Ich schaue Sie an, Herr Dr. Noll. Sie haben in der letzten Woche bei der „didacta“ versprochen: „Es ist kein Problem, wir nehmen die Ganztagsschule ins Schulgesetz hinein. Es ist kein Problem, wir lassen längeres gemeinsames Lernen und individuelle Förderung überall dort zu, wo es gewünscht wird. Alle solchen Initiativen werden wir unterstützen.“
Alle solchen Vorschläge von uns haben Sie im letzten halben und Dreivierteljahr abgelehnt. Stehen Sie doch endlich einmal zu den Forderungen, die Sie draußen vor Ort vertreten. Stehen Sie auch hier dazu, sagen Sie auch hier Ihre Meinung,
und lassen Sie uns endlich Beschlüsse fassen, die man draußen dann auch in Einklang bringen kann mit dem, was Sie sagen. Allen anderen, die sich in den letzten Wochen daran beteiligt haben, heute hier aber nicht in die Bütt gehen, kann man nur im Sinne der Kinder und zugunsten der Bildungspolitik vorschlagen: Halten Sie sich doch bitte in Zukunft heraus, lassen Sie sich nicht erst durch die alte Gouvernante aus der Bundespolitik wieder einfangen und auf den Latz knallen.
Geben Sie die Richtlinie vor oder lassen Sie es bleiben. Aber dieses Hin und Her schadet uns allen. Damit diskreditieren wir Politik im Allgemeinen und Bildungspolitik im Besonderen.
(Abg. Thomas Blenke CDU: Aber jetzt eine persön- liche Erklärung! – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Der muss sich auch entschuldigen!)
Herr Minister Rau, Sie haben sich aufgeregt über einen Zwischenruf, mit dem ich die Bemerkung von Herrn Kretschmann aufgenommen habe.
Der Vergleich „Es riecht nach DDR“ ist zu pauschal. Deshalb nehme ich ihn zurück. Ich wollte hier niemanden, schon gar nicht das Parlament, aber auch nicht die Bildungspolitik mit dem unmenschlichen kommunistischen System in Beziehung bringen.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle präzisieren, worum es geht. Sie haben gesagt, Sie wollten einen Blick auf die Realität werfen, und haben dann einen Blick auf den Plan geworfen und damit unterstellt, dass der Plan die Realität sei.
Der Bildungsplan ist gar nicht umstritten, sondern umstritten ist, ob die Rahmenbedingungen stimmen, um diesen Bildungsplan in die Realität zu bringen. Da gehört z. B. ein Ganztags angebot zwingend zum G 8; dem haben Sie sich bis zur Stunde verweigert.
Die zweite Bedingung dafür, dass aus diesem Plan Realität wird, ist, dass es eine Motivation der Beteiligten gibt, diesen Plan umzusetzen. Darauf haben Sie hingewiesen. Deshalb ist es doppelt unsinnig, dass Sie ausgerechnet dort, wo die Mo
tivation von Lehrern, Eltern und Schulträgern da ist, neue Wege zu gehen, um bessere Ergebnisse zu erreichen, blockieren und verhindern, weil es Ihrem gegliederten Schulsystem nicht entspricht. Das ist doppelt falsch.
(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Doppelt falsch ist richtig! – Zuruf von der SPD: Höhere Mathema- tik!)
Wenn wir über die Realität sprechen, dann lassen Sie uns wirklich einen Blick auf die Realität werfen und nicht den Plan vorschieben und so tun, als sei der Plan die Realität in Baden-Württemberg.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als einer der angesprochenen Akteure will ich für unsere Fraktion versuchen, ein ganz kurzes Fazit zu unserem Abstimmungsverhalten zu ziehen.
Es ist wie überall: Die einen sehen das Glas halb voll und die anderen halb leer. Ich sehe das Glas halb voll. Dass wir immer weitere Entwicklungen in unserem Bildungssystem brauchen, weil die Gesellschaft sich verändert, dem kann überhaupt niemand widersprechen. Nur in der Einschätzung – Herr Mentrup, da sind Sie auch nicht ehrlich –, wie das volle Glas aussehen soll, unterscheiden wir uns in der Tat, weil Sie das volle Glas heute nicht zur Abstimmung stellen. Darum sagen Sie ganz harmlos: „Stimmen Sie dem doch zu!“
Wir sind uns an ganz vielen Stellen einig geworden. Wer wirklich objektiv zugehört hat – ob Herrn Röhm oder Herrn Kultusminister Rau –, der muss einfach zugeben, dass ein ganz großer Konsens darin besteht, dass wir künftig bedarfsgerecht vor Ort Lösungen, die die Eltern, die Schulträger und die Kollegien wollen, zulassen und sogar befördern wollen.
Typisch ist, dass Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen, was sogar schriftlich vom Kultusminister dazu ausgeführt ist, was in Zukunft gewollt ist.
Ein typisches Beispiel war der Kollege Kretschmann, der von der „Schnecke“ teilintegrativer Unterricht gesprochen hat, aber nicht erwähnt hat, dass der Kultusminister in seiner Rede gesagt hat: „… oder indem in allen Fächern gemeinsam unterrichtet wird“. Sie haben also wieder den Eindruck vermittelt, als ob ausschließlich teilintegrativer Unterricht möglich sein solle. Sie sehen – schriftlich niedergelegt vom verantwortlichen Minister –, es sind alle Möglichkeiten gegeben.
Jetzt erklärt er uns, dass er all das tun wird und noch vorstellen wird, was notwendig ist, um diese Versuche – –
In der Vergangenheit sind zu unserem großen Ärger, zum Ärger von Frau Birgit Arnold und mir – ich war auch in Sipplingen, ich war in Hohenlohe –,
teilweise Schulversuche abgelehnt worden. Das war einmal. Wir reden darüber, was sein wird. Wir haben doch das klare Signal, das wir Schulversuche befördern wollen.