In einer Ganztagsschule kommt es erst einmal darauf an, genügend Lehrerinnen und Lehrer zu haben. Man muss sich von dem Glauben verabschieden, das könne man mit Ehrenamtlichen machen. Das Kultusministerium könnte doch auch einmal Ehrenamtliche als Politikbegleiter einstellen. Das wäre vielleicht ein Vorschlag, der sinniger wäre, als zu glauben, man könne damit Ganztagsschulen betreiben.
Es ist entscheidend, das zu tun. Nur im Zusammenhang mit einem rhythmisierten Unterricht und individuellem Lernen kommen wir zu Schulbauten, die zukunftsfähig sind. Auch da muss man also in den Wandel investieren.
Beispiel 4: Gesundheitsversorgung im demografischen Wandel. Im demografischen Wandel steigt die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen beständig. Letzte Woche war in der Presse zu lesen, dass sich unter allen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg auf den größten Zuwachs an Patienten einstellen müssen. Allein die Zahl der Krankenhausfälle wird um 14 % zunehmen.
Wir müssen beginnen, die Themen Wirtschaft und Soziales zusammen zu denken. Das sind eben nicht nur Kosten, sondern es geht auch um Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Mancher reibt sich vielleicht noch die Augen, aber die Gesundheitsbranche ist der Wachstumsmotor Nummer 1.
Die Zahl der Arbeitsplätze im Gesundheitsbereich hat von 2000 bis 2006 um 11 % zugenommen. Wir begrüßen, dass die Landesregierung hierfür Mittel bereitstellen will. Allerdings kann das nicht nach dem Gießkannenprinzip gehen, sondern nur mit klaren Kriterien bezüglich der Zukunftsfähigkeit der Häuser.
Auch bei der Pflege müssen wir zu einer sozialen Infrastruktur kommen, die sensibel auf den demografischen Wandel reagiert: zu neuen Wohnformen und neuen Wohngruppen, wie sie das neue Pflegekonzept beinhaltet. Auch hier dürfen wir nicht einfach in die alten Heimstrukturen investieren. Auch das heißt, richtig in den Wandel zu investieren.
Mit diesen vier Beispielen will ich sagen: Man kann auch ohne Geld viel erreichen. Die Reformschritte richtig zu denken muss Priorität haben. Erst wenn man das tut, ist es auch wichtig, dann mehr Geld in die Hand zu nehmen.
Ich sagen nochmals: Keine pauschalen Konjunkturprogram me! Das haben jetzt die meisten begriffen, außer den Linken und der FDP.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Was? Wie bitte? Konjunkturprogramme? – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)
Dann noch nach dem vorhin vom Kollegen Mappus Gesagten – Sie haben richtig gehört, Herr Noll –: Auch Steuersenkungen sind nichts anderes als pauschale und unspezifische Konjunkturprogramme. Sie haben mit einer Investition in den Wandel überhaupt nichts zu tun, und sie sind natürlich noch unwirksamer als die bizarren Vorschläge, Konsumgutscheine auszugeben. Natürlich kann man Steuern senken, aber mit Krisenbewältigung hat das nichts zu tun.
Als wir in Berlin an der Regierung waren, haben wir das gemacht. Das Ergebnis – die „Süddeutsche Zeitung“ hat es geschrieben – war:
Die Zahl der Haushalte mit einem Steuersatz über 40 % ist stark gesunken. Die Zahl der Haushalte mit einem Steuersatz unter 20 % ist stark gestiegen.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Warum habt ihr es dann gemacht? – Zurufe der Abg. Stefan Mappus CDU und Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)
Was Sie über die kalte Progression gesagt haben, Herr Mappus, das war nun wirklich populistisch. Bei der kalten Progression muss man, wenn man in einen höheren Steuersatz hineinfällt – das ist ein Grenzsteuersatz –, für den Euro, der dazukommt, den höheren Steuersatz bezahlen. Das hat nichts mit dem Gesamtdurchschnitt des Steuersatzes zu tun, den der Einzelne bezahlt. Deshalb sind es Märchen zu behaupten, man nehme mehr ein und habe dann weniger in der Tasche als vorher. Das ist absurd und populistisch.
Ich sage Ihnen, Herr Noll und Herr Kollege Mappus: Wenn wir mehr Geld hätten, um Steuern zu senken, ohne das auf Pump zu machen, dann würden wir etwas ganz anderes machen, nämlich die Arbeit entlasten und die Abgaben der Arbeit senken. Dafür haben wir ein sehr gutes Modell, nämlich unser Progressivmodell. Das heißt, ein Arbeitnehmer mit einem Bruttomonatsverdienst unter 2 000 € würde dann im Verhältnis weniger Sozialabgaben bezahlen, also bei 1 000 € die halben Sätze usw. Das schafft neue Beschäftigungsmöglichkeiten, und zwar so, dass die Menschen von der Arbeit leben können. Das brächte für alle, die sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, mehr Netto vom Brutto, und zwar für die Richtigen, für die Bezieher unterer Einkommen. Das ist das richtige Modell.
Ihre Steuersenkungsprogramme betreffen überhaupt nur die obere Hälfte, die untere Hälfte bezahlt gar keine Einkommensteuer.
Bei den Abgaben haben wir eine kalte Degression. Diejenigen, die die Bemessungsgrenze erreichen, müssen nicht mehr zahlen. Darüber reden Sie offensichtlich nicht, darüber höre ich keinen Aufschrei.
Herr Kollege Kretschmann, könnten Sie unter Umständen bestätigen, dass der Spitzensteuersatz vor 20 Jahren beim Zwanzigfachen des Durchschnittseinkommens einsetzte und heute bereits bei dem 1,4Fachen des Durchschnittseinkommens der Spitzensteuersatz einsetzt? Und können Sie bestätigen, dass genau das im Zuge der kalten Progression noch vehement zunehmen wird?
Ich habe an der kalten Progression nur Ihre Darstellung kritisiert, nämlich dass Sie so tun, als ob jeder Euro, der dazukommt, dazu führt, dass man voll mit dem Einkommen in den höheren Steuersatz kommt. Das ist einfach nicht der Fall.
(Abg. Stefan Mappus CDU: Das stimmt doch nicht! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Aber trotzdem zahlt man mehr Steuern!)
Was die Entwicklung der Steuern betrifft, habe ich Ihnen gerade gesagt, dass nach der Steuerreform, die wir gemacht haben, weniger über 40 % und mehr unter 20 % Steuern bezahlen. Das ist nicht das größte Problem, das wir haben.
Also in den Wandel investieren. Bündnispartner Kommunen: Wie wollen wir da investieren? Vier Bereiche: Klima, Weiterbildung, Gesundheitswirtschaft und „Ausbau der Ganztagsschulen“.
Erstens – dazu habe ich schon ausgeführt –: Nicht „Weiter so!“ beim Schulbau, sondern da muss sich etwas grundlegend ändern. Wie wir heute in der „Stuttgarter Zeitung“ lesen können, plant die Bürgermeisterin Eisenmann, die bekanntlich ein Mitglied der CDU ist, ein Modell für eine sechsjährige Grundschule. Der Wandel beginnt auch in der CDU. Ich hoffe, dass Sie ihm auch bald folgen werden.
Zweitens: Förderung der Gesundheitswirtschaft. Auch dazu habe ich schon Ausführungen gemacht. Es ist wichtig, im Bereich der Krankenhäuser und neuen Formen der Pflege in den demografischen Wandel zu investieren.
Drittens: die Förderung für die energetische Sanierung von kommunalen Gebäuden. Es war bisher immer so, dass das „Klimaschutz-Plus“-Programm – ein gutes Programm für die Kommunen – schon nach dem ersten Halbjahr abgeräumt war. So kann man natürlich keine verlässliche Politik machen. Wir müssen das Programm so ausgestalten, dass tatsächlich jede
Kommune, die dort Programmmittel abrufen will, diese Gel der auch bekommt. Damit tun wir etwas für den Klimaschutz und für die Kommunen.
Viertens wollen wir mehr in das Flächenrecycling, in die Beseitigung von Altlasten investieren. Warum? Auch das fließt in den Wandel ein. Schluss mit der Zersiedlung der Landschaft und wieder zurück in die Städte. Das ist nicht nur wichtig, um weniger Fläche zu verbrauchen, sondern auch um die Städte wieder lebensnaher zu gestalten, damit dort Leben stattfindet.
Deswegen sollte mehr in die Altlastensanierung investiert werden. Dann kann auch dort der Wandel fortschreiten.
Ich sage Ihnen jetzt noch etwas zur Finanzierung. In der Fraktion festgelegt haben wir die Finanzierung von bis zu 335 Millionen € aus Landesmitteln für die Kommunen für drei Jahre. Sie haben ja Rücklagen im Haushalt gebildet. In dieser Situation macht es keinen Sinn, Rücklagen ohne Prüfung auf der hohen Kante zu behalten. Deswegen wollen wir Teile dieser Rücklagen in Anspruch nehmen, allerdings nicht alle, auch nicht die Rücklage für Steuermindereinnahmen, die die SPD in Anspruch nehmen möchte. Letzteres halten wir nicht für nachhaltig.
Anders ist es jedoch bei der Rücklage für Stuttgart 21 – was Sie jetzt Baden-Württemberg 21 nennen. Diese Rücklage von 345 Millionen € wollen wir auf die ganze Legislaturperiode verteilen. Wenn wir diese Rücklage in den Kommunalen Investitionsfonds geben, gibt das wirklich mehr für kommunale Investitionen. Dann hat tatsächlich ganz Baden-Württemberg etwas davon, und dann ist es wirklich ein Projekt, das den Namen „Baden-Württemberg 21“ verdient.
Die zweite Rücklage, durch die das Land viel tun kann, ist der Verzicht auf die Schuldentilgung. Da besteht Konsens, dass diese Mittel jetzt eingesetzt werden – Stichworte Landesgebäude und Klimaschutz. Selbst der Rechnungshof, der sich ja erst einmal fiskalisch um unsere Probleme kümmert, hat schon vor geraumer Zeit gesagt, wir müssten dafür Sondermittel einsetzen, weil sich die Investitionen durch energetische Einsparungen refinanzierten. Da ist bei den Landesgebäuden bisher viel zu wenig gemacht worden. Es ist aus ökologischer wie aus fiskalischer Sicht richtig, in diesem Bereich mit den Mitteln aus der Rücklage mehr zu tun.
Drittens: Der Sanierungsstau bei den Hochschulen geht auf 4 Milliarden € zu. Da zu investieren heißt, in Köpfe zu inves tieren. Das sagen wir schon seit vier Jahren und nicht erst jetzt in der Krise.
Ein weiterer Punkt: Bildungspotenziale von Migranten aktivieren. Der von der Industrie- und Handelskammer herausgegebene Branchenatlas ermittelt einen Fachkräftemangel in Ba