Protokoll der Sitzung vom 01.10.2008

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Warum denn?)

Dieser Umstand hat den Landtag schon mehrfach beschäftigt. Das Land Baden-Württemberg, meine Damen und Herren, kann und will es sich nicht leisten, Jahr für Jahr auf Beträge in Millionenhöhe zu verzichten. Wir haben vorbereitende Haushaltsverhandlungen hinter uns. Der Haushaltsentwurf, bei dem wir wieder schmerzliche Einschnitte gemacht haben, kommt ja jetzt in die Fraktionen. Es ist widersinnig, sich sozusagen auf der Ausgabenseite wehzutun, wenn man auf der

Einnahmenseite die Hausaufgaben noch gar nicht gemacht hat. Deswegen lohnt es sich schon einmal, darüber nachzudenken, wie wir an unser Geld kommen.

Die Einschaltung spezialisierter Partner ist heute völlig alltäglich. Wenn Sie heute eine Arztrechnung bekommen, so kriegen Sie die in der Regel nicht mehr vom Arzt, sondern da steht vielleicht „Privatärztliche Verrechnungsstelle“ darauf.

(Abg. Christine Rudolf SPD: „KV“ steht drauf!)

Sehr viele freie Unternehmen bedienen sich dieser Spezialisten, bis hinein in den Bereich der Deutschen Bahn und anderer Verkehrsträger.

Jetzt stelle ich sozusagen eine Gegenfrage an Sie, lieber Herr Stickelberger: Soll der Staat eigentlich weniger tun als andere, um an sein Geld zu kommen, oder darf er gleich viel tun wie andere, um an das Geld zu kommen? Es ist immerhin das Geld der Steuerzahler.

(Abg. Thomas Blenke CDU: So ist es!)

Darum ist es das Normalste von der Welt, die Zusammenarbeit mit solch spezialisierten Partnern, die es in großer Zahl gibt, zu erproben.

Herr Justizminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Stickelberger?

Ja.

Bitte, Herr Abg. Stickelberger.

Ich darf Ihre Gegenfrage mit einer weiteren Gegenfrage beantworten. Sie haben gesagt, die Landesoberkasse bearbeite die Forderungen nicht weiter. Warum denn nicht? Warum schaffen Sie denn nicht die Voraussetzungen dafür, dass diese Forderungen weiterverfolgt werden? Es zwingt doch niemand die Behörde, die Forderungen nicht weiter zu verfolgen. Warum tun Sie das nicht, und warum sorgen Sie nicht dafür, dass die Behörde entsprechend tätig wird? Dann ist auch größerer Erfolg garantiert. Wenn nichts getan wird, bleibt der Erfolg aus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe die Frage wirklich nicht bestellt, aber ich kann gerade weitermachen. Wir tun ja etwas, und zwar sorgen wir für ein bisschen Wettbewerb.

(Lachen der Abg. Christine Rudolf SPD)

Wir sorgen für ein bisschen Wettbewerb,

(Abg. Christine Rudolf SPD: So wie auf den Finanz- märkten, gell? – Gegenruf der Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP)

und dieser Wettbewerb hat dazu geführt, dass die Zahl der niedergeschlagenen Forderungen – – Sie wollen es halt nicht hören.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Doch!)

Es ist schon kurios, einen Zusammenhang zwischen der Finanzkrise und diesem Gesetz herzustellen. Der Schwung war kühn.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Christine Rudolf SPD)

Jetzt sage ich etwas, was Sie vielleicht nicht hören wollen. Die Landesoberkasse schlägt jetzt weniger Forderungen nieder, und zwar unter sonst gleichbleibenden Umständen.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Also geht es doch!)

Es wird jetzt weniger niedergeschlagen. Die Landesoberkasse arbeitet jetzt schon effizienter.

Das ganze Unternehmen bringt keine Belastungen für den Landeshaushalt mit sich. Darauf wurde schon hingewiesen. Es kostet uns nichts, und zwar aus dem Grund: Bei den Privaten, die wir beteiligen werden, ist es in der Tat so, dass die Höhe ihrer Einkünfte, auch ihre zukünftige Existenz am Markt stark von ihren Erfolgen abhängen. Das Ganze erfolgt auf Provisionsbasis. Wir riskieren dabei gar nichts.

Die Unternehmen sind natürlich entsprechend engagiert und bemüht, die Forderungen zu verwirklichen. Sie tun das im Wesentlichen durch eine intensivere und damit erfolgreichere Forderungsbetreuung. Die machen nichts Anstößiges, nichts Unzulässiges. Aber sie bleiben schon lästig. Sie bleiben schon dran. Es ist an sich nicht einzusehen, warum der eine bezahlt und der andere nicht. Es geht um Forderungen aus der Prozesskostenhilfe. Der eine zahlt zurück, der andere zahlt nicht zurück. Zumindest sollte man schon mit entsprechendem Engagement schauen, dass alle zur Rückzahlung herangezogen werden.

Der Landtag hat die Vorzüge des Projekts frühzeitig erkannt. Sie haben die Landesregierung gebeten, die Möglichkeiten und die Wirtschaftlichkeit eines Outsourcings zu prüfen und in einem ersten Schritt anstelle der Niederschlagung von Forderungen private Inkassofirmen einzuschalten. Diesem Auftrag kommen wir mit dem Projekt nach. Wir brauchen dazu eine datenschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage. Die liegt eben heute vor. In dieses Gesetz ist der geballte Sachverstand von Justizministerium, Innenministerium und Finanzministerium eingeflossen. Das sieht man dem Gesetz natürlich auch an.

(Zurufe von der SPD: Oi! – Abg. Rainer Stickelber- ger SPD: Deswegen ist es so umfangreich!)

Wir schaffen damit eine bereichsspezifische Grundlage, die in der Tat die Anerkennung auch des Datenschutzbeauftragten gefunden hat. Wir gehen auf Nummer sicher, weil wir Neuland betreten. Allerdings, andere Länder erkundigen sich bei uns schon sehr intensiv nach dem Projekt. Vor allem sind natürlich die kommunalen Verbände höchst interessiert.

Betroffen sind beim Land jährlich 25 000 Forderungen mit einem Gesamtvolumen von ca. 5 Millionen €. Dazu kommen rund 75 000 Altfälle aus den vergangenen drei Jahren in Höhe von über 15 Millionen €. Wir werden schauen, dass wir möglichst weitgehend eine reine Erfolgsprovision vereinbaren, sodass wir die Möglichkeit haben, netto wirklich zu Ein

nahmen zu kommen, die wir sonst ganz einfach nicht hätten, zu echten Mehreinnahmen, die, wenn man zurückhaltend schätzt, bei über 2 Millionen € liegen und bei großzügigerer Schätzung bis zu 6 Millionen € jeweils für die Dauer des Pilotprojekts betragen können. Das ist natürlich schon ein erheblicher Betrag – der noch dazu auf diesem relativ engen Feld des Pilotprojekts erzielt wird. Es geht dabei ja „nur“ um die niedergeschlagenen, also die schon ausgebuchten Forderungen der Justiz, sowie um die PKH-Rückforderungen. Allein die Justiz hat natürlich wesentlich mehr Forderungen. Es geht um einen bestimmten Ausschnitt, und da werden wir es ausprobieren und nach einigen Jahren evaluieren.

Auf einige Punkte ist bereits im Gang der Gesetzgebung hingewiesen worden. Ich möchte nur auf ganz wenige davon eingehen.

Das Gewaltmonopol des Staates wird nicht angetastet. Es handelt sich um eine funktionale Übertragung eines Teils der Aufgaben. Wir bedienen uns praktisch eines Dritten als Partner zur Vorbereitung und Durchführung. Es wird also nirgendwo hoheitliches Tun übertragen. Deswegen ist keine Beleihung notwendig, und deswegen kommen wir auch mit dem Bundesrecht, der Justizbeitreibungsordnung, nicht in Konflikt.

Vollstreckungsaufträge an Gerichtsvollzieher kann nur die Landesoberkasse erteilen; das ist nicht Sache eines Dritten. Wir gehen in der Tat davon aus, dass sich aus dem Pilotprojekt eher noch ein paar zusätzliche Aufträge für die Gerichtsvollzieher ergeben werden.

Selbstverständlich werden wir sicherstellen, dass nur Bewerber zum Zug kommen, die rechtlich einwandfreie Einzugsmethoden anwenden. Sie können sich denken, dass es in unserem eigenen elementaren Interesse liegt, dass „schwarze Schafe“ – wie man diese Personen ja unpassenderweise nennt –

(Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist wirklich unpas- send!)

keine Chance bekommen werden.

Das Projekt ist gut vorbereitet. Nach Inkrafttreten des Gesetzes kann sofort mit der Ausschreibung begonnen werden. Das Ausschreibungsverfahren richtet sich an alle Bewerber, die auf dem Gebiet des Inkasso fachkundig, leistungsfähig und zuverlässig sind, gern auch an große Anwaltskanzleien. Organisatorisch und technisch wird die Ausschreibung vom landeseigenen Logistikzentrum gemanagt.

Ich freue mich, dass wir jetzt loslegen können, und habe Ihre Zustimmung, Herr Oelmayer, erfreut zur Kenntnis genommen. Wenn Sie mich scherzhaft schließen lassen: Es wird niemandem mehr nützen, sich nach Jamaika abzusetzen, weil wir wahrscheinlich gleich mit einer „Jamaika-Mehrheit“ ein Gesetz beschließen werden, das auch bis in diese Regionen hinein noch eine Eintreibung der Forderungen ermöglicht.

(Heiterkeit des Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE)

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Her ren, in der Allgemeinen Aussprache liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen daher in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 14/2896.

Abstimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Stän digen Ausschusses, Drucksache 14/3285. Der Ständige Ausschuss empfiehlt Ihnen, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Ich rufe auf

Artikel 1

Änderung des Landesjustizkostengesetzes

Wer dem Artikel 1 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist Artikel 1 mehrheitlich zugestimmt.

Ich rufe auf

Artikel 2

Änderung der Verordnung über die Bestimmung von Vollstreckungsbehörden nach der Justizbeitreibungs