Protokoll der Sitzung vom 26.07.2007

he von Maßnahmen eingeleitet. Ich nenne beispielsweise die Umwidmung von 85 Millionen € aus dem Landeserziehungsgeld für die frühkindliche Bildung.

Aber auch das Thema Zuwanderung und dabei insbesondere die Zuwanderung von hoch Qualifizierten wird in der Zukunft ein zentrales Thema sein. Auch hier müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden. Ich verweise auf die Verbesserungsvorschläge des Bundesrats zum Gesetzentwurf der Bundesregierung.

Zu nennen ist auch die Lockerung des sogenannten Vorrangprinzips, wonach Ausländern nur dann Zugang gewährt wird, wenn nachweislich kein Deutscher für den Arbeitsplatz verfügbar ist. Zumindest, meine Damen und Herren, für Hochschulabsolventen müssen wir dieses Vorrangprinzip lockern.

Zu nennen ist auch die Absenkung der Einkommensgrenzen, die für Migranten gelten. Auch die Integration bietet ein gro ßes Reservoir.

Die frühkindliche Bildung habe ich schon angesprochen. Auch über die Sprachbeherrschung als zentralen Bildungs- und Chancenfaktor müssen wir weiter nachdenken.

Von dieser Stelle aus will ich dem Wirtschaftsministerium zurufen, dass ich eine Initiative zur Bewältigung des Fachkräftemangels für notwendig halte – möglichst gleich nach der Sommerpause. Es ist notwendig, offene Fragen zu klären. Dazu ist es möglicherweise sinnvoll, ein Gutachten in Auftrag zu geben, das folgenden Fragen nachgeht:

Erstens: Wie gestaltet sich die Zuwanderung in Ländern, die im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte erfolgreicher sind als wir?

Zweitens: Wie rekrutiert der Mittelstand in Baden-Württemberg sein Personal, und wie kann die Politik ihm dabei helfen, dies noch besser zu gestalten?

Und schließlich: Weshalb nehmen die Studierendenzahlen bei den Ingenieurwissenschaften und den Naturwissenschaften ab? Welche Gründe haben die hohen Abbruchquoten bei Auszubildenden und Studierenden?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, das Thema ist damit umrissen, die Aufgabenstellung formuliert. In der zweiten Runde dazu von meiner Fraktion inhaltlich noch mehr.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Wolf.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Baden-Württemberg, das Land der Tüftler und Denker – ein Markenzeichen, das wir uns über Jahre und Jahrzehnte hinweg zu Recht und Gott sei Dank, sage ich, erworben haben. Es muss auch in Zukunft ein Markenzeichen dieses Landes bleiben. Baden-Württemberg ist aber eben auch ein rohstoffarmes Land. Deswegen war es schon immer eine große Herausforderung, in die Köpfe zu investieren und mit kreativen Ideen und innovativen Produkten auf dem Markt präsent zu sein.

Vor diesem Hintergrund muss vieles von dem, was der Kollege Dr. Rülke an düsteren Wolken hinsichtlich der Fachkräfteausstattung in Baden-Württemberg aufgezeigt hat, vielleicht nicht aufschrecken, aber doch sensibilisieren und auch alarmieren. Es muss uns zu denken geben, wenn auf der Hannover Messe vor wenigen Monaten bundesweit das Fehlen von 50 000 Ingenieuren beklagt wurde, 12 000 bis 13 000 in Baden-Württemberg. Der Ingenieurmangel gilt als Wachstumsbremse Nummer 1 für Baden-Württemberg. Deutschlandweit bedeutet er einen Verlust an Wertschöpfung im Umfang von 3 bis 3,5 Milliarden €.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so positiv und so erfreulich die Zahlen auf dem Arbeitsmarkt sind, so sehr wirft der erkennbare Fachkräftemangel seine Schatten voraus. Wer in den Unternehmen seines Wahlkreises unterwegs ist, hört allenthalben: „Wir könnten weit mehr Aufträge annehmen, wenn wir mehr Ingenieure, wenn wir mehr Meister, wenn wir mehr Techniker hätten.“ Das muss uns herausfordern, auf verschiedenen Handlungsfeldern anzusetzen. Die baden-würt tembergische Landesregierung ist dabei in engem Schulterschluss zwischen dem Wirtschaftsministerium und dem Wissenschaftsministerium gut unterwegs.

Die erste Stellschraube, an der wir drehen müssen, ist eine Verbreiterung der Qualifizierung, meine Damen und Herren. Die Maxime muss heißen: „breite Qualifizierung“, womit der Schwerpunkt unserer Ansätze deutlich wird. Dies bedeutet eine Stärkung der schulischen und beruflichen Bildung. Wir brauchen eine inhaltliche Qualitätsverbesserung, aber wir brauchen auch mehr beruflichen Nachwuchs, vor allem im technischen Bereich.

Das Bündnis für Ausbildung, das vor wenigen Wochen im Schulterschluss zwischen Politik und Wirtschaft auf den Weg gebracht wurde und das für 7 600 zusätzliche Ausbildungsplätze im Jahr gesorgt hat,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ist doch gar nicht wahr! Neue, aber nicht zusätzliche! Schön wär’s, wenn das zusätzliche wären!)

ist ein Schritt in die richtige Richtung. In gleicher Weise ist es ein Schritt in die richtige Richtung, wenn wir über den Mas terplan 2012 auch an den Hochschulen unseres Landes neue Studienplätze im technischen Bereich für angehende Ingenieure anbieten. Das ist der richtige Weg in die richtige Richtung. Die baden-württembergische Landesregierung hat hier frühzeitig reagiert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut! – Zu- ruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Es muss uns um gezielte Frauenförderung gehen. Wir brauchen mehr Frauen in technischen Berufen. In gleicher Weise ist richtig, was Kollege Rülke gesagt hat. Es muss uns natürlich herausfordern, die Erwerbstätigenquote der Menschen zwischen 55 und 65 Jahren, die in Baden-Württemberg bei 49 % liegt, durch verstärkte Weiterbildungsangebote in den Betrieben innerbetrieblich und überbetrieblich weiter zu erhöhen.

Es geht in erster Linie also um breite Qualifizierung, aber in zweiter Linie auch um gezielte Zuwanderung. Breite Qualifizierung, gezielte Zuwanderung, in dieser Abfolge.

Deswegen stimme ich mit Ihnen überein, dass es nicht nur darum gehen muss, dass man viel Geld in die Hand nimmt, um in die universitäre Ausbildung ausländischer Studenten zu investieren, sondern es uns auch darum gehen muss, dass ausländische Studenten ihre Talente und ihre Kompetenz nach Abschluss ihres Studiums in Deutschland, in Baden-Würt temberg einbringen können. Deswegen müssen im Aufenthaltsgesetz die Hürden für ein Bleiberecht herabgesetzt werden. Die Einkommensgrenze von derzeit 85 500 € ist zu hoch, sie muss herabgesetzt werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, breite Qualifizierung, gezielte Zuwanderung. Es gibt keinen Anlass zur Dramatik. Es ist nicht fünf nach zwölf, aber es ist fünf vor zwölf. Lassen Sie uns rechtzeitig, lassen Sie uns sofort die Probleme angehen – im Interesse der Wirtschaft dieses Landes, im Interesse der mittelständischen Unternehmen dieses Landes.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schmiedel.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der Fachkräftemangel – den gibt es – wird sich, wenn wir nicht die richtigen Instrumente dagegen anwenden, zur Wachstumsbremse Nummer 1 unserer Wirt schaft entwickeln. Nur: Wer glaubt, das Thema Fachkräftemangel in erster Linie über Zuwanderung lösen zu können, der ist auf dem Holzweg.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das hat er doch nicht gesagt!)

Erinnern Sie sich daran, was Helmut Kohl mit der Zuwanderung von Arbeitskontingenten aus den osteuropäischen staatlichen Baukonzernen in der Bauwirtschaft in Deutschland innerhalb weniger Jahre angerichtet hat. Es wurden alle Strukturen ruiniert, ordentliche Arbeitsverhältnisse eliminiert und die Handwerker aus dem Geschäft gebracht. Erinnern Sie sich auch daran, wie die Situation in den Schlachthöfen war, als aufgrund von Dumpingangeboten aus osteuropäischen Ländern heimische Arbeitskräfte innerhalb weniger Monate überhaupt keine Chance mehr hatten.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Die SPD re- giert doch in Berlin! Müntefering ist doch Arbeitsmi- nister!)

Deshalb ist für uns eine Öffnung der Arbeitsmärkte für Arbeitskräfte aus osteuropäischen Ländern untrennbar verbunden mit wirksamen Regeln gegen Lohndumping in diesem Land.

(Beifall bei der SPD)

Da haben wir, Herr Minister, wenig Zutrauen in Ihre Kompetenz. Sie wehren sich verzweifelt, die einfachsten Regeln – Tariftreue, besseres Vergaberecht – anzuwenden, was andere Länder schon längst machen.

(Abg. Guido Wolf CDU: Thema verfehlt! – Weitere Zurufe)

Die Bayern haben jetzt noch einmal eins draufgelegt gegen Lohndumping, indem sie auch beim Tiefbau Tariftreue verlangen. Herr Beckstein sagt, Dumpingangebote von Billiglöhnern der Baubranche aus den osteuropäischen Ländern könn ten damit wirksamer bekämpft werden. Er weist zu Recht darauf hin, dass durch das ungebremste Aufeinandertreffen von Lohnsystemen, die meilenweit auseinanderliegen, unsere heimischen Unternehmen aus dem Markt gekegelt werden. Deshalb: Handeln Sie endlich in diesem Bereich. Handwerk und Mittelstand warten dringend darauf.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Dr. Carmina Brenner CDU – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/ DVP: Thema verfehlt! – Gegenruf des Abg. Guido Wolf CDU: So ist es!)

Die zweite Sache: Solange wir es uns leisten, einen Altbewerberberg bei den Ausbildungsplatzsuchenden vor uns herzuschieben, der fast die Hälfte der Bewerber insgesamt umfasst und in dem fast die Hälfte mittlere Reife oder Hochschulreife hat, kann mir doch niemand mit Jammern kommen und sagen: Wir finden keine ausgebildeten Fachkräfte, keine Facharbeiter.

(Abg. Jörg Döpper CDU: Die Besten der Besten, oder wie?)

Dann aber ran! Sie haben über Jahre die Situation schöngeredet, Herr Minister.

(Minister Ernst Pfister: So lange kann es nicht sein!)

Sie haben sich für die einfachsten und billigsten Ergebnisse auf die Schulter geklopft. Sie haben keinen Druck ausgeübt.

Ich will einmal sagen, was der CDU-Bundestagsabgeordnete Schummer dazu sagt: Er sagt, es sei ein völlig falsches Signal, den Facharbeitermangel jetzt durch Zuzug lösen zu wollen. Weiter sagt er, die Geiz-ist-geil-Mentalität von Unternehmen würde dadurch gefördert, lieber billige Facharbeiter zu importieren, als selbst auszubilden. Da stimme ich ihm zu. Wir können doch nicht das System der Bundesliga auf unsere Wirtschaft übertragen und sagen: „Wir sparen uns die teure Ausbildung und holen uns dann die Experten aus dem Ausland.“ Jetzt ist die Wirtschaft gefordert. Innerhalb weniger Jahre kann sie die notwendigen Facharbeiter selbst ausbilden.

(Beifall bei der SPD)

Dann kommen wir zum Ingenieurbereich. Das ist die eigentliche zentrale Frage. Dazu muss ich schon einmal sagen – Sie, Herr Wolf, haben ja darauf hingewiesen, dass dies in erster Linie auch eine schulische Herausforderung und eine Herausforderung für die Hochschule ist –: Ja wo sind denn die zuständigen Minister, wenn wir über dieses Thema Fachkräftemangel reden? Es geht sie nichts an. Sie ignorieren ihre Aufgabe. Das ist ja unmöglich.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der FDP/DVP – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja!)

Das ZEW in Mannheim hat errechnet: Wenn wir in Deutschland die Schwelle erreichen wollten, 3 % des Bruttosozialprodukts für Forschung und Entwicklung einzusetzen, bräuchten wir pro Jahr ein Drittel mehr Ingenieure, als durch das Examen gebracht werden.

(Minister Ernst Pfister: Wir haben 4 %, Herr Kolle- ge! Das wissen Sie!)

Wir haben 4 %. Aber trotzdem haben wir einen eklatanten Mangel.