(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP – Abg. Karl Zimmermann CDU: Das Gefängnis ist doch nicht privatisiert!)
Das ist eine Grundsatzfrage. Da bin ich mit dem Kollegen Zimmermann gar nicht so weit auseinander. Er hat im Grunde dieselbe Skepsis, was auch für ihn spricht.
(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Bei der Te- lekom-Privatisierung haben Sie das damals auch so gesagt und haben dann die Erlöse aus der Versteige- rung der UMTS-Lizenzen eingenommen!)
Noch einmal zur Erläuterung: Das, was im Strafvollzug passiert ist, ist Eingriffsverwaltung in massivster Form. Das ist auch gut so; denn die Leute, die im Gefängnis sitzen, sitzen zu Recht dort und sollen diesen Eingriff auch spüren.
Es besteht eben ein hohes Risiko, dass in diesem besonderen Gewaltenverhältnis etwas schiefläuft und es tatsächlich auch Eingriffe und Sanktionen außerhalb des Hoheitsbereichs gibt,
wenn 40 % der Beschäftigten private Wachleute sind, die zu einem erheblich schlechteren Lohn beschäftigt sind, und in den Bereichen Essen, Küche und Arbeit die Gefangenen mehr Zeit mit solchen privat angestellten Leuten verbringen als mit den vom Grundgesetz her allein verpflichteten Beamten. Deswegen machen wir uns grundsätzlich Sorgen.
Herr Dr. Wetzel, Sie haben es letztlich auf den Punkt gebracht. Sie haben ja zugegeben, dass Sie gar nicht das Bedürfnis haben, dass der Strafvollzug besser wird.
Ihnen genügt es, wenn er billiger wird. Jetzt kommt aber meine Sorge: Wenn er billiger wird, wird er nur deswegen billiger, weil das Personal schlechter bezahlt wird.
Wenn aber das Personal schlechter bezahlt wird, dann hat das erhebliche Auswirkungen auf die Motivation im Vergleich zu den staatlich Angestellten, zu den Beamten. Dann ist die Gefahr da, dass es auch noch schlechter wird, obwohl es womöglich nicht billiger wird.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Nach dieser Theorie hätte es nie eine Bankenkrise geben dürfen! – Heiter- keit des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das ist gut! Nach dieser Theorie hätte es nie eine Bankenkrise geben dürfen!)
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Beim Antrag Drucksache 14/2556 handelt es sich um einen reinen Berichtsantrag, der durch die Aussprache erledigt ist. – Sie stimmen dem zu.
Ministeriums für Arbeit und Soziales – Situation alleinerziehender Eltern in Baden-Württemberg – Drucksache 14/2565
Ministeriums für Arbeit und Soziales – Kinderarmut in Baden-Württemberg und die Notwendigkeit einer landesspezifischen Armuts- und Reichtumsberichterstattung – Drucksache 14/2851
Ministeriums für Arbeit und Soziales – Einkommenssituation von Familien in Baden-Württemberg – Drucksache 14/2872 (geänderte Fassung)
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu a bis c je fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Zur Begründung des Antrags Drucksache 14/2565 darf ich Frau Abg. Lösch von der Fraktion GRÜNE das Wort erteilen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sowohl Studien als auch der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung haben gezeigt, dass Alleinerziehende und deren Kinder in überdurchschnittlich hohem Maß von Armut betroffen oder bedroht sind. Die Armutsrisikoquote bei Alleinerziehenden ist innerhalb von fünf Jahren auf 13,5 % gestiegen. Unter allen Haushalten mit Kindern haben Einelternfamilien mit 35,4 % ein dreimal so hohes Risiko, in Armut zu geraten, wie Paare.
In Baden-Württemberg hat sich laut Daten der Familienforschung der Anteil Alleinerziehender im Zeitraum von 1997 bis 2006 von 15,3 % auf über 18 % erhöht. Fast 50 000 Haushalte von Alleinerziehenden erhalten nach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit in Baden-Württemberg Leistungen nach dem SGB II. Dies entspricht einem Anteil von 21,7 % aller Bedarfsgemeinschaften.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das zeigt, dass alleinerziehende Eltern überproportional von Armut betroffen sind und dass die Situation von Alleinerziehenden und deren Kindern eine weitreichende Strategie und auch ein Maßnahmenpaket der Landesregierung erfordern, um diese Armut zu verhindern bzw. zu bekämpfen.
Kinder von Alleinerziehenden sind nicht nur häufiger arm, sondern sie bleiben es auch über längere Zeiträume. Ihre Chance, der Armut zu entkommen, liegt deutlich niedriger als bei allen anderen untersuchten Bevölkerungsgruppen. Dadurch haben sie von Anfang an weniger Chancen auf gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe und Bildung als andere Kinder, was sich in der Realität dadurch zeigt, dass sie z. B. nicht an Klassenfahrten und Freizeiten teilnehmen können und sich oftmals auch kein Schulessen leisten können.
Armut bedeutet aber nicht nur Mangel an Geld, sondern das Risiko liegt auch in der Entbehrung von Zuwendung und Anregung, in der Lethargie, Überforderung und Hilflosigkeit der Eltern. Chancengleichheit von Anfang an gibt es deshalb für diese Kinder nicht.
Arme Kinder sind ein Armutszeugnis für unser Land, besonders für ein Land, das sich gern „Kinderland“ Baden-Würt temberg nennt.
Frau Sozialministerin, das sehen wir genauso. Da sind wir uns einig. Deshalb erwarten wir von der Landesregierung eine Strategie und ein Maßnahmenpaket, das Kinderarmut bekämpft, aber auch Kinderarmut verhindert.
Ganz klar dabei ist, liebe Kolleginnen und Kollegen: Kinder und Familien brauchen beides: Sie brauchen Geld sowie Betreuung und Bildung. Deshalb fordern wir die Landesregierung erneut auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass es eine dem tatsächlichen Bedarf und der Entwicklung eines
Kindes angemessene Berechnung der Kinderregelsätze gibt. Wir brauchen nicht nur eine Erhöhung dieser Kinderregelsätze. Vielmehr muss auch die Berechnung der Regelsätze anders erfolgen. Statt einer Ableitung vom Eckregelsatz eines Erwachsenen muss besonders der Entwicklungsbedarf von Kindern angemessen berücksichtigt werden. Die Kinderregelsätze müssen endlich neu berechnet und angehoben werden. Das muss noch in dieser Legislaturperiode auf Bundesebene erreicht werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die häufigste Ursache für Einkommensarmut ist Arbeitslosigkeit. Aber selbst mit einer Erwerbsarbeit kann Einkommensarmut nicht grundsätzlich verhindert werden. Auch im reichen Baden-Württemberg gibt es eine Zunahme von Einkommensarmut bei Erwerbsarbeit. Grund dafür sind zwei Faktoren: zum einen die Zunahme von Teilzeitarbeit, vor allem bei Frauen, und zum anderen das Vorhandensein von Kindern.
Nach Angabe der Familienforschung Baden-Württemberg waren im Jahr 2006 von insgesamt 18 800 Alleinerziehenden mit Kindern unter drei Jahren ca. 7 500 erwerbstätig. Das sind fast 40 % aller Alleinerziehenden mit Kindern unter drei Jahren. Damit Alleinerziehende einer für sie existenzsichernden Erwerbsarbeit nachgehen können, ist eine zuverlässige Kinderbetreuung das A und O. Da hinkt Baden-Württemberg mit seiner Betreuungsquote von ca. 13,7 % dem Bedarf einfach noch immer erheblich hinterher.
Hinzu kommt, dass Ganztagskindergärten Mangelware sind und auch die Hortbetreuung von Schulkindern nicht ausreicht, um die Bedürfnisse erwerbstätiger Eltern abzudecken.
Insgesamt gibt es in Baden-Württemberg nach wie vor ein strukturelles Defizit bei der Kinderbetreuung, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erheblich erschwert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, Sie sind einfach sehr spät auf einem unglaublich niedrigen Level gestartet. Deshalb müssen Sie jetzt Gas geben und auf die Überholspur wechseln. Sonst werden wir in Baden-Würt temberg in Sachen Kinderbetreuung bundesweit abgehängt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. The- resia Bauer GRÜNE – Abg. Stephan Braun SPD: Sind wir doch schon! – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Na!)
Gerade für Kinder aus armen Familien ist es aus unserer Sicht elementar, dass sie von Beginn an alle Betreuungs- und Bildungsangebote wahrnehmen können. Denn materielle Armut darf nicht Bildungsarmut bedeuten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Baden-Württemberg kann es sich nicht leisten, auch nur ein Kind zurückzulassen.
Lassen Sie mich abschließend noch etwas zur Notwendigkeit eines Armuts- und Reichtumsberichts sagen. Wir stimmen der Forderung nach einem landesspezifischen Armuts- und Reichtumsbericht pro Legislaturperiode zu, da zum einen, wie es in den Stellungnahmen zu den Anträgen der CDU wie der SPD zu lesen ist, die Ergebnisse des Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung nicht uneingeschränkt auf BadenWürttemberg übertragbar sind und zum anderen die Landes
regierung bestätigt, dass es regional differenzierter Heran gehensweisen zur Bekämpfung von Armut, insbesondere bei Kindern, bedarf. Die Berichterstattung der Familienforschungsstelle ist dabei sehr hilfreich. Sie ersetzt aber das Ins trument eines Armuts- und Reichtumsberichts nicht, sondern ist notwendige Voraussetzung. Denn ohne entsprechendes Datenmaterial ist kein Bericht zu erstellen.
Aber ein Reichtums- und Armutsbericht ist nicht nur eine reine Datensammlung, sondern auch ein Bericht über die besonderen Lebenslagen von Kindern und Familien und daher auch ein Bericht, in dem Konsequenzen enthalten sind. Wir brauchen nicht nur die Datensammlung und die Situationsbeschreibung, sondern vor allem politische Konsequenzen, wie wir Kinder- und Familienarmut in Baden-Württemberg verhindern und bekämpfen können.
Daher fordere ich die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen auf, zum einen die Datensammlung der Familienforschungsstelle heranzuziehen – es ist gut und richtig, dass diese in einem zweijährigen Turnus erstellt wird – und zum anderen unsere Forderung zu unterstützen, einmal pro Legislaturperiode einen Armuts- und Reichtumsbericht vorzulegen, der mit entsprechenden politischen Konsequenzen ausgestattet ist, über die wir dann hier im Plenum diskutieren können.