Protokoll der Sitzung vom 27.02.2008

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Ich schaue Sie an, Herr Dr. Noll. Sie haben in der letzten Woche bei der „didacta“ versprochen: „Es ist kein Problem, wir nehmen die Ganztagsschule ins Schulgesetz hinein. Es ist kein Problem, wir lassen längeres gemeinsames Lernen und individuelle Förderung überall dort zu, wo es gewünscht wird. Alle solchen Initiativen werden wir unterstützen.“

(Abg. Norbert Zeller SPD: Alles nur Geschwafel!)

Alle solchen Vorschläge von uns haben Sie im letzten halben und Dreivierteljahr abgelehnt. Stehen Sie doch endlich einmal zu den Forderungen, die Sie draußen vor Ort vertreten. Stehen Sie auch hier dazu, sagen Sie auch hier Ihre Meinung,

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

und lassen Sie uns endlich Beschlüsse fassen, die man draußen dann auch in Einklang bringen kann mit dem, was Sie sagen. Allen anderen, die sich in den letzten Wochen daran beteiligt haben, heute hier aber nicht in die Bütt gehen, kann man nur im Sinne der Kinder und zugunsten der Bildungspolitik vorschlagen: Halten Sie sich doch bitte in Zukunft heraus, lassen Sie sich nicht erst durch die alte Gouvernante aus der Bundespolitik wieder einfangen und auf den Latz knallen.

(Heiterkeit der Abg. Ursula Haußmann SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Geht’s noch?)

Geben Sie die Richtlinie vor oder lassen Sie es bleiben. Aber dieses Hin und Her schadet uns allen. Damit diskreditieren wir Politik im Allgemeinen und Bildungspolitik im Besonderen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Schmiedel das Wort.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Aber jetzt eine persön- liche Erklärung! – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Der muss sich auch entschuldigen!)

Herr Minister Rau, Sie haben sich aufgeregt über einen Zwischenruf, mit dem ich die Bemerkung von Herrn Kretschmann aufgenommen habe.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Wiederholt, um es ge- nau zu sagen!)

Der Vergleich „Es riecht nach DDR“ ist zu pauschal. Deshalb nehme ich ihn zurück. Ich wollte hier niemanden, schon gar nicht das Parlament, aber auch nicht die Bildungspolitik mit dem unmenschlichen kommunistischen System in Beziehung bringen.

Deshalb möchte ich an dieser Stelle präzisieren, worum es geht. Sie haben gesagt, Sie wollten einen Blick auf die Realität werfen, und haben dann einen Blick auf den Plan geworfen und damit unterstellt, dass der Plan die Realität sei.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Ein ganz realer Plan!)

Das ist nun etwas, was dem DDR-System immanent war,

(Abg. Volker Schebesta CDU: Jetzt wird es aber nicht besser!)

nämlich permanent den Plan und die Übererfüllung des Planes für die Realität zu halten.

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: Das macht es ja noch schlimmer! Das ist Rabulistik!)

Das ist eine Grundproblematik, die wir haben. Denn am Bildungsplan übt überhaupt niemand Kritik.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sie machen es ja noch schlimmer! Was soll denn das?)

Der Bildungsplan ist gar nicht umstritten, sondern umstritten ist, ob die Rahmenbedingungen stimmen, um diesen Bildungsplan in die Realität zu bringen. Da gehört z. B. ein Ganztags angebot zwingend zum G 8; dem haben Sie sich bis zur Stunde verweigert.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Winfried Kretsch- mann GRÜNE)

Die zweite Bedingung dafür, dass aus diesem Plan Realität wird, ist, dass es eine Motivation der Beteiligten gibt, diesen Plan umzusetzen. Darauf haben Sie hingewiesen. Deshalb ist es doppelt unsinnig, dass Sie ausgerechnet dort, wo die Mo

tivation von Lehrern, Eltern und Schulträgern da ist, neue Wege zu gehen, um bessere Ergebnisse zu erreichen, blockieren und verhindern, weil es Ihrem gegliederten Schulsystem nicht entspricht. Das ist doppelt falsch.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Doppelt falsch ist richtig! – Zuruf von der SPD: Höhere Mathema- tik!)

Wenn wir über die Realität sprechen, dann lassen Sie uns wirklich einen Blick auf die Realität werfen und nicht den Plan vorschieben und so tun, als sei der Plan die Realität in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Winfried Kretsch- mann GRÜNE)

Für die FDP/DVPFraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll das Wort.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Jetzt hat er Gelegenheit, unseren Antrag zu unterstützen!)

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als einer der angesprochenen Akteure will ich für unsere Fraktion versuchen, ein ganz kurzes Fazit zu unserem Abstimmungsverhalten zu ziehen.

Es ist wie überall: Die einen sehen das Glas halb voll und die anderen halb leer. Ich sehe das Glas halb voll. Dass wir immer weitere Entwicklungen in unserem Bildungssystem brauchen, weil die Gesellschaft sich verändert, dem kann überhaupt niemand widersprechen. Nur in der Einschätzung – Herr Mentrup, da sind Sie auch nicht ehrlich –, wie das volle Glas aussehen soll, unterscheiden wir uns in der Tat, weil Sie das volle Glas heute nicht zur Abstimmung stellen. Darum sagen Sie ganz harmlos: „Stimmen Sie dem doch zu!“

Wir sind uns an ganz vielen Stellen einig geworden. Wer wirklich objektiv zugehört hat – ob Herrn Röhm oder Herrn Kultusminister Rau –, der muss einfach zugeben, dass ein ganz großer Konsens darin besteht, dass wir künftig bedarfsgerecht vor Ort Lösungen, die die Eltern, die Schulträger und die Kollegien wollen, zulassen und sogar befördern wollen.

(Abg. Dr. Frank Mentrup SPD: Die Eltern entschei- den! – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Dr. Noll, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, jetzt nicht. Lassen Sie mich das jetzt geschwind weiter ausführen.

Keine Zwischenfrage.

Typisch ist, dass Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen, was sogar schriftlich vom Kultusminister dazu ausgeführt ist, was in Zukunft gewollt ist.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Alle Anträge, die wir stel- len, werden abgelehnt!)

Seien Sie doch einmal mit Ihren Anträgen ruhig, und hören Sie doch einmal zu!

(Unruhe bei der SPD – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Ein typisches Beispiel war der Kollege Kretschmann, der von der „Schnecke“ teilintegrativer Unterricht gesprochen hat, aber nicht erwähnt hat, dass der Kultusminister in seiner Rede gesagt hat: „… oder indem in allen Fächern gemeinsam unterrichtet wird“. Sie haben also wieder den Eindruck vermittelt, als ob ausschließlich teilintegrativer Unterricht möglich sein solle. Sie sehen – schriftlich niedergelegt vom verantwortlichen Minister –, es sind alle Möglichkeiten gegeben.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Das ist der Plan! Die Re- alität sieht anders aus, Herr Noll!)

Jetzt erklärt er uns, dass er all das tun wird und noch vorstellen wird, was notwendig ist, um diese Versuche – –

(Abg. Norbert Zeller SPD: Er hat es doch abgelehnt!)

Nein, er hat es nicht abgelehnt. Da liest offensichtlich jeder etwas anderes.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Soll ich es Ihnen zeigen? Ich habe die Ablehnungsschreiben dabei!)

In der Vergangenheit sind zu unserem großen Ärger, zum Ärger von Frau Birgit Arnold und mir – ich war auch in Sipplingen, ich war in Hohenlohe –,

(Abg. Norbert Zeller SPD: Meckenbeuren! Mulfin- gen!)

teilweise Schulversuche abgelehnt worden. Das war einmal. Wir reden darüber, was sein wird. Wir haben doch das klare Signal, das wir Schulversuche befördern wollen.