Wir stimmen heute deshalb nicht zu, meine Damen und Herren, weil Sie von CDU und FDP/DVP die über Jahrzehnte hinweg gepflegte Gemeinsamkeit bei der Festlegung der Abgeordnetenentschädigung mit der von Ihnen erzwungenen Gesetzesänderung im zurückliegenden Jahr verlassen haben, weil Sie alle Bemühungen unsererseits und vieler anderer Gruppierungen hier im Hause, den Ansatz der Diäten, der Unkostenpauschalen und vor allem – Sie haben es auch angesprochen, Herr Kollege – der Abgeordnetenaltersversorgung nach vielen Zusagen Ihrerseits – auch im Wahlkampf wurden hierzu Aussagen gemacht; Fraktionsvorsitzendenrunden haben hierzu stattgefunden – neu zu regeln, ich will nicht sagen „torpediert haben“, aber weil Sie letztendlich auf der Zielgeraden bei dieser Diskussion vor einer Entscheidung ausgestiegen sind.
Sie haben mit dieser Gesetzesänderung neue Fakten geschaffen, und mit dem heute vorliegenden Antrag versuchen Sie wieder, neue Fakten zu schaffen, kurz bevor wir zu einer umfassenden Reform kommen könnten.
Von den neuen Gesprächen, die in den zurückliegenden Tagen und Wochen wiederholt angekündigt wurden, von den neuen Verhandlungsrunden, die zu einer umfassenden Reform geführt werden müssen, erwarten wir – das will ich an dieser Stelle schon unterstreichen –, dass wir zu einem schnellen und vor allem zu einem guten Ergebnis kommen. Denn – ich glaube, da sind wir uns wirklich einig – ein erneutes Scheitern können wir uns gemeinsam – obwohl Sie die Verantwortung dafür zu tragen haben, dass wir bislang zu keiner einvernehmlichen Regelung gekommen sind – im Interesse der Reputation dieses Hauses und in unserem eigenen Interesse gewiss nicht mehr leisten.
Was wir jetzt aber auch nicht mehr machen sollten, meine Damen und Herren, auch nicht im Zusammenhang mit der heutigen Entscheidung, ist – ich will es wirklich so hart formulieren –, jedem dümmlichen Argument, das hierzu angeführt wird, Rechnung zu tragen, wie etwa dem Argument der Jugendorganisation der FDP, die zum Beispiel in den letzten Tagen die Sitzungshäufigkeit des Landtags als Argument verwendet hat und im Zusammenhang mit der geplanten Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung von „Unanständigkeit“ gesprochen hat. Denn zumindest für unsere Fraktion gilt, dass unsere Abgeordneten auch außerhalb der Plenartage etwas arbeiten, Sitzungstermine wahrnehmen, Aufgaben als Abgeordnete wahrnehmen und im Wahlkreis unterwegs sind.
Meine Damen und Herren, wenn wir dann gemeinsam eine grundsätzliche Parlamentsreform gemeistert haben werden – davon gehe ich einfach aus –, aus der sich dann auch eine Reform des Rechts der Abgeordneten ableitet – mitsamt ihrer materiellen Versorgung in der aktiven Zeit, aber auch für den Ruhestand –, wenn wir eine sachgerechte Inkompatibilitätsregelung im Gesetz stehen haben, dann – das sichere ich zu – sind auch wir wieder bereit, mit Ihnen gemeinsam die Verantwortung für Abgeordnetenentschädigungen zu tragen und meinetwegen auch Prügel einzustecken. Für die heute anstehende Entscheidung jedenfalls können Sie wegen der von mir genannten Gründe und Argumente nicht mit unserer Unterstützung rechnen.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Mappus hat gestern in seiner Rede angekündigt, dass die Parlamentsarbeit und die Arbeit an der Parlamentsreform künftig gemeinsam angegangen werden sollen. Heute liegt ein Antrag der beiden Regierungsfraktionen vor, mit dem sie im Alleingang die Erhöhung der Abgeordnetenentschädigungen betreiben.
Es ist ja schon so: Uns ist ja im Vorfeld angeboten worden, auch als Antragsteller darunter zu stehen. Aber das lief eher nach der Methode „Friss, Vogel, oder stirb. Seid dabei oder halt nicht.“ Diesem Verfahren konnten wir nicht beitreten. Wir glauben auch, dass gemeinsame Arbeit und gemeinsames interfraktionelles Vorgehen etwas anderes ist. Deswegen liegt heute nur ein Antrag der Regierungsfraktionen vor.
Bis zum letzten Jahr war es – das ist ja soeben schon einmal angesprochen worden – gute Tradition in diesem Haus, dass wir alle Fragen, die das Selbstverständnis dieses Parlaments betreffen, gemeinsam angehen, und darin eingeschlossen war natürlich auch die Frage der Abgeordnetenentschädigung, die auch von der Öffentlichkeit hoch emotional und sehr sensibel begleitet wird.
Wir als Fraktion GRÜNE stehen zu dieser Tradition. Wir wollen mit Ihnen im ganzen Haus zusammen daran weiter arbeiten, und wir wollen zu konstruktiven Lösungen kommen. Aber wir müssen schon einmal daran erinnern, dass nicht wir es waren, die aus dieser Tradition ausgestiegen sind, sondern dass Sie das im letzten Jahr waren, als Sie mit dem bayerischen Modell Fakten geschaffen haben –
zu einem Zeitpunkt, Kollege Mappus, als die Ergebnisse der eingesetzten Diätenkommission noch nicht einmal vorlagen. Zu einem Zeitpunkt, als die Debatte über die Bruttodiäten noch nicht einmal aufgenommen war, sind Sie mit dem Gesetzesvorhaben gekommen und haben das bayerische Modell hier eingeführt.
Sie haben immer wieder als Einwand gebracht: „Macht doch nichts; die Debatte um die Bruttodiäten ist das eine, und die Debatte um die Höhe der Diäten ist das andere.“ Ich glaube, das ist falsch. Das eine gehört zu dem anderen, und das eine macht ohne das andere auch keinen Sinn.
Kollege Mappus, ich werde Ihnen das gleich noch erläutern. – Ich kann heute nicht auf die Details eingehen, die man für oder gegen dieses bayerische Modell vorbringen kann; das ist auch nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Es gibt gut begründete Einwände gegen einen solchen Scheinautomatismus, der da etabliert wird, aber eines ist sicher festzuhalten: Wenn man eine automatische Diätenerhöhung und Erhöhung der Pauschalen ohne eine Diätenreform, also ohne mehr Transparenz, ohne ein Abschmelzen der Altersversorgung, ohne eine Gleichstellung der Versteuerung unserer Einnahmen mit den Einnahmen des Restes der Öffentlichkeit und der Bürger installiert, dann untergräbt man die Akzeptanz eines solchen Modells. Wir halten das für völlig inakzeptabel.
Die Kernfrage, um die es dabei geht – das ist vom Kollegen der CDU auch richtig angesprochen worden –, ist vom Bundesverfassungsgericht schon im Jahr 1975 aufgeworfen worden. Wir sind als Landtag und als Parlamentarier der Souverän. Wir müssen selber über unsere Abgeordnetenbezüge entscheiden und müssen dies – das sagt das Bundesverfassungsgericht explizit – vor den Augen der Öffentlichkeit tun,
sei es auch noch so unangenehm. Das ist die Verpflichtung, die uns das Bundesverfassungsgericht auferlegt hat. Da nützt auch keine Regelung, die versucht, ein bisschen weniger Öffentlichkeit und weniger öffentliche Debatte darüber zu veranstalten. Das nützt alles nichts. Das ist unser Auftrag, und den müssen wir erfüllen.
Ich glaube auch nicht, dass das Argument stimmt, die Öffentlichkeit maule ja eh immer herum, egal, wie wir es machen, ob wir viel oder wenig oder gar nicht erhöhen, immer seien sie da am Stänkern. Es lohnt sich wirklich, nach Nordrhein-Westfalen zu schauen. Dort hat sich gezeigt, dass die Öffentlichkeit und auch die schärfsten Kritiker der Debatte – der Bund der Steuerzahler – daran mitgewirkt haben, die Bruttodiät durchzusetzen, auch mit der bekannten Höhe: 9 500 €. Das ist auch in Nordrhein-Westfalen kein Kinkerlitzchen. Das hat die Öffentlichkeit mitgetragen. Bis hin zur „Bild“-Zeitung haben sie dieses Modell mit unterstützt. Deswegen glaube ich nicht, dass die Öffentlichkeit bei uns empfindlich ist, weil es um zu viel Geld geht, sondern die Öffentlichkeit fordert völlig legitim ein, dass wir uns ernsthaft um mehr Transparenz kümmern,
dass wir uns ernsthaft daranmachen, die zu hohe Altersversorgung abzuschmelzen, und dass wir ernsthaft für mehr Gleichbehandlung in steuerlicher Hinsicht sorgen. Das ist
Noch einmal ein Argument zu Ihnen, Herr Kollege Mappus: Warum ist der Zeitpunkt so wichtig? Warum wollen wir heute nicht über die Anpassung der Diäten entscheiden? Es gibt eigentlich nichts Unpassenderes als den heutigen Tag: Heute wird im Bundestag in Berlin über die Reduzierung der Pendlerpauschale entschieden.
Das ist ein harter Einschnitt. Heute wird in Berlin die Pendlerpauschale für den normalen Bürger reduziert, und Sie gehen heute am gleichen Tag hier her
und sagen: Wir haben einen Anspruch auf eine Erhöhung von 3,9 % bei der Reisekostenpauschale. Das ist extrem instinktlos, und das muss geradezu den Ärger der Öffentlichkeit provozieren.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Das sind ja zwei verschie- dene Seiten! – Abg. Stefan Mappus CDU: Sie wis- sen doch ganz genau: Das ist Populismus zum Qua- drat!)
Ich sage Ihnen jetzt einmal etwas zum Thema Populismus, Herr Mappus: Populismus ist, wenn man dem Volk nach dem Maul redet und die Stammtische bedient.
(Abg. Stefan Mappus CDU: Genau das machen Sie doch gerade! – Unruhe – Zuruf des Abg. Boris Pal- mer GRÜNE)
Ich sage Ihnen: Sie bedienen die Stammtische, wenn Sie geradezu das Klischee vom Politiker bedienen, der zu Beginn einer Legislaturperiode nichts Eiligeres zu tun hat, als sich die Diäten zu erhöhen.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Lachen des Abg. Stefan Mappus CDU – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Was machen Sie mit dem Geld?)
Unsere Devise ist: Kein frisches Geld ins alte System! Wir machen es wie bei unseren anderen Reformbaustellen: Wir reformieren zuerst das Modell, dann kann auch frisches Geld dazukommen. Da sind wir dabei. Aber ohne Diätenreform
(Abg. Stefan Mappus CDU: Reden wir einmal über Mitarbeiter! Vor allem auch bei den Grünen! – Un- ruhe)
(Heiterkeit – Zuruf von der CDU: Aber schnell! – Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP meldet sich zu einer Zwischenfrage.)
Eine ganz einfache Frage: Werden die Mitglieder Ihrer Fraktion und Sie dann die erhöhten Diäten, falls Sie heute die Abstimmung nicht gewinnen, annehmen?