Protokoll der Sitzung vom 25.07.2007

Zum Schluss möchte ich noch ein Zeugnis vorzeigen, das die Eltern der Friedrich-List-Realschule in Mössingen im Kreis Tübingen den politisch Verantwortlichen am Ende dieses Schuljahrs übergeben haben. Die Eltern geben ihnen in diesem Zeugnis die Note „Ungenügend“ und begründen diese Note wie folgt:

Die Kosten-Nutzen-Rechnung wurde zu wenig geübt; so werden immer nur die kurzfristigen Lehrerkosten gerechnet, nicht aber der langfristige Nutzen guter Bildung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diesem Urteil der Eltern ist nichts hinzuzufügen. Handeln Sie endlich!

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort für die FDP/ DVP-Fraktion erhält Herr Abg. Kleinmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nebelkerzen, verehrte Frau Kollegin, gibt es hier keine, sondern allenfalls, was Baden-Württemberg betrifft, Wunderkerzen. Diese brennen wunderschön.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist aber ein Leucht- feuer!)

Wir haben im Schuljahr 2007/08 einen Schülerrückgang bei den Grundschulen von 12 000, bei den Hauptschulen von 10 500, bei den Realschulen von 300, einen Zugang bei den Sonderschulen von 100 und bei den Gymnasien von 3 600. Das macht unter dem Strich ein Minus der Schülerzahlen von 19 100.

Jetzt wollen Sie sagen: Wenn dies so ist – das bestreiten Sie ja wohl nicht; das können Sie auch nicht bestreiten, weil das ja statistisch festgestellt ist –, dann sollte man die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer in allen Bereichen so belassen, wie sie ist. Das kann ich nicht ganz nachvollziehen.

Sie bemängeln hier den Klassenteiler. Ich darf Ihnen sagen: Bei den Grundschulen haben 16 197 Klassen – das entspricht mehr als 80 % aller 20 063 Grundschulklassen – 25 und weniger Schüler je Klasse. Bei den Hauptschulen haben 7 649 Klassen oder über 86 % aller 8 800 Klassen 25 und weniger Schüler je Klasse. Was soll das Gemäkel über den Klassenteiler, das sei eine Katastrophe und da würden zu viele in einer Klasse unterrichtet? Wir können uns gern darüber streiten, ob 33, ob 25, ob 20 oder ob 16 der richtige Klassenteiler ist. Ich greife die Zahl 16 deshalb heraus, weil man bei 16 Schülern dazu übergeht, die Klassen jahrgangsübergreifend zu unterrichten. Man kann auch die Zahl 15 nehmen. Man kann dar über streiten, welche Zahl die richtige ist, aber Sie können sich hier nicht hinstellen und sagen: Der Klassenteiler ist viel zu hoch. In 86 % aller Hauptschulklassen gibt es inzwischen höchstens 25 Schüler. Das ist die Realität, Herr Zeller, und die Realität sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Dann hätten Sie die ande- ren doch reduzieren können!)

Das ist baden-württembergische Bildungspolitik. Bei uns wird auch die Hauptschule entsprechend berücksichtigt.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Thomas Blenke CDU)

Meine Damen und Herren, wenn hier behauptet wird – wir diskutieren hier ja über bessere Bildung –, man habe die Damen und Herren Studierenden dazu animiert, für das Realschullehramt, das Gymnasiallehramt bzw. für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen ihr Studium aufzunehmen, und würde sie jetzt nicht übernehmen, dann frage ich Sie: Wollen Sie die Planwirtschaft einführen, dass wir denen quasi, wenn sie anfangen – –

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist ein Schwachsinn hoch 30!)

Ja, das ist Schwachsinn hoch 30. Wollen Sie denn tatsächlich

(Zurufe der Abg. Claus Schmiedel und Reinhold Gall SPD)

hier einen Vertrag anbieten: „Wer das mit Erfolg studiert und ein Examen macht, meinetwegen mit der Note 2,0 und besser, der wird nachher auf alle Fälle eingestellt“? In einer solchen Gesellschaft leben wir nicht.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Nicht einmal mit 1,0 werden sie eingestellt!)

Frau Rastätter, es gab Leute,

(Zuruf von der FDP/DVP: Juristen!)

die vor drei Jahren das Studium für das Lehramt an Grundschulen mit beiden Examina abgeschlossen hatten und bei über 4 200 Anwärterinnen und Anwärtern auf Platz 2 800 standen. Das Kultusministerium hat mir damals, als ich angerufen habe, gesagt: „Gar keine Chance; sagen Sie der jungen Frau, sie soll etwas anderes machen.“ Heute ist sie bereits Lehrerin – mit einem Examen schlechter als 2,0.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Weiß denn Herr Rau überhaupt, was er sagt, wenn er solche Auskünfte gibt?)

Das hing damit zusammen, dass die Kultusbehörde gemeint hatte: Alle Anwärterinnen und Anwärter warten ja nur, bis ein Anruf vom Schul- bzw. Oberschulamt kommt. Die sind doch aber nicht zu Hause gesessen, wenn sie mit ihren Examina fertig waren und keine Anstellung bekommen haben, sondern sie haben sich selbstverständlich eine Arbeit gesucht.

Meine Damen und Herren, noch ein letzter Punkt: PISA sagt klar und eindeutig: Fördern und Fordern.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Es brennt im ganzen Land, und Sie erzählen nur Märchen!)

Jetzt ist die Frage: Wie fördert und fordert man am besten? Manche in diesem Hause meinen, mit einem Einheitsbrei alle Schülerinnen und Schüler zehn Jahre gemeinsam unterrichten, so klappe das Fördern und Fordern am besten.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Das ist erwiesen!)

Ich bezweifle dies. Es gibt auch keine wissenschaftliche Aussage dazu, dass dies richtig wäre.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Doch, da gibt es viele!)

Nein, die gibt es nicht, Frau Rastätter. Legen Sie diese Studien erst einmal vor. Ich habe sie noch nicht gesehen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Wir waren doch zusammen in Finnland!)

Man kann von mir aus auch fordern und fördern, wenn man alle zusammen nimmt. Aber es gelingt besser – – Ja, wir waren schon in Finnland. In Finnland sind 16 Schüler in einer Klasse. Sie machen Frontalunterricht, und sie nehmen die Erst- und Zweitklässler gleich aus der Klasse heraus, wenn sie schwach sind, und unterrichten sie gesondert, sodass sie dann in der Klassenstufe 3 wieder mit den anderen mitkommen. Ich bin für alles zu haben. Aber die Schüler werden nicht dadurch, dass sie längere gemeinsame Lernzeit haben, besser.

Vor allem gibt es in Finnland 20 % Jugendarbeitslosigkeit. 52 % schaffen die Prüfung fürs Gymnasium. Was machen die anderen 48 %? 48 % sind nicht gerade wenig. Ich bin der Letzte, der sagen würde: Nach denen, die schwach sind und die das Gymnasium nicht schaffen, schauen wir gar nicht. Im Gegenteil: Die FDP/DVP ist eine sozial sehr verpflichtete Partei.

(Lebhafter Beifall bei der FDP/DVP – Zurufe von der FDP/DVP: Bravo! – Zuruf der Abg. Katrin Altpeter SPD)

Im Klartext: Solange der Nachweis nicht erbracht ist, dass Fordern und Fördern im Einheitssystem besser funktioniert als in einem gegliederten System, sind wir nicht der Meinung, dass wir das gegliederte System aufgeben sollten. Es geht vor allem darum, dass man sich um den Einzelnen kümmert und dass man die Schüler und Schülerinnen dort abholt, wo sie stehen. Man muss sich bemühen, sie durch eine erfolgreiche Schulzeit zu führen, indem man sie individuell fördert.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Ja, genau darum geht es!)

Solange der Nachweis nicht erbracht ist, läuft aus unserer Sicht nichts anderes.

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Was wollen Sie jetzt da- mit sagen? – Abg. Marianne Wonnay SPD: Was ist die Botschaft?)

Ich sehe auch gar nicht, worin der große Vorteil liegen soll, wenn man die Grundschulzeit von vier Jahren auf sechs Jahre ausdehnt. Frau Rastätter, Sie sind Realschullehrerin gewesen. In vier Jahren Realschule kann man doch keine zwei Sprachen lernen. Das bringt pädagogisch doch überhaupt nichts.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Das ist die Rede für morgen!)

Deshalb halten wir nach wie vor am dreigliedrigen Schulsys tem fest.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Jetzt hat sich Herr Minister Rau zu Wort gemeldet.

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Ach komm! – Abg. Rein- hold Gall SPD: Er erklärt jetzt seinen Rücktritt!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! So einfach kann man es sich machen: Wenn Fakten vorgetragen werden, dann werden sie mit dem Begriff „Statistik“ irgendwie diffamiert,

(Abg. Ute Vogt SPD: Ja!)

und schon versucht man, die Fakten wegzudrücken. Wir orientieren unsere Politik an Fakten. Wir schaffen Fakten. Der entscheidende Fakt für das nächste Schuljahr ist, dass wir die Unterrichtsversorgung nicht nur zum Schuljahrsanfang sichern, sondern Kontinuität über das gesamte Schuljahr hinweg garantieren. Ich bin dem Finanzminister sehr dankbar, dass wir das gemeinsam auf den Weg bringen konnten.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Außerdem entziehen wir dem Unterricht nichts,

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Doch!)