Protokoll der Sitzung vom 30.04.2008

Darauf sagt der Kassierer: „Dann tritt Bundesfinanzminister Steinbrück zurück, und das sollte Ihnen doch 1 000 € wert sein.“

(Heiterkeit – Beifall bei der FDP/DVP und der Abg. Nicole Razavi CDU)

Aber nun zurück zur Sache. Die europäische Richtlinie – das ist hier schon gesagt worden – verpflichtet zur Einhaltung bestimmter Anforderungen an Bilanzprüfer. Da geht es um Zulassung, Qualifikation und Unabhängigkeit. Dann brauchen wir einen Prüfungsausschuss für kapitalmarktorientierte Sparkassen, wenn es die in Baden-Württemberg einmal geben sollte. Es liegt mit dieser Abschlussprüferrichtlinie, die dan

kenswerterweise ohne Draufsatteln umgesetzt wird, erstmals ein geschlossener EU-weiter Rahmen vor. Die abgelösten deutschen Vorschriften waren praktisch bereits richtlinienfest. Man muss jetzt den Sparkassen konzedieren, dass sie sich schon darauf eingestellt haben. Im Grunde genommen sind Ausmaß und Aufwand der Umsetzung dieser Richtlinie vergleichsweise gering.

Der Entstehungsprozess dieser ganzen Geschichte war zwar wieder komisch, weil dieses „Ausschussunwesen“ in Brüssel das Verfahren wieder endlos in die Länge gezogen hat. Aber am Ende ist dabei doch etwas Vernünftiges herausgekommen. Das Ergebnis wird um der Rechtssicherheit willen von allen Betroffenen und Beteiligten begrüßt. Auch die Fraktion der FDP/DVP begrüßt diesen Gesetzentwurf. Er macht die regional verankerten Sparkassen als dezentrale eigenständige Unternehmen, als bewährte Säule des deutschen Bankensystems und als unverzichtbarer Stabilisator des Mittelstands zukunftssicher, und das ist gut so.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir sind mit der Ersten Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, Drucksache 14/2595, am Ende. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an den Innenausschuss zu überweisen. – Sie stimmen der Überweisung zu.

Damit ist Punkt 7 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Heimgesetz für Baden-Württemberg (Landesheimgesetz – LHeimG) – Drucksache 14/2535

Das Präsidium hat Folgendes festgelegt: Begründung durch die Regierung und daran anschließend eine Aussprache mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort erteile ich Frau Ministerin Dr. Stolz.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zahl der Pflegebedürftigen wird in Baden-Württemberg weiter anwachsen. Im Jahr 2005 erhielten 225 000 Menschen in unserem Land Leistungen aus der Pflegeversicherung. Diese Zahl wird bis zum Jahr 2030 um 54 % steigen. Das heißt, wir erwarten, dass im Jahr 2030 rund 350 000 Menschen in unserem Land Pflege benötigen.

Darauf müssen wir vorbereitet sein, unter vielem anderen auch mit einem modernen und qualitätsorientierten Heimgesetz. Durch die Föderalismusreform ist es möglich, dass die Länder eigene Heimgesetze regeln. In dem vorliegenden Gesetzentwurf ist das Inkrafttreten zum 1. Juli 2008 vorgesehen. Damit hätten wir deutschlandweit das erste Landesheimgesetz.

Was wollen wir damit erreichen? Ein Heimgesetz für BadenWürttemberg muss zuallererst für die Bewohner des Heimes da sein. Der Schutz ihrer Menschenwürde ist oberstes Ziel dieses Gesetzes. Deshalb ist einer der wichtigsten Bausteine

des Gesetzentwurfs die Verbesserung der Qualität in den Einrichtungen.

Auf folgende Veränderungen gegenüber dem alten Heimgesetz des Bundes möchte ich näher eingehen: zum einen auf die Fachkraftquote und zum anderen auf die Heimbegehung.

Ausreichendes und qualifiziertes Personal ist der wesentliche Faktor für eine gute Qualität in der Pflege. Deshalb schreiben wir eine Fachkraftquote gesetzlich fest. Das heißt, dass 50 % des Personals Fachkräfte sein müssen. Hiervon können Ausnahmen zugelassen werden, aber nur soweit und solange es die Bedürfnisse der Bewohner erlauben.

Eine Fachkraftquote ist aus meiner Sicht notwendig, weil auf die Pflege immer größere Herausforderungen zugekommen sind. Ich erwähne nur den Zuwachs an multimorbiden Pflegebedürftigen und den zunehmenden Betreuungsaufwand bei demenziell erkrankten Menschen. Zwei Drittel der heute stationär versorgten Pflegebedürftigen leiden an einer mittelschweren bis schweren Demenz. Demenzerkrankungen sind mittlerweile auch der häufigste Grund für einen Heimeintritt. Eine zu geringe Besetzung mit Fachkräften führt daher schnell zu einer Überforderung der Mitarbeiter und letztlich zu Fehlern, die auch fatal werden können.

Derzeit ist die Pflegequalität in baden-württembergischen Heimen in der überwiegenden Zahl der Fälle gut. Das ist vor allem den vielen engagierten Mitarbeitern in der Pflege zu verdanken. Diesen Menschen möchte ich an dieser Stelle für ihren Einsatz und für ihr großes Engagement danken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Leider gibt es aber auch einzelne schwarze Schafe in der Pflege. Ich sage ganz bewusst „einzelne schwarze Schafe“, weil in der ganzen Diskussion über die Pflegequalität oftmals vergessen wird, dass in den meisten Pflegeheimen sehr gute Arbeit geleistet wird. Aber dort, wo es Missstände gibt, müssen wir für Abhilfe sorgen.

Eine Möglichkeit, Qualitätsmängeln entgegenzuwirken, ist eine effektive Begehung der Heime durch die Heimaufsicht. Die jährlichen Prüfungen der Heimaufsichten sollen daher zukünftig grundsätzlich unangemeldet erfolgen. Damit können wir einen realistischen und ungeschönten Eindruck über die Verhältnisse des Heimes erhalten. Das ist nicht viel anders als beim Autofahren: Nur wenn auch kontrolliert wird, halten sich die Menschen an die Regeln.

Das Ministerium will diese Prüfungen stärken. Mit zusätzlichen 150 000 € ermöglichen wir, dass weitere externe Pflegefachkräfte die Heimaufsichten bei den Begehungen begleiten,

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Richtig!)

damit diese Heimaufsicht in ihrer Qualität weiterhin gewährleistet ist. Insgesamt stehen rund 300 000 € für die Hinzuziehung solcher Pflegefachkräfte zur Verfügung. So wird sichergestellt, dass der für die Heimbegehung notwendige Sachverstand auch vorhanden ist.

Ein weiteres neues Ziel des Landesheimgesetzes ist der Verbraucherschutz. Heimbetreiber müssen in Zukunft Informationen über Preise und Leistungen veröffentlichen. Sie können aber selbst entscheiden, wie sie das tun. Die Transparenz darüber, was man für sein Geld bekommt, hilft dem Verbraucher. Sie ermöglicht aber auch unseren Heimträgern, für sich zu werben und deutlich zu machen, worin sie sich von anderen Anbietern unterscheiden.

Zur Transparenz trägt auch bei, dass die Heimaufsichten die wesentlichen Ergebnisse ihrer Prüfungen veröffentlichen. Ab dem Jahr 2010 sollen die Heimaufsichten Qualitätsberichte über die von ihnen geprüften Einrichtungen erstellen. Sie sollen nicht einseitig – das ist auch wichtig – fehlerorientiert sein, sondern sollen auch die Stärken der Einrichtung darstellen. Die verbindliche Form und die Inhalte dieser Berichte werden wir gemeinsam mit den Trägerverbänden erarbeiten.

Diese Qualitätsberichte sollen von den Einrichtungen selbst freiwillig veröffentlicht werden, denn eine gute Einrichtung braucht die Veröffentlichung eines Qualitätsberichts nicht zu scheuen, und eine schlechte muss sich von Interessenten fragen lassen, warum sie keinen Bericht veröffentlicht.

Interessenten und Bewohner werden also in Zukunft mehr Möglichkeiten haben, Pflegeeinrichtungen zu vergleichen und sich einen Eindruck über deren Qualität zu verschaffen. Mehr Transparenz hinsichtlich der Leistungen der Pflegeeinrichtungen führt zu mehr Vergleichbarkeit und auch zu mehr Wettbewerb zwischen den Einrichtungen. Das ist in der Tat ein Ansporn, die Qualität zu verbessern.

Qualität in der Pflege ist das eine. Wie wohl sich die Menschen in Einrichtungen fühlen, hängt aber auch davon ab, welche individuellen Möglichkeiten die Bewohner haben.

Ambulant betreute Wohngemeinschaften kommen dem Wunsch vieler Menschen nach mehr Selbstbestimmung und mehr Normalität entgegen. Sie sind ein Mittelweg zwischen einer Vollversorgung im Heim und der Selbstständigkeit des eigenen Zuhauses. Bisher gab es häufig Unsicherheiten, ob und wann das Heimgesetz auf solche Einrichtungen anzuwenden ist. Das Landesheimgesetz regelt nun eindeutig, wann Heimrecht auch auf die ambulant betreuten Wohngemeinschaften anzuwenden ist. Wir haben für solche Wohngemeinschaften unterschiedliche Regelungen getroffen, und zwar deshalb, weil sich die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderungen und mit psychischen Erkrankungen in vielen Dingen von denen der Pflegebedürftigen unterscheiden.

Für psychisch Kranke oder Menschen mit einer leichten Behinderung, die keiner Betreuung rund um die Uhr bedürfen oder sich gar schon auf dem Weg zu noch größerer Selbstständigkeit befinden, soll der Übergang zu einer selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Teilhabe in gemeindeintegrierten Wohnformen erleichtert werden. Daher haben wir Wohngruppen von bis zu sechs Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen vom Anwendungsbereich des Heimgesetzes ausgenommen. Ich weiß, dass diese Zahl manchen zu niedrig ist. Aber in größeren Wohngruppen kann eine solche Konzeption, die – wie auch in der Familie – auf Individualität angelegt ist, erfahrungsgemäß nicht mehr so gut umgesetzt werden. Die Versorgung erhält dann einen anderen, einen heimähnlichen Charakter, der die Anwendung des Heimgesetzes erfordert.

Dagegen soll auf die Anwendung des Heimgesetzes bei ambulant betreuten Wohngemeinschaften für Pflegebedürftige nur dann verzichtet werden, wenn die Bewohner die Belange ihrer Wohngemeinschaft selbst verantwortlich regeln und somit selbst Träger der Wohngemeinschaft sind.

(Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Wird jedoch eine solche ambulant betreute Wohngemeinschaft von einem Träger geführt, dann muss dieser sich der Prüfung der Heimaufsicht stellen. Das bedeutet aber nicht, dass eine solche Einrichtung dann zwingend eine stationäre Einrichtung im Sinne des Leistungsrechts ist. Das Heimrecht kann und soll keine Aussage über die leistungsrechtliche Einordnung einer Einrichtung treffen. Es können also auch Einrichtungen, die leistungsrechtlich als ambulant zu betrachten sind, unter das Heimrecht fallen. In solchen Einrichtungen ist der Schutzbedarf der Bewohner in der Regel ähnlich wie in einem klassischen Heim, weil wesentliche Entscheidungen wie z. B. die Beauftragung eines Pflegedienstes nicht mehr von den Bewohnern selbst, sondern vom Träger getroffen werden.

Mir ist es wichtig, dass auch Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen in Wohngemeinschaften den Schutz des Heimgesetzes genießen und Pflegemängel oder Sicherheitsrisiken für die Bewohner aufgedeckt werden können, dass man also auch hinschauen kann. Der Gesetzentwurf berücksichtigt aber, dass sich diese kleinen Wohnformen von den klassischen Pflegeheimen unterscheiden. So sollen die baulichen und die personellen Anforderungen den Bedürfnissen der Bewohner und dem Konzept der Einrichtung angepasst werden. Z. B. gelten für eine Außenwohngruppe für Geistigbehinderte andere Anforderungen als für ein Pflegeheim. Wir gewährleisten damit so viel Schutz wie nötig und ermöglichen so viel Flexibilität wie möglich. Das Heimgesetz bedeutet also weder eine Zementierung der Zweiteilung zwischen stationären und ambulanten Hilfeangeboten, noch wird durch dieses Gesetz der Verbraucherschutz ausgehöhlt.

Ein weiteres wichtiges Ziel des Gesetzes ist die Stärkung der Heimmitwirkung. Sie ermöglicht den Bewohnerinnen und Bewohnern eines Heimes, Einfluss auf die Gestaltung ihrer Lebenswelt zu nehmen. Der Gesetzentwurf sieht die Möglichkeit der Unterstützung des Heimbeirats durch einen Angehörigen- und Betreuerbeirat vor. Durch den Angehörigen- und Betreuerbeirat soll die selbstbestimmte und eigenverantwortliche Mitwirkung von Menschen mit Behinderungen unterstützt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf aber auch zur Vereinfachung und Entbürokratisierung beitragen. Die Entlastung der Heimträger ist ein weiteres Ziel dieses Gesetzes, allerdings nur, soweit dies mit dem Schutz der Bewohner vereinbar ist. Das möchte ich betonen. Wir haben daher, soweit es möglich war, Anzeige- und Berichtspflichten reduziert.

Um klarzustellen, wann das Heimgesetz anzuwenden ist, haben wir eine Definition des betreuten Wohnens in das Gesetz eingefügt, und die Tages- und Nachtpflege wurde ganz aus dem Anwendungsbereich des Heimgesetzes herausgenommen.

Von den derzeit sechs einschlägigen Verordnungen werden drei außer Kraft gesetzt. Die übrigen sollen in einer Verordnung zusammengeführt und auch vereinfacht werden.

Um neuen Wohnformen den Start zu erleichtern, haben wir eine praxisgerechte Erprobungsregelung geschaffen. Bewährt sich die neue Wohnform, so kann die Befreiung auf Dauer ausgesprochen werden. Um mehr Erkenntnisse über solche neuen Wohnformen zu gewinnen, sollen derartige Projekte in Zukunft wissenschaftlich evaluiert werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die pflegebedürftigen Menschen in unserem Land sollen eine gute Pflege und ein Höchstmaß an Lebensqualität erhalten. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gehen wir diesen Weg in Baden-Würt temberg weiter.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Raab für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach der ausführlichen Gesetzesbegründung, die wir soeben gehört haben,

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

möchte ich zusammenfassend kurz noch einmal auf die wesentlichen Punkte zu sprechen kommen und sagen: Dieses Landesheimgesetz ist eine Folge der Föderalismusreform. Zum ersten Mal können wir selbst ein Gesetz schaffen, das den baden-württembergischen Gegebenheiten Rechnung tragen kann.