Kürzlich konnten wir auch lesen, dass Flüchtlinge aus BadenWürttemberg nicht durch die Polizei, sondern durch private Sicherheitsdienste außer Landes gebracht werden. Das ist nur der Gipfel dessen, was wir ablehnen. Deswegen werden wir hier nicht mitmachen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist natürlich in einer parlamentarischen Aussprache ausgeschlossen, sich detailliert mit dem Gesetzentwurf zu befassen. Ich habe mir, weil ich gut im Kopfrechnen bin, einmal die Mühe gemacht – –
Ja. Das Justizvollzugsgesetz hat 251 Seiten. Wenn ich zu jeder Seite etwas sagen wollte, hätte ich für jede Seite 1,2 Sekunden Zeit.
Wir haben die Föderalismusreform begrüßt, wir haben sie mitgetragen. Wir haben letztendlich auch die Übertragung der
Regelung des Strafvollzugs auf die Länder mitgetragen, obwohl es da gewisse Zweifel gegeben hat und vielleicht auch nach wie vor gibt – wenn man auch keine Bedenken in der Form realisiert sieht, dass man sagen muss, es gibt Konkurrenz nach unten. Es hätten sich aber andere Rechtsgebiete vielleicht eher angeboten als der Strafvollzug. Jetzt ist es so, und das jetzt gemeinsam zu kodifizieren macht sicherlich Sinn.
Insofern begrüße ich zunächst das Ansinnen der Landesregierung, des Justizministeriums. Ich will auch ein Lob aussprechen – das tue ich ganz selten –, weil es wirklich eine Fleißaufgabe ist, diese Gesetzbücher in einem Gesetzeswerk zusammenzufassen. Deswegen haben Sie auch ein wenig länger gebraucht. Im März dieses Jahres hatten Sie angekündigt, es gehe noch in der ersten Jahreshälfte ins Kabinett, denn am 1. Januar 2010 solle es in Kraft treten. Jetzt haben wir ein wenig Zeitverzug, was aufgrund der umfassenden Kodifikation auch nachvollziehbar ist.
Wir sind final insoweit nicht festgelegt, als wir die Debatte offen aufnehmen wollen, auch wenn die Zeit dazu nicht aus reicht, jedenfalls im Parlament. Aber im Ausschuss gibt es keine Redezeitbegrenzung. Da können wir gern noch einmal über einzelne Punkte diskutieren.
Das Jugendstrafvollzugsgesetz, das dort jetzt integriert ist, war ein Thema, das wir im Rahmen der Möglichkeiten der Opposition umfassend aufgetan haben, bearbeitet haben mit Anhörungen von Sachverständigen, von Betroffenen, von Leitern von Justizvollzugsanstalten. Viele der dortigen Anregungen, die wir über Änderungsanträge haben einfließen lassen, sind leider nicht Gesetz geworden.
Trotzdem wollen wir mit Ihnen, auch im Ausschuss, noch einmal ganz ernsthaft eine Debatte über die Frage führen, wie ein Justizvollzugsgesetzbuch für Baden-Württemberg aussehen soll. Es ist die Kodifikation für die freiheitsentziehenden Maßnahmen im Land.
Da will ich Ihnen vorweg noch einen Punkt nennen: Es ist einfach kein guter Stil, Herr Minister – das passiert jetzt zum zweiten Mal –, dass wir die Anhörungsergebnisse beim Thema Fußfessel erst auf Nachfrage bekommen und die Anhörungsergebnisse zum vorliegenden Gesetzentwurf erst gestern bekommen haben – und das noch nicht einmal umfassend, sondern nur in einer synoptischen Zusammenfassung. Es handelt sich um 23 Seiten, Ergebnisse von Anhörungen, in denen insbesondere Juristinnen und Juristen, Gerichte, Justizvollzugsanstalten usw. gehört worden sind, aber nicht die Anwälte, warum auch immer. Sie sind von dem Gesetz und von der Kodifikation natürlich auch betroffen. Da bitte ich doch einfach darum, in Zukunft dringend darauf zu achten, dass diese Anhörungsergebnisse auch mitgeliefert werden.
Dass sie der Opposition mitgeliefert werden. Der Kollege Wetzel hat sie vielleicht. Der Kollege Zimmermann hat nicht daraus zitiert; ich vermute jedoch, dass er sie hat. Sie sind tatsächlich wichtig.
Die Übertragungen von Eingriffsbefugnissen zur Überwachung des Besuchs-, Schrift- und Telefonverkehrs im Vollzug der Untersuchungshaft auf die Justizvollzugsanstalten erscheinen im Blick auf die Unschuldsvermutung verfassungsrechtlich zweifelhaft.
Meine Damen und Herren, das kommt nicht von der Opposition. Das kommt von verschiedenen Gerichten, Staatsanwaltschaften usw. Über diese Bedenken müssen wir doch gemeinsam diskutieren. Es kann doch nicht sein, dass diese Bedenken, die aus der Justiz selbst vorgetragen werden, in einer solchen Debatte unberücksichtigt bleiben. Insofern gilt diese Aufforderung, dass wir diese Anhörungsergebnisse dringend pünktlich brauchen, auch unter Bezugnahme auf diese Position erst recht.
Zwei Bereiche will ich noch ansprechen – ich komme dann zum Schluss, Frau Präsidentin –, in denen der Gesetzentwurf hinter den Möglichkeiten zurückbleibt. Das eine ist das Thema „Frauen im Knast“. Da gibt es Empfehlungen des Europäischen Parlaments zur besonderen Situation der Frauen in Gefängnissen. Diese sind leider nicht in das Gesetz eingeflossen, obwohl sie zum Teil tatsächlich praktiziert werden. Wir hätten uns gewünscht und wünschen uns, dass Sie dies dort auch einbringen.
Wenn man jetzt schon neue Kodifikationen schafft, dann sollen sie auch dem Stand der rechtlichen Situation entsprechen, insbesondere wenn dies auch vom Europäischen Parlament empfohlen wird.
Weitere Punkte, die ich hier nicht berücksichtigt sehe – es geht um all das, was wir im Rahmen des Jugendstrafvollzugsgesetzes vorgebracht haben; mir fehlt jetzt aber die Zeit, um Ihnen das im Detail noch einmal vorzutragen –, sind das Thema „Konfliktregelungen vor restriktiven Regelungen“ – das war unsere Vorgabe, unsere Maßgabe für das Jugendstrafvollzugsgesetz – und der Vorrang der Erziehung – insbesondere auch in der Justizvollzugsanstalt; denn bei deren Insassen liegen Erziehungsdefizite vor – vor dem Wegschließen. Das waren die Grundgedanken.
Die Ausschussberatungen werden lange dauern, wenn wir das im Detail miteinander besprechen wollen. Wenn Sie das vonseiten der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen vorhaben, dann sind wir gern bereit, diese Diskussion mit Ihnen zu führen. Dann nehmen wir das nicht nur erfreut zur Kenntnis, sondern können gegebenenfalls zustimmen, aber nur dann, wenn Sie diesen Bedenken, die auch in der Anhörung vorgetragen worden sind, im Gesetz Rechnung tragen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren! Durch das Justizvollzugsgesetzbuch setzt Baden-Württemberg die Föderalismusreform im Bereich des Justizvollzugs komplett um. Das hat den großen Vorteil, dass die einzelnen Vorschriften jetzt nicht mehr aus verschiedenen Gesetzbüchern, Rechtsprechungen und Urteilen zusammengesucht werden müssen, sondern sie finden sich in einem einzigen Gesetzbuch aus einem Guss. Das ist übersichtlich und dient der Praktikabilität für die Anwender.
Mit diesem Gesetz kommt Baden-Württemberg seiner Verantwortung im Strafvollzug in ganz besonderem Maß nach. Die Landesregierung übernimmt aber nicht einfach die Gesetze, die es bisher im Bund gegeben hat, und setzt sie in Landesrecht um. Bundesgesetzliche Regelungen, die sich bisher bewährt haben, werden selbstverständlich übernommen. Wir müssen das Rad nicht zweimal erfinden. Aber Regelungen, die bisher nur bruchstückhaft oder nur durch die Rechtsprechung entwickelt waren, werden nun erstmals in einem einheitlichen Gesetzbuch geregelt. Das haben meine Vorredner so nicht gesehen.
In Buch 1 werden die beiden wichtigsten Aufgaben des Strafvollzugs festgehalten. Die erste und wichtigste Aufgabe ist es – so dem Gesetzestext zu entnehmen –, dass die Bürgerinnen und Bürger vor weiteren Straftaten geschützt werden. An zweiter Stelle steht die Eingliederung der Gefangenen in die Gesellschaft im Sinne der inneren Sicherheit und des Rechtsfriedens. Damit verfolgt das Gesetz einen gesamtpräventiven Ansatz, der besonders hervorzuheben und zu loben ist.
Buch 2 regelt die gesamte U-Haft, die bisher nur in einer einzelnen Vorschrift in der StPO geregelt war. Ich denke, dass auch das gut ist, und ich meine, dass das Land auch für die U-Haft zuständig ist, und zwar dadurch, dass es die Justizvollzugsanstalten unterhält. Herr Kollege Oelmayer, Sie haben aus diesem Buch zitiert, und ich denke, dass die Regelung, die vorgeschlagen wurde, gut und sinnvoll ist.
Die Justizvollzugsanstalt hat die Aufgabe, Sicherheit und Ordnung im Vollzug zu gewährleisten. Wenn es aber darum geht, zu erreichen, dass die Untersuchungshäftlinge sicher verwahrt werden, das heißt, wenn es um die Frage des Kontakts zu anderen Menschen, zu Menschen außerhalb der Haftanstalt geht, dann sind nach wie vor die Richterinnen und Richter zuständig. Ich denke, das ist eine gute Sache und eine gute Arbeitsteilung. Innerhalb der JVA sind die Vollzugsbeamten näher an den Häftlingen, auch an den U-Häftlingen, dran als die Richterinnen und die Richter. Die jungen Untersuchungshäftlinge werden nicht einfach weggesperrt, sondern es soll besonders auf die erzieherische Gestaltung der U-Haft geachtet werden.
In Buch 3 ist der Erwachsenenvollzug geregelt. Grundlage ist das 1977 in Kraft getretene Strafvollzugsgesetz. Der Erwachsenenvollzug hält am Ziel der Resozialisierung fest. Das ist das oberste Ziel, das ebenfalls zu begrüßen ist. Es dient der Sicherheit – der Justizminister hat schon darauf hingewiesen –, wenn künftig verboten wird, Lebensmittel in die JVA zu bringen. Ich denke, das ist ein Beitrag zur Sicherheit.
Wir sind uns einig, dass die Resozialisierung der beste Beitrag zur inneren Sicherheit ist, und ich denke, dass wir alle dem Gesetzentwurf zustimmen sollten. Besonders hervorzuheben ist im Erwachsenenvollzug, dass jetzt die Nachsorge besonders gesetzlich geregelt ist. Wir wissen – Tobias Merckle weist immer wieder darauf hin –, dass Menschen, die aus der JVA entlassen werden sollen, häufig nicht wissen, wo sie unterkommen und bleiben können. Das neue Gesetz setzt hier einen besonderen Schwerpunkt und sagt: Um diese Problematik muss man sich besonders kümmern, damit die Menschen, die entlassen werden, nicht gleich wieder in ein Loch fallen und möglicherweise rückfällig werden.
Besonders hervorzuheben ist auch die Sozialtherapie. Sie wird einheitlich in der JVA Offenburg geregelt, um Fehlentscheidungen zu vermeiden.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Als roter Faden liegt dem gesamten Justizvollzugsgesetzbuch zugrunde, dass die Gefangenen in Baden-Württemberg befähigt werden sollen, künftig ein Leben in sozialer Verantwortung zu führen, insbesondere ohne Straftaten zu begehen. Durch die Föderalismusreform ist es möglich geworden, dass BadenWürttemberg ein zeitgemäßes und modernes Justizvollzugsgesetzbuch schafft. Ich danke Herrn Justizminister Professor Dr. Goll für den gelungenen Gesetzentwurf und insbesondere auch seinen Mitarbeitern, die dazu beigetragen haben, dass wir heute ein so gutes Gesetz auf dem Tisch haben, dem wir zustimmen sollten.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 14/5012, zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss zu überweisen. – Sie stimmen der Überweisung zu. Es ist so beschlossen.