Protokoll der Sitzung vom 06.11.2008

Aber wir haben noch ein Problem zu lösen, nämlich ein gesellschaftliches Problem: Ich meine das Thema „Nahrung und Bioenergien“. Nur zur Information: 70 % aller landwirtschaft

lichen Produkte, die weltweit erzeugt werden, landen nicht auf dem Teller, sondern als Tiernahrung in den Mägen von Tieren. Ich sage das nur einmal, um die Verhältnismäßigkeit aufzuzeigen.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Zum größten Teil dient das der Fleischproduktion und der Milchproduktion. So ist es kein Wunder, dass Anfang 2008 ein regelrechter Hype auf dem Agrarmarkt entstanden ist, weil einige Länder gleichzeitig ihre Bioenergieziele hochgesetzt haben. So hat z. B. Amerika ein ganz ehrgeiziges Bioprogramm mit hohen Zielen auf den Weg gebracht – Amerika ist mit Abstand der größte Produzent von Bioethanol –, das zu einer Herausnahme von Flächen aus der Produktion von Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Erzeugnissen führte.

Die Reaktion darauf war schrecklich. Es gab Länder, in denen Revolten stattgefunden haben. Ein mexikanischer Landarbeiter ist nicht in der Lage, für seine Tortilla denselben Preis zu zahlen, den wir für Sprit zu bezahlen in der Lage sind. Die Auseinandersetzung darüber muss bei diesem Thema geführt werden. So haben wichtige Länder – China, Russland und andere – ein Exportverbot für Getreide erlassen, weil sie das Getreide für Nahrungsmittel brauchen, ihre Produzenten aber mehr Geld bekommen, wenn sie das Getreide für die Umwandlung in Biosprit einsetzen.

Diese Ausschläge auf dem Bioenergiemarkt dürfen wir nicht so unkontrolliert laufen lassen. Umso wichtiger ist, dass wir ordentlich eingreifen. Die Preissprünge für die Grundnahrungsmittel Weizen und Mais haben ganz enorme Folgen. Sie waren nicht begründet, sondern sie beruhten nur auf der Spekulation, wie sich Nahrungsmittel und Pflanzenangebote in der Zukunft verteilen und wo man den größten Preis dafür erhält.

Damit wird deutlich, dass ein steigender Ölpreis immer auch zu einem steigenden Nahrungsmittelpreis führen wird, wenn hier eine direkte Abhängigkeit geschaffen wird. Ich erinnere an die Diskussion heute Morgen über das Thema „Abhängigkeit von Öl und Gas“.

Die Energiebilanz muss ebenfalls untersucht werden. Wenn Lebensmittel knapp sind, dürfen Bioenergien nicht so eingesetzt werden, dass sie keine hohe Effizienz haben. Ich nenne als Beispiel: Zur Umwandlung von Biomasse in Ethanol oder Biodiesel ist ein großer Einsatz an Energie erforderlich: Man setzt 1 kWh an Energie ein und erhält 1,5 kWh zurück. Das ist äußerst wenig. Hingegen erhält man bei einer Biogasanlage für 1 kWh Energieeinsatz bereits 2,5 kWh Energie zurück.

Wichtig ist, dass wir diese wertvolle Bioenergie keinesfalls mit schlechten Umwandlungswerten, mit niedrigen Energiekoeffizienten verschleudern. Das bedeutet, wir dürfen z. B. auch keine Wärmeverschleuderung machen, wie wir sie bisher aus Großkraftwerken und Kernkraftwerken kennen: 70 % der Energie geht als Wärme in die Luft, und nur 30 % geht in Strom. Das können und dürfen wir uns in der Zukunft bei Bio energie nicht leisten.

Die Input-Output-Verhältnisse von 1 : 1,5 bei Biodiesel und von 1 : 2,5 bei Biogas bedeuten Wirkungsgrade, die unbedingt

technisch verbessert werden müssen. Das Potenzial muss lauten: neben einem hohen technischen Wirkungsgrad auch eine hohe Effizienz an CO2-Einsparung. Wir können es uns bei diesem Umwandlungs- und Transportprozess weltweit nicht leis ten, uns auch noch die CO2-Bilanz verhageln zu lassen. Darum müssen wir uns die Vorteile von Bioenergie wirklich genauer anschauen.

Meine Damen und Herren, im zweiten Teil möchte ich noch auf einige wichtige Forderungen zurückkommen, die in diesem Zusammenhang unbedingt zu stellen sind, wenn Bioenergie die ihr zugedachte wichtige Aufgabe in der zukünftigen Energieversorgung erfüllen soll.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Teufel für die Fraktion der CDU.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Jetzt wird es brillant!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das vergangene Jahr stand ganz im Zeichen des Klimaschutzes. Die Weltklimaberichte der Vereinten Nationen machten deutlich, dass Klimawandel vom Menschen verursacht ist und weltweit gravierende negative Auswirkungen auf Frieden und Wohlstand haben könnte. Klimaschutz und Energieeffizienz sind deshalb Schwerpunktthemen der politischen Arbeit.

Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und der G-8Präsidentschaft im letzten Jahr konnte unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel

(Abg. Christine Rudolf SPD: Angie!)

ambitionierte Klimaschutzziele international vereinbaren. Der Maßstab für die Energiepolitik der Union war und ist das Zieldreieck aus Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit sowie Versorgungssicherheit.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Richtig!)

Deshalb sprechen wir uns für einen breiten Energiemix von den erneuerbaren Energien über Kohle und Öl bis hin zu Kernenergie aus. Die Wirtschaftlichkeit des Energiemixes ist ein entscheidender Standortfaktor für Industrie und Gewerbe.

Während Deutschland 2006 mehr als 70 Milliarden € für den Import fossiler Energieträger aus teilweise politisch instabilen Ländern bezahlen musste, basieren erneuerbare Energien auf heimischen Energieträgern. Die 70 Milliarden € sind weg. Bei den erneuerbaren Energien findet trotz der Differenzkosten von ca. 3,3 Milliarden € die Bruttowertschöpfung im eigenen Land statt.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es!)

Das Land Baden-Württemberg hat sich im aktuellen Energiekonzept 2020 zum Ziel gesetzt, den Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Primärenergieverbrauch des Landes bis zum Jahr 2020 gegenüber heute zu verdoppeln. Eine effiziente Biomassenutzung kann zur Erreichung dieser Zielsetzung einen wichtigen Beitrag leisten. Eine verstärkte Nutzung

der Biomasse trägt außerdem zur Stärkung des ländlichen Raums bei.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf um Ruhe bitten.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Pst!)

Dabei sind Wechselwirkungen zwischen steigender Biomassenachfrage für die energetische Nutzung und Auswirkungen auf die Lebensmittel- und Futtermittelmärkte zu berücksichtigen. Deshalb ist es wichtig, eine ausgewogene Balance zwischen Tank und Tisch im weltweiten Energiehunger anzustreben, und das ist auch alternativlos.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Richtig!)

Die Abschaffung der Verpflichtung zur Stilllegung von landwirtschaftlichen Flächen war überfällig. Diese Flächen schaffen zusätzliches Nutzungspotenzial. Auch bei steigendem Flächenbedarf für Anbaumasse ist importiertes Palmöl ohne Zertifikationssystem nicht akzeptabel. Importiertes Palmöl ohne Zertifikationssystem hat in vielfacher Weise zu unsinnigen und nicht akzeptablen Brandrodungen und Vernichtungen wertvoller Naturräume geführt.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es!)

Diese Verwerfungen und die daraus resultierenden Probleme müssen unverzüglich gestoppt werden. Die CDU-Fraktion fordert deshalb Nachhaltigkeitsstandards für Biomasseimporte aus Drittländern.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Richtig!)

Die CDU-Fraktion setzt sich für die Forschung und die Entwicklung hoch effizienter und nachhaltiger Kraft-WärmeKopplung bei Biomasse ein. Das Förderprogramm „Bioenergiewettbewerb“ des Wirtschaftsministeriums mit der Zielsetzung der Steigerung der Energieeffizienz ist richtungweisend. Die einzelbetriebliche Förderung landwirtschaftlicher Unternehmen durch das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum sowie die Programme „Klimaschutz-Plus“ und „Heizen und Wärmenetze mit regenerativen Energien“ des Umweltministeriums sind ebenfalls wichtige Instrumente zur Förderung der Biomasse.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Im Rahmen des Bioenergiewettbewerbs müssen weiterhin Demonstrationsvorhaben für die KWK insbesondere im Bereich der Nahwärmenetze gefördert werden. Die Effizienz von Bio gasanlagen bei fehlender oder unzureichender lokaler Wärmenutzung ist weiter zu verbessern. Eine Möglichkeit hierfür ist das Einspeisen von Biogas in das Erdgasnetz.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sind wesentliche Unionsvorschläge eingearbeitet worden. Hinsichtlich der Biomasse haben wir neue Förderregelungen für die Nutzung von Gülle bis Gerstesubstrat vorgelegt. Wir wollen mit dem Güllebonus erreichen, dass die betriebseigene Gülle erst durch Biogasanlagen gelenkt wird, um so Methanausgasungen zu vermeiden.

Daneben werden die Bedingungen für den Einsatz effizienter Kraft-Wärme-Kopplung sowie Biogasaufbereitung und -einspeisung verbessert. Das Gas muss dort verstromt werden, wo es Wärmesenken gibt. Das halten wir für einen ausgesprochen zukunftweisenden Weg.

Mit der Novelle des EEG im Juni 2008 wird somit der Ausbau der Biogasproduktion weiter gefördert. Da es keine Ideal energie und keine Wundertechnik gibt, bleibt es unser Ziel, die Energieerzeugung so zu organisieren, dass sie bezahlbar bleibt, das Klima schont und die Beschäftigung nicht gefährdet.

Die CDU-Fraktion setzt sich dafür ein, dass die Energie mit dem Zieldreieck Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit sowie Versorgungssicherheit weiterentwickelt wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut! Gute Rede!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Untersteller für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dass das zwischen den Fraktionen kein sehr strittiges Thema ist. Im Grunde genommen muss man einfach sehen: Beim Ausbau der erneuerbaren Energien spielt die Biomasse aus drei Gründen eine zentrale Rolle.

Erstens: Sie ist ein Alleskönner. Sie können sie bei der Stromnutzung, bei der Wärmenutzung und für die Herstellung von Treibstoffen einsetzen.

Zweitens: Sie ist grundlastfähig.

Drittens: Biomasse hat eine ganze Reihe von Ausgangsstoffen, angefangen bei Reststoffen, organischen Abfällen bis hin zu den diversen Energiepflanzen.

Nicht zuletzt dank dieser Pluspunkte spielt die Biomasse auch zukünftig für uns bei der Reduzierung der Klimagase eine ganz zentrale Rolle. In Baden-Württemberg haben wir heute einen Anteil der erneuerbaren Energien von etwa 3 bis 3,5 % am Primärenergieverbrauch. Ich denke, das Ziel, den Anteil bis zum Jahr 2020 auf 10 % zu erhöhen, ist in Ordnung.

Trotz dieser Pluspunkte – das ist ja verschiedentlich schon angesprochen worden – sind gerade im letzten Jahr eine Reihe von Problemen in die Diskussion gebracht worden und ist mittlerweile zum Teil auch sehr massive Kritik an der Biomassenutzung – der Kollege Teufel hat es zum Teil schon angesprochen – formuliert worden. Ich erinnere einmal an Vorwürfe wie „Volle Tanks und leere Teller“ oder „Sprit sauber, Regenwald tot“. Ich denke, diese Vorwürfe darf man auf keinen Fall ignorieren. Wir als Politiker sind gefordert, hierauf zu reagieren.

Fakt ist nun einmal, dass die begrenzte Ressource Ackerboden der Biomassenutzung Grenzen setzt. Fakt ist auch, dass wir aufgrund dieser Grenzen in der Gefahr stehen, dass der Nahrungsmittelanbau verdrängt werden kann. Fakt ist auch, dass dadurch die Situation entstehen kann, dass die Nahrungs