Protokoll der Sitzung vom 26.07.2006

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielleicht versuchen Sie deshalb zu stören. Denn es war ja Ihre Initiative für diese Bundesratsinitiative. Aber die eigentliche Frage, die sich uns stellt, liebe Kolleginnen und Kollegen: Was treibt eigentlich die CDU in diesem Haus, diesen Quatsch mitzumachen?

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Mack.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Jetzt erklär mal! Quatschmacher sind das! – Unruhe bei der SPD)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es gut, dass diese Debatte über die Bundesratsinitiative der Landesregierung zur Veränderung des Mietrechts stattfindet,

(Abg. Norbert Zeller SPD: Wir auch!)

weil man bei dieser Debatte einige Dinge klarstellen kann, die bisher offensichtlich übersehen worden sind.

Worum geht es? Wir wollen durch diese Änderung des Mietrechts erreichen, dass wieder mehr Wohnungen vermietet werden. Es gibt auch in Baden-Württemberg sehr viele Wohnungen, die deshalb leer stehen, weil der Vermieter sagt: „Ich vermiete nicht mehr. Mir ist das Ganze einfach zu schwierig und zu undurchsichtig, was da im Mietrecht abgeht.“

(Widerspruch des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Ge- nau so ist es! Es ist realitätsfern, wenn Sie das nicht sehen! – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Das ist ja lächerlich!)

Das Zweite ist: Wir wollen, dass wieder mehr Mietwohnungen gebaut werden und dass Bauherren sagen: „Jawohl, ich wage es, eine Mietwohnung zu bauen und sie einem Mieter zur Verfügung zu stellen.“ Dadurch bekommen wir auch in Baden-Württemberg mehr Wohnungen, und in der Folge haben wir ein niedrigeres Mietniveau. Damit bleiben die Mieten in Baden-Württemberg bezahlbar.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Das Mietrecht ist dann gut, wenn es den Mieter – oft den kleinen Mann – vor unzumutbaren Belastungen und vor der Willkür eines Vermieters schützt. Aber ein Mietrecht ist dann schlecht, wenn der Vermieter oder der Bauherr sagt: „Ich habe jegliche Motivation verloren.“ Dann kommt der Markt ins Ungleichgewicht. Deswegen ist das, was Sie, Herr Schmiedel, aufgeführt haben, reiner Theaterdonner. Es geht nicht darum, dass das Mietrecht aus seinen Grundan

geln gehoben wird. Es geht um drei kleine Änderungen, die aus Sicht des Mieters marginal sind,

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

die aber für die Motivation eines Vermieters ganz entscheidend sein können,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: So etwas nennt man „schönschwätzen“! – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Sie sind weit weg von den Menschen!)

weil er sieht, dass die derzeitige eindeutige Benachteiligung des Vermieters abgebaut wird.

Worum geht es im Einzelnen? Erstens geht es um die Kappungsgrenze. Herr Schmiedel, Sie haben nämlich weggelassen, dass ein Vermieter gar nicht über die örtliche Vergleichsmiete hinausgehen kann. Die örtliche Vergleichsmiete ist die Obergrenze für Mieterhöhungen. Eine Mieterhöhung ist stets nur unterhalb der örtlichen Vergleichsmiete zulässig. Um diesen Bereich geht es.

Stellen wir jetzt einmal zwei Fälle nebeneinander: Ich bin Vermieter einer Wohnung. Es kommt ein Hartz-IV-Empfänger, und es kommt – was weiß ich – ein Familienvater mit zwei Kindern, ein Busfahrer, dessen Frau einen 400-€Job hat. Wenn ich Vermieter bin und rein ökonomisch denke, dann nehme ich den Hartz-IV-Empfänger; denn dann bekomme ich die örtliche marktübliche Miete, also die absolute Obergrenze. Wenn ich als Vermieter aber sage: „Ich bin einer, der dieser Familie helfen will. Denen biete ich eine Miete an, die sich vielleicht nicht am oberen Ende orientiert“, und renoviere dann im Laufe der Mietzeit und denke, dann müsste ich die Miete um 20 oder 30 % anheben – aber noch immer unter der örtlichen Vergleichsmiete –, dann bin ich als Vermieter bestraft, weil ich mich darauf eingelassen habe,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist ja eine tolle Konstruktion! Die gibt es ja in der Realität gar nicht!)

ein faires Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter zu finden.

(Zurufe von der CDU: So ist es!)

Nur darum geht es bei diesen möglichen 20 oder 30 % Mieterhöhung. Es geht überhaupt nicht um die Höchstmiete.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Kennen Sie jemanden, der jemanden kennt, der das macht? – Vereinzelt Heiterkeit)

Das Zweite ist die Schonfrist. Worum geht es bei der Schonfrist? Es ist so: Wenn der Mieter nicht zahlt, dann ist nach zwei Monaten die fristlose Kündigung möglich. Dann, nach zwei Monaten, kann ich eine Räumungsklage einreichen – in Wirklichkeit reicht aber kein Vermieter nach zwei Monaten eine Räumungsklage ein, sondern vielleicht nach vier oder fünf Monaten –, und erst wenn die Räumungsklage eingereicht ist, beginnt die Schonfrist zu laufen. Dann hat der Mieter nach derzeitiger Rechtslage noch einmal

zwei Monate Zeit, um seine Miete zu bezahlen und seine Mietschulden zu begleichen.

Sie wissen, warum die rot-grüne Bundesregierung nach eigener Begründung damals diese Zweimonatsfrist eingeführt hat: weil argumentiert wurde – so ist es im Kommentar nachzulesen –, dass die Sozialbehörden nicht in der Lage seien, die Mietschulden innerhalb eines Monats zu begleichen, dass sie das verwaltungstechnisch nicht hinbekommen würden. Das war also keine Mieterschutzvorschrift, sondern das war eine Vorschrift, die faulen, nachlässigen, langsamen Sozialbehörden entgegenkommen sollte.

(Widerspruch bei der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist aber Ihre Argumentation, nicht unse- re!)

Aber wenn es eine Sozialbehörde nicht schafft, innerhalb von einem Monat einen Mietrückstand auszugleichen, kann man doch nicht das Ganze auf den Vermieter verlagern, sodass dieser noch einmal auf eine Monatsmiete verzichten muss.

(Beifall bei der CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr gut! Und die ganze Finanzierung noch platzt!)

Schließlich zur beantragten einheitlichen Kündigungsfrist von drei Monaten für Mieter und Vermieter: Wie sieht es denn in der Praxis aus? Als Vermieter kann ich überhaupt nur dann ordentlich kündigen, wenn ich einen nahen Verwandten in meine Eigentumswohnung oder in mein Haus nehmen will. Nur dann! Derzeit muss ich der Tante in einem solchen Fall sagen: „Du musst aber neun Monate lang warten, bis du bei mir einziehen kannst.“ Dann wird sie im Regelfall sagen: „Neun Monate lang kann ich nicht warten.“ Deswegen haben wir gesagt: Da muss es wieder zu gleichwertigen Fristen kommen, und drei Monate sind angemessen.

Es geht uns darum, einen guten Kündigungsschutz zu haben, um den Mieter zu schützen, aber es geht uns auch darum, die Vermieter zu motivieren, um dadurch einen ausgeglichenen Wohnungsmarkt zu erhalten und damit zu möglichst bezahlbaren Mieten zu kommen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Sehr gut! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr guter Mann! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Frau Merkel hätte jetzt nicht geklatscht!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitzmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Justizminister hat eine lange Liste vorgelegt, die belegen soll, welch hehre Ziele er mit dieser Reform des Mietrechts verbindet: privaten Wohnungsbau stärken, die Bautätigkeit beleben sowie der Bauwirtschaft und dem Arbeitsmarkt wichtige Impulse geben. Herr Kollege Mack hat diese Liste gerade noch verlängert; er will nämlich auch Leerstände abbauen und den kleinen Mann – leider nur den Mann und nicht die Frau – vor Willkür schützen,

(Oh-Rufe von der CDU – Zuruf von der CDU: Po- lemik! – Abg. Winfried Mack CDU: Das mit der kleinen Frau haben Sie gesagt!)

und das alles mit, wie Sie gesagt haben, drei kleinen Änderungen. Da passen Ziel und Instrumentarium einfach überhaupt nicht zusammen. Insofern ist das reine Symbolpolitik, mit der Sie keines Ihrer Ziele erreichen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Zudem sind wir nicht damit einverstanden, am Mietrecht, das 2001 verabschiedet worden ist und das, wie es Herr Kollege Schmiedel zitiert hat, auch von der Bundeskanzlerin als angemessen bewertet wird, etwas zu ändern. In Ihrer Presseerklärung haben Sie gesagt, dass es insbesondere in Ballungszentren Probleme gibt, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Deshalb ist das, was Sie hier vorschlagen, absolut kontraproduktiv, und wir können in keiner Weise nachvollziehen, warum Sie diesen Vorschlag einbringen.

(Beifall bei den Grünen)

Jetzt haben Sie ein paar Beispiele angeführt, Herr Mack, die ich einigermaßen abstrus finde. Tatsache beim Thema Kündigungsschutz ist, dass es bis zur Mietrechtsreform im Jahr 2001 – also unter Schwarz-Gelb – bis zu zwei Jahre dauern konnte, bis ein Vermieter fristgerecht kündigen konnte. Rot-Grün hat damals erkannt, dass sich die Lebensbedingungen tatsächlich verändert haben – die Menschen ziehen häufiger um –, und hat deswegen diese Kündigungsfristen verkürzt und flexibilisiert. Jetzt gelten drei Monate für beide Seiten, und erst bei einer Vertragsdauer, die länger als fünf Jahre währt, erhöht sich die Kündigungsfrist beim Vermieter zunächst auf sechs Monate und nach insgesamt acht Jahren gerade einmal auf neun Monate. Das halte ich durchaus für angemessen und richtig.

Zudem hat jeder Vermieter die Möglichkeit, einen befristeten Mietvertrag abzuschließen. Es gibt auch Gründe, außerordentlich oder ordentlich zu kündigen. Insofern ist es absoluter Quatsch, an dieser Stellschraube zu drehen. Das bringt überhaupt nichts.

Der zweite Punkt ist die Kappungsgrenze. Ein Vermieter darf derzeit innerhalb von drei Jahren die Miete um 20 % erhöhen. Aber das Problem sind derzeit die Bruttomieten, und die sind in den letzten Jahren durch die steigenden Nebenkosten, durch die Kosten für Strom, Gas, Öl massiv gestiegen. Die Energiepreise insgesamt sind gestiegen. Deshalb sind tatsächlich die Bruttomieten das Problem und nicht die Kaltmieten. Da wäre es wichtig, etwas zu tun, statt die Kappungsgrenzen zu verändern.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Da hat Rot-Grün genug getan, um die Kosten in die Höhe zu treiben!)

Der dritte Punkt ist das Thema Schonfrist. Es ist tatsächlich ein Problem, wenn Mietzahlungen ausbleiben. Welche Möglichkeiten haben Vermieter in einem solchen Fall, tätig zu werden? Das Problem ist nicht diese Schonfrist. Ich finde es fatal, dass Sie den Sozialbehörden Faulheit, Langsamkeit und Trägheit – das war es, glaube ich – vorwerfen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Unglaublich! – Abg. Andreas Hoffmann CDU: Das hat er doch gar nicht gesagt!)

Das Problem liegt doch darin, dass die folgenden Gerichtsverfahren mehrere Jahre dauern und es deshalb sehr schwierig ist, Konsequenzen zu ziehen, wenn keine Miete bezahlt wird. Daran wird die von Ihnen vorgeschlagene Verkürzung der Schonfrist von zwei Monaten auf einen Monat überhaupt nichts ändern. Deswegen lehnen wir Ihre Vorschläge ab. Sie sind reine Symbolpolitik. Sie sind aussichtslos, sie machen für die Mieter einiges schlechter und für die Vermieter wenig besser. Ihre Ziele werden Sie damit nicht erreichen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Nikolaos Sa- kellariou SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Rülke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Natürlich müssen wir dieses Problem auch vom Wirtschaftlichen her betrachten. Bei mir war vor einigen Wochen ein Bürger aus meinem Wahlkreis, der in Pforzheim ein größeres Mietobjekt betreibt, übrigens kein Großkapitalist, keine Heuschrecke, sondern ein ganz normaler Mann,

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Heuschre- cken sehen nicht wie Menschen aus! – Gegenruf von der CDU: Die Grünen sollten da aber vorsich- tig sein!)