Protokoll der Sitzung vom 07.10.2009

Ich nenne ein Beispiel. Wir haben 37 Bereichsausschüsse mit 37 Kreisvorsitzenden, mit 37 Kreisgeschäftsführern. Alle gehören zu einer einzigen Hilfsorganisation.

(Zuruf des Abg. Jörg Döpper CDU)

Hier sitzen Kollegen, die dieser Hilfsorganisation an prominenter Stelle auch angehören.

(Beifall des Abg. Jörg Döpper CDU – Zuruf der Abg. Katrin Altpeter SPD)

Das heißt, Sie haben unglaublich viele kleinteilige Strukturen, und Sie haben – das ist ganz besonders bedeutsam – Einsatzgrenzen. Das bedeutet: Gerade in der ländlichen Struktur, wo es z. B. nicht überall wohnortnahe Krankenhäuser gibt, kann es durchaus sein, dass die Bereichsgrenzen so verlaufen, dass ein Einsatzwagen nur bis zu der einen Grenze und eben nicht bis zu der anderen Grenze fahren kann.

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Wilfried Klenk: Völ- lig falsch!)

Sie müssen erst kommunizieren, und das dauert auf jeden Fall deutlich länger.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Das ist nicht Rea- lität, Frau Mielich! – Gegenruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Lassen Sie die Kollegin doch einmal ausreden!)

Ich sage jetzt einmal: Es gibt eine Lösung. Die Krankenkassen haben ein Gutachten in Auftrag gegeben. Es beinhaltet das deutliche Ergebnis, dass es sinnvoll ist, pro Regierungsbezirk zwei oder drei Leitstellen einzurichten. Das würde bedeuten: Wir brauchen nicht 36 oder 37 Bereichsausschüsse. Vielmehr brauchten wir nur zwei oder drei Leitstellen pro Regierungsbezirk. Wir könnten dadurch ein effektives System installieren; wir könnten es auch professionalisieren. Das würde weiter bedeuten, dass wir die wohnortnahe Versorgung insgesamt deutlich sicherstellen können.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU)

Das ist der eine Punkt, den wir deutlich kritisieren. Diesbezüglich werden wir in der Ausschusssitzung auch entsprechend intervenieren.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Früher wart ihr auch immer für dezentrale Lösungen!)

Das Nächste – das ist mir ein riesengroßes Anliegen – ist das Thema Qualitätssicherung. Es ist nicht gelungen, den ärztlichen Leiter Rettungsdienst zu installieren. Es wäre wichtig gewesen, eine Qualitätskontrolle einzusetzen, um auch die Arbeit der Rettungsdienste zu kontrollieren. Wenn jeder Schornstein in diesem Land qualitätsgeprüft und qualitätsgesichert ist, aber der Einsatz eines Rettungsdienstes nicht, dann ist das, finde ich, ein völlig falscher Schwerpunkt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Das stimmt nicht, Frau Mie- lich! – Zuruf des Abg. Wilfried Klenk CDU)

Es muss deutlich gemacht werden, dass wir stärker auf Transparenz und auf Qualitätskontrolle setzen müssen. Das ist zurzeit nicht der Fall.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Das ist falsch!)

Da werden wir nachbessern. Wir werden diese Diskussion im Ausschuss noch einmal führen. Wenn Sie mir jetzt sagen, was alles nicht stimmt, dann lassen Sie uns darüber ausführlich diskutieren und auch gute Vorschläge übernehmen.

Schönen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Sehr gut, Bärbl! – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Für die FDP/DVP-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Fünf Minuten können kurz sein, und 15 Minuten können verdammt lang sein, wenn ein Unfall geschieht, jemand einen Herzinfarkt erleidet oder sonst etwas passiert. Wer einmal erlebt hat, nachdem er den Notarzt rufen musste, wie langsam die Sekunden verrinnen und dass man das Eintreffen nicht erwarten kann, der weiß – das hat der Kollege Lasotta, glaube ich, richtig gesagt –, dass das Land aufgerufen ist, dort, wo es originär zuständig ist – im Rettungsdienst –, dafür zu sorgen, dass bei allen Schwierigkeiten das Menschenmögliche getan wird, damit in dieser existenziellen Notlage, die über Sein oder Nichtsein entscheidet, die notwendigen Hilfsmaßnahmen getroffen werden.

Mit Verlaub, lieber Kollege Lasotta, wir beide haben uns da, glaube ich, schon Verdienste erworben. Ich habe eigentlich nicht verstanden, dass man fünf Jahre lang offensichtlich nicht gemerkt hat, dass in der Mehrzahl der Rettungsdienstbereiche die gesetzlich vorgegebene Hilfsfrist von 15 Minuten nicht eingehalten wurde.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Sehr richtig!)

Zu diesem Thema gab es eine Kleine Anfrage von mir. Dann kam Ihr Antrag. Schon das hat dazu geführt – das finde ich richtig –, dass sich das Bewusstsein bei denen, die das zu regeln haben, etwas geändert hat. Man hat schnell zusätzliche Einsatzwagen und zusätzliches Personal zur Verfügung gestellt, und das war gut so.

Aber es gibt wie immer weiteren Entwicklungsbedarf. Wenn man in die Historie dieser Novellierung schaut, erinnert man sich, dass einmal geplant war, in einem Einzelfall, weil sich ein Krankenhaus nicht bereit erklärte, am Rettungsdienst teilzunehmen, eine kleine gesetzliche Änderung zu machen. Ich bin sehr dankbar, dass wir uns darauf einigen konnten, im Rahmen dieser Novellierung nicht nur diesen einen Punkt zu regeln, der die Krankenhäuser betrifft, sondern mehrere. Die Ministerin hat alles angesprochen; ich will jetzt nur einzelne Punkte herausgreifen.

Die Bereichsausschüsse sind kein Verwaltungsorgan, sondern eine Selbstverwaltungseinrichtung, die natürlich keine Verwaltungsakte erlassen kann, niemanden verpflichten kann. Deswegen haben wir in das Gesetz geschrieben, dass bezüglich der Beteiligung von Krankenhäusern die Beteiligung quasi als Verwaltungsakt eingefordert werden kann. Für einen Liberalen ist es zunächst einmal nicht zwingend, jemanden zu verpflichten. Deswegen haben wir großen Wert darauf gelegt – auch da bedanke ich mich beim Ministerium –, dass mit den

Beteiligten zusammen eine Lösung gefunden wird. Das ist die Ultima Ratio, wenn es anders nicht geht. Wir setzen natürlich nach wie vor darauf, dass man sich einvernehmlich – und zwar, Frau Mielich, über Bereichsgrenzen hinweg – einigt, wer an der Versorgung teilnimmt.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: So, genau!)

Der Herr Staatssekretär weiß das. Es ist nämlich nicht so, dass dazwischen eine tote Zone ist, wo nichts passiert.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Daran ändert sich durch das Gesetz doch gar nichts!)

Man kann sehr wohl über die Grenzen hinweg eine Vereinbarung treffen.

Geplant war – das sage ich einfach so – die Trägervielfalt. Es ist gesagt worden: Es sind große, aber auch kleinere Organisationen am Rettungsdienst beteiligt.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Aber nachrangig!)

Im ursprünglichen Entwurf sollte dieser Verwaltungsakt auch für die Bestimmung der Teilnehmenden am Rettungsdienst vorgesehen werden. Ich bin sehr dankbar, dass diese Passage entfernt wurde. Es soll in bewährter Manier in Trägervielfalt in den Bereichsausschüssen beraten werden, wer an diesen Rettungsdienstaufgaben teilnimmt.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Es gibt gar keine Trä- gervielfalt!)

Was uns auch wichtig war – Kollege Lasotta hat das ebenfalls betont –: Wenn wir schon eine Pflicht auferlegen, dann waren und sind wir es den Krankenhäusern natürlich schuldig, per Gesetz die Krankenkassen als Kostenträger zu zwingen, diese Vorhaltekosten – übrigens einschließlich Fortbildung usw. – zu refinanzieren. Nun haben wir von Praktikern vor Ort gehört, dass es immer streitig ist: Was genau sind die Kosten? Deswegen begrüße ich es sehr – das ist bisher noch nicht gesagt worden –, dass die Schiedsstellenregelung im Gesetz steht. Übrigens haben mir Betroffene erzählt, diese Schiedsstellenverfahren seien teilweise dazu genutzt worden, um alles ein halbes Jahr oder länger zu verzögern. Nun wurde sogar eine Frist von höchstens zwei Monaten für die Entscheidung vorgesehen.

Ich glaube also, dass wir guten Gewissens sagen können: Wir konnten auf die Frage der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses insofern unter der Prämisse verzichten, dass alles finanziert wird, was durch die Einstellung und Ausbildung eines Notarztes an Kosten aufläuft. Daher ist, glaube ich, die verpflichtende Teilnahme der Krankenhäuser an der Notfallrettung durchaus eine richtige Maßnahme, weil sie diejenigen, die wir verpflichten, nicht im Regen stehen lässt.

Am Rande eines Gesprächs, an dem auch Frau Mielich, Frau Haußmann, Herr Dr. Lasotta und andere teilgenommen haben, sagten uns niedergelassene Ärzte übrigens – uns ist schon klar, dass die Krankenhäuser sozusagen das Rückgrat sind –: Wir niedergelassene Ärzte werden überhaupt nicht gefragt. Vielleicht könnte man an der einen oder anderen Stelle die Bemühungen doch noch einmal etwas intensivieren, Notärzte auch im Bereich der niedergelassenen Ärzte zu gewinnen.

Zusätzlich ist gekommen – auch auf unsere nachdrückliche Bitte hin –, dass die Integrierten Leitstellen und die von der EU vorgegebene einheitliche Notrufnummer 112 verpflichtend werden. Dagegen haben sich viele lange gesträubt. Ich bin dankbar, dass dies jetzt gelungen ist. Das gilt auch für die Fortbildungspflicht.

Zum Thema Qualitätssicherung noch eine Anmerkung: Überall wird ein internes Qualitätsmanagement durchgeführt. Ich glaube, dass man jetzt nicht von oberster Stelle aus mit Kontrollpflichten drohen muss.

Dazu, dass die Beobachtung der Entwicklung im Rettungsdienst Aufgabe des Bereichsausschusses wird, stehe ich. Denn – jetzt komme ich wieder zum Anfang meiner Rede; das ist offensichtlich, bevor wir beide hier einmal nachgefragt haben, niemandem aufgefallen – die Entwicklung im Rettungsdienst verlief hier eher negativ, und die Hilfsfristen haben sich verlängert. Dem bauen wir mit dieser Beobachtungsaufgabe jetzt ein Stück weit vor.

Ein kleiner Ausblick: Das Rettungsdienstgesetz wird uns in der Tat noch weiter beschäftigen. Denn wenn man in andere Länder schaut, erkennt man, dass wir, mit Verlaub, an der einen oder anderen Stelle, was die technischen Möglichkeiten angeht, noch Entwicklungsland sind. Deswegen rate ich uns mit Blick auf das, was uns die EU vorgibt – – Darüber denken viele noch nicht nach. Wir müssen künftig für alle Sprachen, die in der EU gesprochen werden, jemanden am Notruftelefon haben. Da gibt es zwar noch eine Frist, aber wir müssen es machen. Dafür, wie man so etwas organisieren kann, gibt es gute Beispiele in Österreich und in Tschechien.

(Glocke der Präsidentin)

Das Thema wird uns also noch weiter beschäftigen. Aber ich glaube, wir haben jetzt einen guten Schritt gemacht und haben einiges für unsere Bürgerinnen und Bürger in diesem Land deutlich verbessert.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an den Sozialausschuss zu überweisen. – Sie stimmen der Überweisung zu. Es ist so beschlossen.

Damit ist Punkt 7 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf: