Protokoll der Sitzung vom 07.10.2009

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Erstes Gesetz zur Umsetzung der Föderalismusreform und zum Bürokratieabbau im Geschäftsbereich des Minis teriums für Ernährung und Ländlichen Raum – Drucksache 14/5140

Das Präsidium hat eine Aussprache mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt. Zunächst erfolgt eine Begründung des Gesetzentwurfs durch die Regierung.

Das Wort zur Begründung erteile ich Herrn Minister Hauk.

Hochverehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich will heute das Erste Gesetz zur Umsetzung der Föderalismusreform und zum Bürokratieabbau im Geschäftsbereich des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum einbringen. Wir setzen die Föderalismusreform I in den Bereichen Grundstückverkehr, landwirtschaftliches Pachtwesen und ländliches Siedlungswesen um,

und wir regeln mit diesem Artikelgesetz – Herr Kollege Stickelberger, nicht die Augen schließen, sondern erfreut schauen – den landwirtschaftlichen Grundstückverkehr

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Warten wir es ab!)

an der Schweizer Grenze.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Deswegen schließe ich die Augen! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Davor darf man die Augen nicht ver- schließen!)

Ich glaube, Sie sind schon ein bisschen schläfrig. Vermutlich war die gestrige Nacht doch ein bisschen länger.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen mit dem Agrarstrukturverbesserungsgesetz die weiterhin benötigten bundesrechtlichen Instrumente – die Materie unterlag früher Bundesrecht – in das Landesrecht überführen. Wir wollen sie mit den bestehenden landesrechtlichen Durchführungsbestimmungen, die es schon gab, zusammenfassen – damit leisten wir nebenbei noch einen Beitrag zumindest zum Thema Übersichtlichkeit; ich spreche einmal nicht von Entbürokratisierung; das wird die Juristen mehr interessieren als die Praktiker – und dabei auch ein Stück weit aktualisieren.

Um welche Instrumente geht es? Es geht einerseits um die Instrumente der Versagung von Genehmigungen beim landwirtschaftlichen Grundstückverkehr. Für die Waldverkäufe und -ankäufe gilt das Gleiche.

Es geht darum, dass wir Genehmigungen unter Auflagen oder Bedingungen erteilen können. Es geht um die Frage der Beanstandung von Landpachtverträgen, und es geht um die Ausübung des Vorkaufsrechts durch das gemeinnützige Siedlungsunternehmen des Landes, die sogenannte Landsiedlung.

In diesem Zusammenhang, was die Frage der Versagung von Genehmigungen angeht, wollen wir auch dem im Grenzgebiet zur Schweiz bestehenden Problem des Ankaufs bzw. des Anpachtens durch Schweizer Landwirte auf deutschem Boden begegnen, das durch die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entstanden ist und dort inzwischen zu einer erheblichen Gefahr für die Agrarstruktur führt.

Die Zahl der Pachtverträge nimmt seit April dieses Jahres, seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, erheblich zu. Der Ankauf nimmt erheblich zu. Das hängt auch mit wettbewerbsverzerrenden Möglichkeiten – in diesem Fall der Schweizer Landwirte – zusammen, die durch die Gesetzgebung eingegrenzt werden. Schweizer Landwirte können nämlich aufgrund einer anderen, nicht EU-konformen Förderung – weil außerhalb der Europäischen Union liegend – und eines deutlich höheren Absatzpreises für die Produkte, weil auch dort noch gestützt wird,

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

erheblich bessere Preise für landwirtschaftliche Flächen zahlen, sowohl im Ankauf als auch in der Pacht, mit denen deutsche Landwirte letztlich nicht konkurrieren können. Diese Nachfrage nach landwirtschaftlichen Grundstücken nimmt, wie gesagt, zu.

Das Bundesfinanzministerium, das wir angeschrieben haben, hat eine Änderung des Deutsch-Schweizerischen Zollabkom

mens – was auch eine Möglichkeit gewesen wäre, das Problem zu entschärfen – inzwischen abgelehnt.

Durch die Regelung im Agrarstrukturverbesserungsgesetz, wonach „eine agrarstrukturell nachteilige Verteilung von Grund und Boden“ eben auch dann vorliegt, „wenn das veräußerte Grundstück der Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte dient,“ – jetzt wird es interessant – „die außerhalb des Gemeinsamen Marktes zollfrei verbracht werden, und dadurch Wettbewerbsverzerrungen entstehen“ – so der Wortlaut –, soll diesen Wettbewerbsverzerrungen begegnet werden. Es ging um genau diese Wettbewerbsverzerrungen bei Produkten, die eben im Gemeinsamen Markt produziert werden, aber dann außerhalb des Gemeinsamen Marktes verbracht werden.

Wir meinen, dass wir da im Übrigen auch mit der europäischen Rechtsprechung konform sind.

Wir wissen, dass die Europäische Kommission unsere Auffassung hierbei teilt. Insofern bin ich davon überzeugt, wenn es zu einer erneuten Vorlage eines Gerichts beim EuGH käme, hätte unser Gesetz auch dort Bestand.

Die Schweizer müssen sich also in Zukunft in die deutsche Wirtschaft integrieren, damit sie bei der Beurteilung von Landpacht- und -kaufverträgen baden-württembergischen Landwirten gleichgestellt werden. Notwendig ist die Integration und die Vermarktung zumindest eines Teils der Produkte, die sie in ihrem Betrieb erzeugen, in Deutschland, oder sie müssen ihren Betriebssitz nach Deutschland verlegen; auch das ist, zumindest theoretisch, möglich.

Des Weiteren haben wir Änderungen im Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz. Eine der wichtigsten ist eine gewisse Entbürokratisierung bei der Anlage von Weihnachtsbaumkulturen. Hierzu war in der Vergangenheit ein erhebliches behördliches Verfahren notwendig. Zustimmen mussten die untere Landwirtschafts-, die untere Naturschutz-, die untere Forstbehörde und die Gemeinde. Wir wollen es jetzt mit einem Verfahren probieren, nach dem lediglich eine Anzeigepflicht besteht. Wenn sich dann innerhalb einer bestimmten Frist, die auf drei Monate bemessen ist, keine der Behörden meldet und nichts zu beanstanden ist, dann gilt dies als genehmigt. Ich glaube, diese Regelung entspricht einem sehr starken Bedürfnis der Praxis.

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Ein guter Beitrag zur Entbürokratisierung, finde ich.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: So etwas müsste es viel öfter geben!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, dass wir dieses Gesetz im Ausschuss intensiv beraten. Wir sind gegenüber Änderungen pragmatischer Art durchaus aufgeschlossen. Ich bitte Sie aber, dann am Ende auch zuzustimmen, damit wir das gesamte Werk zügig verabschieden können. Es ist nämlich vorgesehen, dass wir im Unterschied zum Rest des Gesetzes den Teil, der den Grundstückverkehr an der Schweizer Grenze betrifft, mit der Verkündung des Gesetzes im Amtsblatt spätestens bereits im November/Dezember in Kraft setzen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Rombach für die CDU-Fraktion.

Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen die durch die Föderalismusreform I in den Bereichen Grundstückverkehr, Pachtwesen und ländliches Siedlungswesen vorgesehenen Maßnahmen sowie die Vorschläge zum Bürokratieabbau, die soeben vom Minister vorgetragen wurden, umgesetzt werden. Weiteres Ziel dieses Gesetzes ist, mehrere bisherige Gesetze und Verordnungen aufzuheben und die Zahl der Einzelnormen auf rund ein Drittel des bisherigen Normenbestands zu reduzieren. Die Vereinheitlichung der bisher im Grundstückverkehrsgesetz und im Landpachtverkehrsgesetz getrennt geregelten Verfahrensvorschriften und ihre Harmonisierung mit dem Verwaltungsverfahrensrecht ist ein weiteres zentrales Anliegen des Gesetzes.

Die agrarstrukturellen Verhältnisse in Baden-Württemberg lassen keinen Verzicht auf die bisher vom Grundstückverkehrsgesetz und vom Landpachtverkehrsgesetz zur Verbesserung der Agrarstruktur zur Verfügung gestellten Instrumente zu. Diese Begründung hat der Minister schon genannt; ich will das nicht wiederholen.

Klar ist aus der Sicht der CDU-Landtagsfraktion: Es muss unser gemeinschaftliches Ziel sein, die Agrarstruktur in BadenWürttemberg weiterhin zu verbessern und insbesondere nachteilige Entwicklungen zu verhindern.

Im Vergleich der Flächenländer weisen wir in Baden-Würt temberg die geringste durchschnittliche Betriebsgröße auf. Von der Einkommenssituation her wäre die Mehrzahl der Betriebe nicht in der Lage, auf einem genehmigungsfreien, das heißt völlig liberalisierten Markt bestehen zu können, weil die Kapitalausstattung in der Regel nicht ausreicht, um den Wettbewerb mit unseren Schweizer Berufskollegen und, wenn ich so sagen darf, mit zahlungskräftigen außerlandwirtschaftlichen Interessenten aus dem Nachbarland für sich zu entscheiden. Daher ist und bleibt die Beibehaltung des Genehmigungsverfahrens – jedenfalls vorerst – unerlässlich, um künftig die Agrarstruktur in Baden-Württemberg zu sichern und zu stärken.

Seit über 30 Jahren und verstärkt insbesondere seit den Neunzigerjahren ist die Agrarstruktur im deutschen Zollgebiet zur Schweiz gravierenden Beeinträchtigungen durch Kauf- und Pachtaktivitäten von Schweizer Landwirten ausgesetzt. Diese Beeinträchtigung wird noch durch das von Herrn Minister Hauk zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. April 2009 verstärkt. Durch die aktuelle Rechtslage entsteht für die dort ansässigen Landwirte ein deutlicher Wettbewerbsnachteil, da die Schweizer in unserem Grenzgebiet die von ihnen erzeugten Produkte zollfrei einführen können.

Ich möchte Ihnen diesen Sachverhalt durch einen Vergleich mit einer sportlichen Disziplin, nämlich dem Hundertmeterlauf, näherbringen: Der Wettbewerb ist dadurch gekennzeichnet, dass die Berufskollegen aus der Schweiz den Berg hinunterlaufen können, während die Deutschen den Berg hinauflaufen müssen; die Uhr läuft jedoch für beide gleich schnell. Meine Damen und Herren, das kann so nicht bleiben.

Ich verweise auch auf eine gemeinschaftliche Presseerklärung, unterzeichnet durch den Schweizer Bauernverband, vertreten

durch seinen Präsidenten, Herrn Walter, und den Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband vom 17. Juni 2009. Dort wurde dieses Thema gemeinschaftlich erkannt und vereinbart, dass es einem Lösungsansatz zugeführt werden soll; das jedenfalls ist die Forderung an die Politik. Wir sind mit dem vorliegenden Gesetzentwurf dabei, dieser Forderung nachzukommen.

Die Notwendigkeit einer nachhaltigen Regelung besteht deshalb unverändert fort. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Grundstückverkehrsgesetzes und des Landpachtverkehrsgesetzes 2005 sowie der darauf folgenden Änderungen des Ausführungsgesetzes des Landes sind Anzahl und Umfang der Veräußerungen und Verpachtungen landwirtschaftlicher Grundstücke an Schweizer Landwirte zwar zurückgegangen; eine ersatzlose Aufhebung des Grundstückverkehrsgesetzes und des Landpachtverkehrsgesetzes würde diesem Instrument aber die rechtliche Grundlage entziehen. Folge wäre deshalb unweigerlich, dass die latent schwelenden Spannungen im Grenzgebiet erneut aufbrechen und den Erfolg der langjährigen Bemühungen um Befriedung des Konflikts wieder zunichtemachen. Aus diesem Grund soll an der Genehmigungspflicht für die Veräußerung landwirtschaftlicher Grundstücke und an der Anzeigepflicht für den Abschluss von Landpachtverträgen festgehalten werden.

Ich komme zum Schluss. Wir, die Landtagsfraktion der CDU, begrüßen ausdrücklich, dass das Land von der durch die Föderalismusreform ermöglichte Gesetzgebungskompetenz Gebrauch macht. Ich danke Ihnen, Herr Minister Hauk, und Ihren Mitarbeitern im Ministerium daher ganz herzlich.

Ein unverzügliches Handeln des Gesetz- und Verordnungsgebers ist dringend erforderlich. Der vorliegende Gesetzentwurf gibt die richtige Antwort darauf.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Super! Bra- vo!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Winkler für die Fraktion der SPD.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Da musst du dich jetzt anstrengen, Alfred! – Abg. Helmut Walter Rü- eck CDU: Alfred, da musst du jetzt den Berg hinauf- springen!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, über den wir unter diesem Tagesordnungspunkt beraten, trägt den Titel: „Erstes Gesetz zur Umsetzung der Föderalismusreform und zum Bürokratieabbau im Geschäftsbereich des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum“. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist eine besonders hochwertige Form literarischer Lyrik. Der Titel sagt jedoch überhaupt nicht aus, worum es geht. Die Behauptung, es gehe um Bürokratieabbau, ist sehr gewagt.

Trotzdem: Es ist eine Konsequenz der Föderalismusreform. Um es vorwegzunehmen: Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Sehr gut! – Weitere Zurufe von der CDU)

Sie wissen ganz genau: Wir stimmen allem Richtigen und allem Vernünftigen immer zu –

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Da müsstet ihr doch allem zustimmen!)

zumal es in diesem Fall, jedenfalls zum größten Teil, von uns stammt.