Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst – Das 7. Europäische Forschungsrahmenprogramm und seine Auswirkungen auf Baden-Württemberg – Drucksache 14/1225
Das Präsidium hat für die Aussprache über den gesamten Tagesordnungspunkt eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Landtagsfraktion dankt der Landesregierung, namentlich Herrn Minister Stächele, für diesen Europabericht. Er zeigt, dass Baden-Württemberg in vielfältiger Weise auf europäischer Ebene aktiv ist. In diesen Dank beziehen wir ausdrücklich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums, die an diesem Bericht mitgewirkt haben, ein, Herr Minister.
Das europäische Jahr 2007 war geprägt von der erfolgreichen deutschen Ratspräsidentschaft unter Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel.
Nicht nur, dass die von der deutschen Ratspräsidentschaft vorbereitete Verabschiedung des Reformvertrags von Lissabon die EU wieder handlungsfähiger macht, wir können auch auf 50 erfolgreiche Jahre europäischer Integration zurückblicken. Aus 27 Nachbarn, zum Teil früher dem Warschauer Pakt angehörend, sind Partner geworden. Das ist der große Erfolg des vereinten Europa, die Garantie, dass wir nie wieder Krieg miteinander führen werden.
Die Einigung der EU-Staats- und Regierungschefs auf den Reformvertrag von Lissabon ist ein Erfolg. Der Reformvertrag ist das Maximum dessen, was nach dem Scheitern des Verfassungsvertrags möglich war, ein Sieg politischer Vernunft. Die EU wird handlungsfähiger, demokratischer, transparenter. Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik wird ausgebaut; Fortschritte im Bereich Terrorismusbekämpfung und anderes werden sichtbar.
Bei alledem gilt: Subsidiarität und Transparenz dürfen nicht nur auf dem Papier stehen. Europa darf nicht zur Spielwiese einzelner Mitgliedsstaaten für nationale Eigeninteressen werden. Wir erwarten, dass die Einmischung der EU in Angelegenheiten der Nationalmitgliedsstaaten ein Ende hat. Was wir selbst tun können, wollen wir auch zukünftig selbst tun. Der
Die Einrichtung eines eigenständigen Europaausschusses im Landtag war gut. Damit reagiert das Parlament auf die erhebliche Wirkung europäischer Rechtsetzung und europäischer Politik. Gerade bei dem so wichtigen Thema der Subsidiaritätskontrolle zeigt sich, dass ein interdisziplinärer Ausschuss in Ergänzung zu den Fachausschüssen sinnvoll und wichtig ist.
Baden-Württemberg profitiert von Europa. In diesem Zusammenhang begrüßen wir auch den Lissabon-Prozess. Wir akzeptieren die neue Ausrichtung in den Förderprogrammen auf Stärkung der Stärken. In Baden-Württemberg liegen jedoch die Stärken traditionell auch und gerade im ländlichen Raum. Dies ist seit jeher ein fester Bestandteil unserer Landespolitik. Wir begrüßen es deshalb, dass es der Landesregierung, namentlich Herrn Minister Hauk, gelungen ist, in Brüssel die Berücksichtigung des ländlichen Raums in Baden-Württemberg zu erreichen.
Fördermittel der EU müssen für Maßnahmen verwendet werden, die einen europäischen Mehrwert bewirken. Ein europäischer Mehrwert liegt nicht allein darin, dass Europa Mittel zur Verfügung stellt. Er liegt dann vor, wenn es um überragend wichtige oder um grenzüberschreitende Aufgaben geht.
Meine Damen und Herren, die deutsche Sprache ist die meistgesprochene Muttersprache der EU-Bürger. Im EU-Alltag dagegen ist die deutsche Sprache unterrepräsentiert. Wir brauchen eine stärkere und konsequentere Politik in der Europäischen Union für die deutsche Sprache. Ich bin Ihnen, Herr Minister Stächele, für Ihre diesbezüglichen Aktivitäten ausdrücklich dankbar.
Dabei geht es ausdrücklich nicht um nationale Eitelkeiten, sondern um handfeste Interessen vor allem des Mittelstands. Ausschreibungen, aber auch Internetauftritte der Europäischen Kommission müssen auch in deutscher Sprache erfolgen. Die von der EU-Kommission geübte Praxis, Übersetzungen auf sogenannte Kerndokumente zu beschränken, mag für große Unternehmen mit eigenen Sprachabteilungen kein Problem sein, aber für kleine, mittelständische Unternehmen ist sie das sehr wohl.
Überhaupt gilt es, im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr die faktischen Grenzen zu überwinden. So nützt dem südbadischen Handwerker die Grenzfreiheit zu Frankreich herzlich wenig, wenn ihm dort durch Versicherungsauflagen un überwindliche Hürden in den Weg gelegt werden. Grenzen, die rechtlich abgebaut wurden, dürfen nicht faktisch wieder aufgebaut werden.
Meine Damen und Herren, auch in Zukunft muss Europa auf allen Ebenen oben auf der Agenda bleiben. Nur so werden wir den Bürgern Europa nahebringen. Daran müssen wir alle gemeinsam arbeiten. Wir werden dazu im Europaausschuss des Landtags unseren Beitrag leisten. Der Kollege Müller wird in der zweiten Runde auf die Fragen der Subsidiarität, auf die Anträge und auch auf unseren dazu eingebrachten Entschließungsantrag eingehen.
Zum Schluss darf ich in Verfolgung der Tradition der bisherigen Redner heute – jeder hat auf das Weihnachtsfest hingewiesen – darauf hinweisen: Draußen steht ein wunderschöner Weihnachtsbaum. Dieser wird nachher in der Mittagspause von Vertretern der beiden Gemeinden Bad Wildbad und Enzklösterle feierlich an den Landtagspräsidenten übergeben. Wenn Sie Lust haben, schauen Sie doch einmal vorbei. Das ist für uns dann die Einstimmung auf das Weihnachtsfest.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Werbung für den eigenen Wahl- kreis!)
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Nach Schlössern und Wäldern kommen wir jetzt zu Europa, von den Schätzen des Landes zu den Chancen des Landes.
Wir haben in der heutigen Europadebatte über die Bestandsaufnahme und über Perspektiven zu reden. Ich will das in zwei Teilen tun.
Zur Bestandsaufnahme einige wenige Gedanken: Ich bin vor ein paar Tagen durch das Haus der Geschichte gelaufen. Da gibt es ein Wahlplakat, auf dem steht: „Vereinigtes Europa – der erste Schritt zum Südweststaat“. Das Plakat stammt aus dem Jahr 1952. Diese Euphorie und diese tolle Stimmung werden natürlich von dem gespiegelt, was in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zu lesen ist. Dort wird – das ist wichtig – von einer Wertegemeinschaft und von einem Friedenserhalt gesprochen. Aber dann kommt als einziger harter Punkt, dass man im Land auf eine konsequente Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips achten wolle.
Wir sind ein Land im Herzen Europas. Wir sind wirtschaftlich und kulturell vielfach mit Europa verflochten. Wir haben auch ein Europa, das sich nach dem Vertrag von Lissabon schrittweise fortentwickelt. Deswegen ist die Grundfrage für das Land Baden-Württemberg folgende: Wollen wir eine reaktive oder eine proaktive Europapolitik? Ich fordere die Landesregierung auf, eine innere Haltung für eine proaktive Europapolitik zu entwickeln.
Einige wenige Sätze möchte ich zur Bestandsaufnahme sagen. Herr Minister, ich habe im Ausschuss angekündigt, dass wir dem Europabericht grundsätzlich positiv gegenüberstehen. Ich will das auch heute und weiterhin so halten. Wir haben einen Europabericht, der kompakt und dicht geschrieben ist. Alle Ministerien leisten ihre Beiträge. Ich erwähne, Herr Minister Pfister, dass sich das Wirtschaftsministerium mit dem, was es tut, sehr früh und somit rechtzeitig darauf einstellt, dass wir Netzwerke fordern, dass wir das Handwerk ein
Neue Entwicklungen sind angeschnitten worden. Ich nenne die Entwicklung der Flexicurity. Unser Land braucht in einer Arbeitswelt, die in Europa wie in Deutschland zunehmend von Flexibilität gekennzeichnet ist, die aber auch standardisierte Arbeitsverhältnisse braucht, weil es keine Freigabe im Sinne von Hire and Fire geben darf, eben eine Beschreibung dessen, was Flexibilität und soziale Garantien für die Beschäftigten zusammen bedeuten. Deswegen ist es uns wichtig, dass das Land Baden-Württemberg Leistung und soziale Sicherheit immer zusammen sieht. Das ist uns wichtig.
Das Thema Drittstaatenregelung als aktuelle Entwicklung ist in der heute auch auf der Tagesordnung stehenden Mitteilung der Landesregierung, Drucksache 14/2082, angesprochen wor den. Ich sage ganz klar: Hier haben wir Diskussionsbedarf. Wir wissen, dass in Berlin und auch innerhalb der Sozialdemokratischen Fraktion zunächst das Prinzip gilt, aus dem Land heraus zu entwickeln. Aber man muss auch ganz klar sehen, dass wir in Baden-Württemberg ein Interesse an Zuwanderung für wichtige Berufe haben. Deswegen ist auch klar: Letztendlich werden wir auf eine Harmonisierung der Drittstaatenregelung in Europa zulaufen müssen. Je früher die einzelnen nationalen Parlamente handeln und am besten in der gleichen Richtung handeln, desto besser werden wir dann auch in Europa gemeinsam eine Harmonisierung erreichen.
Ich persönlich glaube, dass wir bei dem Bericht, den wir heute vorliegen haben, gut vorangekommen sind. Ich glaube, dass die Ministerien mitziehen. Die Frage ist: Was tut die Landesregierung, um die PS von Baden-Württemberg insgesamt auf die Straße zu bringen?
Es geht darum, dass wir das, was beschrieben ist, in Europa tatsächlich auch in Politik umsetzen können.
Dafür brauchen wir eine straffe Koordination. Dafür brauchen wir in der Landesregierung den Willen zur Qualität.
Dafür brauchen wir auch die Nutzung aller Kompetenzen im Land, und zwar weit über die Regierungskoalition von CDU und FDP/DVP hinaus.
Nirgendwo wird das übrigens so deutlich – lassen Sie mich bei der Bestandsaufnahme schon einmal darauf hinweisen, weil sich der Kollege Blenke tatsächlich die Freiheit genommen hat, noch einmal fahrlässig darauf hinzuweisen –, wie wir bei den Programmen im Rahmen von ESF und EFRE eigentlich miteinander umgehen und was das Land BadenWürttemberg an Qualität einbringt. Ich sage an dieser Stelle nur: Da ist das Land eher reaktiv als proaktiv.
Bezüglich der ESF-Mittel waren die regionalen Arbeitsgemeinschaften lange verunsichert. Es gab keine wirkliche Ein
beziehung der freien Träger und eine zu geringe Konzentration der Mittel. Wir sehen jetzt – das findet unsere Unterstützung –, dass der Schritt, die Mittel für Lehrstellen auf Altbewerber zu konzentrieren, ein richtiger Schritt ist. Wir fänden es auch richtig, wenn der Wegfall von ESF-Mitteln für Schulsozialarbeit, meine Damen und Herren von der Koalition, endlich in eine reguläre Mitfinanzierung von Schulsozialarbeit münden würde. Das steht noch aus.
Zum Thema EFRE will ich nur sagen: Man hat offenbar nicht bemerkt, dass es bei den EFRE-Programmen einen Wandel der Ziele gibt, nämlich vom Ziel Kohäsion zum Ziel Innovation. Das hat man monatelang nicht zur Kenntnis genommen. Zwei Versionen des Operationellen Programms dümpeln dahin. Es werden Nebelkerzen geworfen und wird gefordert, dass der ländliche Raum nicht benachteiligt werden solle. Davon kann keine Rede sein. Es ist bekannt, dass Baden-Würt temberg polyzentrisch ist. Aber um die Kernfrage, ob sich der Antrag für das Operationelle Programm durch genügend Qualität auszeichnet, ob wir genügend innovative Projekte haben, drückt man sich herum. Es wird zunächst einmal gesagt, es gebe kein Problem. Dann sagt man, man habe es im Griff. Dann gibt es eine Phase, in der nichts passiert. Und dann gibt es in der dritten Version endlich das, was gegenüber der Kommission tatsächlich notwendig ist.
Die Regierung hat sich ohne innere Einsicht mit Nachbesserungen jetzt endlich in die richtige Richtung bewegt. Ich sage: Wir haben uns blamiert, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Dass der für das Programm verantwortliche Minister heute bei der Debatte ebenso wie im Europaausschuss nicht anwesend ist, zeigt übrigens auch, dass man offenbar innerhalb der gesamten Landesregierung, Herr Minister Stächele und nicht anwesender Herr Ministerpräsident Oettinger, das Thema, was in diesem Lande mit dem EFRE-Programm geschieht, vielleicht wirklich einmal zur Chefsache erklären müsste.