Protokoll der Sitzung vom 30.07.2009

Wenn jemand so handelt, dann wundere ich mich schon, dass er sich dann noch hier hinstellen und sagen kann: „Wir wollen in Zukunft die Windkraft in Baden-Württemberg stärker fördern.“ Die Möglichkeit, stärker in die Regionalpläne einzugreifen, hatten Sie auch schon in der Vergangenheit.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: So ist es!)

Ich wundere mich schon, warum Sie erst jetzt, Jahre nachdem überall im Land die Regionalpläne erstellt wurden, nachdem die restriktive Genehmigungspraxis umgesetzt wurde, kommen und sagen: „Na ja, da ist manches schiefgelaufen; da muss man in Zukunft ein bisschen genauer hinschauen, auch was die Ausweisung der Standorte für Vorranggebiete betrifft.“ Das hätten Sie schon in den letzten Jahren machen können.

Noch ein Allerletztes, Herr Kollege Nemeth, nämlich zwei Zahlen, die Sie bitte auch einmal zur Kenntnis nehmen sollten: In der Windkraftbranche in Deutschland werden heute weltweit über 20 Milliarden € umgesetzt, und es gibt dort über 90 000 Arbeitsplätze. Die gesamte Kernenergiebranche in Deutschland samt aller damit verbundenen Institute umfasst derzeit noch 30 000 Arbeitsplätze.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Dafür haben Sie ja gesorgt! Arbeitsplatzvernichter!)

Das eine ist Zukunft, das andere ist Vergangenheit.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Nemeth.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Herr Untersteller hat die Fliege mitgenommen!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fliege ist weg. Sie haben sie mitgenommen, Herr Untersteller.

Ich denke, es ist, nachdem die Grünen diese Debatte beantragt haben, korrekt und richtig, dass man sich mit ihnen auch besonders beschäftigt.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Aber nicht nur mit billiger Polemik!)

Deswegen habe ich einmal im Wahlprogramm der Grünen nachgelesen, was diese Partei denn zur Windkraft und zu den erneuerbaren Energien in Deutschland zu sagen hat. Dabei handelt es sich um ein 200-seitiges Papier. Es ist etwas sperrig, aber ich möchte trotzdem daraus zitieren.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Schön, dass Sie es gelesen haben! – Gegenruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Von vorn bis hinten!)

Interessiert es Sie? Sie selbst haben es ja hoffentlich gelesen. Ich lese eine Passsage für den Rest von uns trotzdem vor:

Damit der Wind aus dem Norden und die Sonne aus dem Süden die Haushalte im ganzen Land erreichen, ist es notwendig, unsere Stromnetze zu erneuern und intelligenter zu machen.

So weit, so gut. Aber haben Sie es vernommen? „Der Wind aus dem Norden und die Sonne aus dem Süden.“ Das ist genau das, was wir machen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Was? Seit wann sind Sie denn für Solarenergie?)

Die Grünen in Berlin haben es kapiert, aber Sie noch nicht. Wir in Baden-Württemberg sind führend bei Wasserkraft und auch bei Fotovoltaik und haben diese Techniken umgesetzt. Die Grünen in Berlin haben es kapiert, Sie nicht.

Worum es geht, ist auch in den Reden deutlich geworden: Es geht um Effizienz; es geht um den sinnvollen Einsatz unserer Ressourcen. Wir in Baden-Württemberg sind mit unserem Energiemix deswegen stark, weil wir unsere Stärken nutzen. Diese Stärken liegen eben in allererster Linie bei der Wasserkraft. Deswegen, glaube ich, ist unser Weg richtig. Wir wollen diesen Weg des maßvollen Ausbaus der Windkraft – die wir nicht unterschätzen, auch nicht in ihrer Bedeutung für den Exportmarkt – weitergehen, und zwar mit Maß und Ziel; das sagen wir im Energiekonzept. Wir setzen deshalb auch auf einen klugen, intelligenten Energiemix.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Was Sie mit Ihrer Energiepolitik dagegen veranstalten, ist eher Energiemurks.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Knapp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte vorab einmal bei dem einsteigen, was hier als „Energiemix der Zukunft“ bezeichnet wird. Ich will etwas weiter ausholen und Folgendes auch für diejenigen erklären, die vielleicht nicht so genau Bescheid wissen: In Baden-Württemberg beträgt der Anteil der in Kernkraftwerken erzeugten Primärenergie 50 %, der Anteil der Energie aus fossilen Energieträgern 30 %, und der Anteil der erneuerbaren Energien soll bis 2020 20 % betragen. Die Bundesregierung hat als Ziel vorgegeben – dieses Ziel hatten in den letzten zwei Jahren auch alle anderen –, den Anteil der erneuerbaren Energien auf einen Wert oberhalb von 30, 35 oder sogar 40 % zu steigern.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Nur, die Bundesregierung gibt lauter Ziele vor, die sie hinter- her nicht umsetzt!)

Wir wissen auch, dass wir das nicht auf einen Prozentpunkt mehr oder weniger genau regeln können. Aber man muss doch einmal ein Ziel vorgeben!

Herr Wirtschaftsminister, Sie haben vorhin im Grunde den Offenbarungseid geleistet. Sie haben etwa behauptet, Sie wollten in Bezug auf die 20 % überall erhöhen. Sie wollen bei der Windenergie neu justieren, Sie wollen flexibilisieren, Sie wollen Vorranggebiete neu überprüfen, Sie wollen Neuausweisungen von Vorranggebieten zulassen. Ihre beiden Mitarbeiter aus dem Ministerium sind zusammengezuckt, als Sie das eine oder andere ansprachen; offensichtlich weiß man noch nicht ganz genau, wie das alles umgesetzt werden soll. Tatsache ist doch, dass Sie bisher immer die Möglichkeit gehabt hätten, einzugreifen und einzuschreiten. Sie haben es nicht gemacht.

Ich sage Ihnen etwas zur Wirtschaftspolitik. Völlig richtig ist, wenn Sie sagen, dass die Bereiche Maschinenbau und Elektrotechnik bei der Windenergie stark beteiligt sind. Das ist völlig klar. Sie stellen die Teile her, die man oben in der Gondel braucht. Man braucht aber auch die Rotorblätter. Auf dem „Windenergietag“ war eine Firma vertreten, die von 180 Arbeitskräften 120 ausschließlich im Bereich der Ausschäumung der Rotorblätter – es geht um das Füllmaterial der Rotorblätter – beschäftigt und damit 60 bis 70 % ihres Umsatzes erzielt. Glauben Sie denn, dass das große Gerät Rotorblatt mit 45 m, 50 m oder 55 m Länge zukünftig noch immer in Baden-Würt temberg gefertigt wird, wenn fast alles, was hier gefertigt wird, abfließt? Die Firmen müssen sich irgendwann überlegen: Wo ist mein Heimatmarkt? Wo ist meine Zukunft? Wo sind meine Chancen?

Beim Maschinenbau und bei der Elektrotechnik ist es etwas anderes. Wir sind nämlich nicht nur beim Aufbau von Maschinen stark, wir sind nicht nur in der Elektrotechnik, in der Entwicklung oder in der Produktion von Maschinen stark, sondern wir haben auch eine starke Industrie, die die Maschinen und die Elektrotechnik einsetzt, die wir produzieren. Deswegen sind wir so stark. Bei der Windenergie wird dies im Grunde nicht gemacht. Das wird blockiert. Wir werden Sie heute nicht überzeugen können, Kollege Nemeth. Sie werden nach wie vor das gleiche Lied vom Energiemix singen – das aber mit der Zukunft nichts zu tun hat.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Aber wir überzeugen Sie vielleicht!)

Ich will einen Satz zur Kernenergie sagen. Sie sprechen von 100 neuen Kernkraftwerken. Wir haben weltweit ungefähr 400 Kraftwerke am Netz. Letztes Jahr sind es nicht etwa mehr, sondern sogar sechs Kernkraftwerke weniger geworden. Schauen Sie sich die konkrete Situation an. Wenn in 20 bis 30 Jahren tatsächlich 100 neue Kernkraftwerke gebaut werden sollten, gehen in der gleichen Zeit 200 Kraftwerke vom Netz, weil sie dann nämlich so alt sind, dass sie nicht mehr tragbar sind. Da von Zukunft zu sprechen ist völlig daneben.

Sie verkennen, wo die Stärke Baden-Württembergs liegt. Wir müssen unseren Firmen die Chance geben, hier Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten. Die Firmen brauchen hier Chancen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Paul Ne- meth CDU: In jeder Branche! Genau! Da sind wir uns einig!)

Das Wort erhält Herr Abg. Ehret.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nirgendwo lässt sich der Beweis, dass Ökologie und Ökonomie verbunden werden können, ja aus meiner Sicht verbunden werden müssen, besser erbringen als im Bereich der erneuerbaren Energien. Dies gilt vor allem auch für die Windenergie. Wir wollen – das haben auch der Wirtschaftsminister und der Kollege Dr. Rülke sehr deutlich gesagt –, dass die Windenergie in Zukunft einen deutlich größeren Beitrag zur Energieversorgung und auch zum Klimaschutz leistet.

Herr Untersteller, Sie wissen ja, dass wir miteinander auf dem Podium saßen. Ich war für die Fraktion der FDP/DVP auf dem ersten „Windbranchentag“, und ich habe das hier auch sehr deutlich vorgetragen. Dr. Bullinger und ich haben dort sehr viele Gespräche mit Vertretern der Windbranche, nicht nur von Firmen aus Baden-Württemberg, sondern auch solchen, die Zulieferer aus Baden-Württemberg haben, geführt. Diese Gespräche waren auch der Ausgangspunkt für meinen Antrag zur wirtschaftlichen Bedeutung der Windenergie. Für mich ist ganz klar: Die Windenergie ist ein sehr wichtiger Wirtschaftszweig. Sie hat in Baden-Württemberg und weltweit ein großes Wertschöpfungspotenzial.

(Abg. Wolfgang Stehmer SPD: Warum handeln Sie dann nicht danach?)

Die Windenergiewirtschaft ist vor allem eine Mittelstandswirtschaft. Die Zahlen sind genannt worden. Für mich ist auch sehr wichtig: Wer Windenergieanlagen nach Deutschland, also über Baden-Württemberg hinaus, und in die Welt exportieren will, muss deren Einsatz auch im eigenen Land vorleben.

(Beifall bei der FDP/DVP, der SPD und den Grünen – Zuruf von der SPD: Das ist doch klar!)

Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, jetzt aber sehr deutlich sagen: Nachdem wir unsere Podiumsdiskussion beendet hatten, hat der Wirtschaftsminister eine sehr gute Rede gehalten.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Er hat genau das gesagt, was in der Pressemitteilung gestanden ist!)

Er hat dafür – das haben Sie jetzt nicht erwähnt – von sämtlichen Branchenvertretern sehr viel Applaus erhalten.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Seine Ideen sind nicht nur hinsichtlich des Themas „Erweiterung von Vorranggebieten“ gut angekommen. Sehr gut angekommen ist auch, dass der Wirtschaftsminister und das Wirtschaftsministerium einige Regionalverbände, die ihre Aufgaben noch nicht erledigt haben,

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Neckar-Alb beispiels- weise!)

sehr deutlich ermahnt haben. Ich finde es richtig, dass auch einmal sehr deutlich gesagt worden ist: Ihr müsst das auch bringen.

Ich halte es auch für sehr gut, dass der Wirtschaftsminister – ich denke, da müssen wir alle ihn unterstützen – angeboten hat, sich nach der Sommerpause mit den neu gewählten Mitgliedern der Regionalverbände und den Experten zusammenzusetzen, um über die Problematik bezüglich Ausweitung oder Vergrößerung der Vorranggebiete zu sprechen. Ich sehe hier die größte Chance.

Ich möchte Erfahrungen aus dem eigenen Regionalverband einbringen. Ich habe im Jahr 2006, als das Kapitel „Wind energie im Regionalverband Südlicher Oberrhein“ kurz vor dem Kippen stand, den Vorschlag gemacht, den Plan jetzt herauszugeben – da haben dann auch die SPD und die Grünen mitgemacht –, aber mit dem Vorschlag, mit der Prämisse, nach drei Jahren ein Monitoring durchzuführen, weil auch ich selbst noch nicht von allen Standorten oder Vorranggebieten überzeugt war. Den Investoren und den Kommunen sollte aber einmal die Möglichkeit gegeben werden, sich auf die Gebiete „draufzusetzen“ und vielleicht auch eigene Gutachter zu nehmen, um die Windhöffigkeit bestätigen zu lassen oder Vorschläge für Ersatzstandorte zu bringen. Das ist dann auch einstimmig durchgegangen.