen.
Damit komme ich zur abschließenden Aufforderung: Verlassen Sie Ihr gallisches Dorf; schwenken Sie endlich wieder auf den Weg der Realität und damit der politischen Vernunft ein – für Baden-Württemberg und für die Bildungspolitik –, und kehren Sie zu den Tugenden zurück, die die Eltern von Ihnen erwarten: Innovationsfähigkeit, Verlässlichkeit und Aufrichtigkeit.
(Beifall bei der SPD und der Abg. Renate Rastätter GRÜNE – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Idefix, nehmen Sie Platz!)
nicht ganz redlich, wenn Sie hier vorn hinstehen und uns vorwerfen, wir würden Realitäten nicht zur Kenntnis nehmen, aber selbst Statistiken auslegen und dabei nur Ihre Auslegung für die einzig seligmachende erklären.
Man kann sich immer darüber streiten, ob es richtig ist, sich auf der Grundlage von Statistiken über ein solches Thema auseinanderzusetzen. Aber Sie können nicht hierher stehen und sagen: „Durchschnittliche Klassengröße“ in der Hauptschule heißt ja nur, dass es auf der einen Seite große und auf der anderen Seite kleine Klassen gibt.
Genauso, wie das richtig ist, ist es aber auch richtig, dass es in den anderen Bundesländern – wo sich der Durchschnitt der Klassengröße im Übrigen auch aus großen und kleinen Klas
sen ergibt – eine schlechtere Schüler-Lehrer-Relation gibt – der Minister hat es dargestellt – und dass dort das Problem der sehr unterschiedlichen Klassengrößen stärker ins Gewicht fällt, weil dort der Durchschnitt schlechter ist als bei uns in Baden-Württemberg. Das gehört halt zur Realität dazu, und da können Sie nicht die eine mathematische Berechnung hier darstellen, ohne gleichzeitig auch alle anderen Seiten der Rea lität zur Kenntnis zu nehmen.
Herr Schebesta, würden Sie mir erklären, weshalb der Arbeitskreis Bildung der CDU-Fraktion es abgelehnt hat, die Klassengröße, den Klassenteiler der Hauptschulen zu senken, obwohl der Kultusminister dies vorhatte.
Sie haben vielleicht mitbekommen, dass im April eine Aussage ergangen ist, dass wir aus den Steuermehreinnahmen Finanzmittel in die Hauptschule lenken wollen.
Ich bin auch noch nicht fertig; ich habe noch etwas Zeit. – Dass man sich dann überlegt, was man tut, ist ein ganz normaler Vorgang. Vielleicht überlegen Sie nicht so lange wie wir. Wir lassen uns aber schon gut Zeit und überlegen uns, was richtig ist.
Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir mit dem Pädagogischen Assistenten – das konnten Sie jetzt auch nachlesen – ein Instrumentarium haben – es ist auch hier in der Debatte zu diesem Thema deutlich geworden, dass sowohl die CDU-Landtagsfraktion als auch das Ministerium dies begrüßen –, mit dem wir den Hauptschulen mit dem Finanzeinsatz gut helfen können. Diese Entscheidung haben wir, Parlamentarier und Ministerium gemeinsam, erarbeitet. Dieser Prozess ist in den letzten Wochen abgelaufen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Zum Zweiten, Herr Kollege Mentrup: Sie stellen sich hier vorne hin und sagen, man solle eine bessere Planung machen. Eigentlich diskutieren Sie ja über die Unterrichtsversorgung. Sie haben gesagt, im letzten Jahr seien fast alle Bewerber genommen worden und man hätte das doch etwas anders machen sollen – so habe ich Sie zumindest verstanden. Das kann doch nur heißen: Hätten wir im letzten Schuljahr ein paar weniger eingestellt, dann hätten wir in diesem Schuljahr ein paar mehr einstellen können. Wenn Sie eine Debatte über die Unterrichtsversorgung im noch laufenden Schuljahr beantragen, kann das doch nicht die Conclusio sein. Wir haben die Aussage gemacht, in den Jahren 2001 bis 2006 5 500 neue Stel
len zu schaffen. Wir haben in einem Diskussionsprozess in der Politik – nicht nur in unserer Fraktion – die Entscheidung getroffen, in dieser Legislaturperiode den Ansatz zu verfolgen, keine neuen Stellen zu schaffen, das Geld aber in den bildungspolitischen Maßnahmen zu belassen. Daraus ist die Situation entstanden, dass von 8 000 Bewerbern 3 500 eingestellt wurden.
Sie werden mir jetzt nachsehen, wenn ich für mich und für unsere Fraktion feststelle, dass ich Ihnen nicht abnehme, dass Sie glauben, Sie hätten allen 8 000 eine Einstellung garantiert, wenn Sie in der Regierung wären.
Deshalb haben wir diese Situation. Es gibt kein anderes Land, das angesichts der Daten, die der Minister auch dargestellt hat, in den letzten Jahren einen solchen Kraftakt unternommen hat. Wir diskutieren deshalb auf einem sehr hohen Niveau. In anderen Ländern würde man sich die Finger danach lecken, eine Situation wie bei uns zu haben.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Schebesta, Sie haben dasselbe gemacht wie eben Kultusminister Rau. Statt ein Stück weit Ehrlichkeit zu schaffen, sind erneut Nebelkerzen geworfen worden. Sie haben den Versuch unternommen, in einer beispiellosen Art von Vernebelungstaktik die Realität zuzudecken.
(Abg. Volker Schebesta CDU: Es ist die Realität dar- gestellt worden, wie Sie es auch für sich in Anspruch nehmen! – Weitere Zurufe – Unruhe)
(Abg. Volker Schebesta CDU: Das ist doch nicht zugedeckt! Das gehört doch auch zur Realität da- zu!)
Eben wurde zu Recht die Frage gestellt, ob wir in der Lage wären, jetzt zusätzlich 8 000 Lehrer und Lehrerinnen einzustellen.
(Abg. Volker Schebesta CDU: Jetzt kommen Sie aber nicht mit Ihrem Vorschlag, das auf Pump zu ma- chen!)