Protokoll der Sitzung vom 04.11.2009

dass sie möglicherweise einem anderen Volk angehören. Das ist für uns ein Widerspruch.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Der Gott ist doch der- selbe! Es ist der Gott Abrahams!)

Da hätte Neutralität Eingang in das Gesetz finden müssen, Kollege Kluck.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Aber wir achten deren Religion auch!)

Auch aus diesem Grund lehnen wir das Gesetzesvorhaben der Landesregierung ab.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP – Abg. Karl Zimmer- mann CDU: Dann streicht das auch aus der Landes- verfassung! Streicht es auch aus dem Schulgesetz! Genau das wollt ihr doch! – Weitere Zurufe von der CDU)

Ich erteile für die Fraktion der FDP/DVP Herrn Abg. Dr. Wetzel das Wort.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Den Namen muss man sich merken!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Was die Opposition in der ersten Lesung zum Justizvollzugsgesetzbuch und auch heute über ihre Strafvollzugsbeauftragten vortragen lässt, ist meines Erachtens sehr dünn und sehr bescheiden und vor allem nicht sehr überzeugend. Man gewinnt den Eindruck, dass zwanghaft nach Gründen gesucht wird, um das gute Gesetz ablehnen zu können.

Die SPD-Fraktion hat den Gesetzentwurf in der ersten Lesung zunächst einmal gelobt, dann aber insgesamt drei Gründe genannt, weshalb sie ihn ablehnt. Erstens sollte der Alleinunterbringungsanspruch im Jugendstrafvollzugsgesetz geregelt sein. Das ist dort bewusst nicht geregelt, weil man weiß, dass die Jugendlichen nicht allein, sondern zu zweit untergebracht sein wollen. Das ist auch sinnvoll.

Sie haben sich zweitens gegen die Regelung einer Mitwirkungspflicht der Strafgefangenen beim Jugendstrafvollzug gewehrt. Ich denke jedoch, dass diese sogar sehr sinnvoll ist; denn das kommt dem Erziehungsgedanken sehr nahe. Außerdem ist es sehr wirkungsvoll.

Als Hauptproblem sehen Sie die Möglichkeit der Übertragung von Aufgaben des Strafvollzugs an freie Träger und Private an.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Das Schlimmste!)

Das ist aber im Seehaus in Leonberg und im „Projekt Chance“ in Creglingen schon der Fall. Das sind Private, Herr Sakellariou, und das funktioniert hervorragend. Sie lehnen das alles aber in Bausch und Bogen ab. Merken Sie eigentlich, dass Sie inkonsequent sind?

Mein Vorschlag ist, zunächst einmal die Ergebnisse aus Offenburg abzuwarten. Schauen Sie erst einmal, wie sich das entwickelt, bevor Sie alles madig machen, was im Entfern testen irgendwie nach Privatisierung riecht.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Sie haben doch schon erste Erfahrungen!)

Hören Sie doch bitte damit auf, gute Reformvorschläge zu negieren, nur weil sie nicht in Ihr Weltbild passen.

Wenn Sie sagen, dass Sie die Regelung des § 2 Abs. 2 des vierten Buchs des Gesetzentwurfs ablehnen – dies ist wortwörtlich aus der Verfassung übernommen worden –, weil dies zu spät komme, dann weiß ich nicht, auf welchem Stern Sie leben. Dieser Grundsatz gilt für jugendliche Straftäter. Diese sind beispielsweise 14 oder 15 Jahre alt. Ich weiß nicht, was daran zu spät ist; denn diese Jugendlichen kann man möglicherweise noch auf einen guten Pfad bringen.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Wie wäre es mit Schulsozialarbeit?)

Die Grünen haben den Gesetzentwurf erst gelobt. Dann wurde kritisiert, dass Regelungen zu Frauen im Knast fehlten; so Herr Kollege Oelmayer. Sie haben aber an keiner Stelle gesagt, wie dies geregelt werden soll und was Sie vorschlagen. Heute haben Sie verschiedene andere Dinge genannt, die Ihrer Meinung nach nicht angemessen sind. Ich finde, das Gesetz ist sehr gut und sehr gelungen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Die Angriffe der Opposition sind nicht überzeugend und sehr dünn. Gehen Sie doch einfach mutig diesen Schritt mit und stimmen Sie dem Gesetzentwurf zu.

Sie haben nicht erwähnt, dass sich der Gedanke der Resozialisation wie ein roter Faden durch den gesamten Gesetzentwurf zieht. Bei der Resozialisierung geht es in erster Linie um die Wiedereingliederung von Straftätern in unsere Gesellschaft. Das geht jedoch nicht – so, wie es ein prominenter SPD-Politiker vor ein paar Jahren einmal gesagt hat – durch „Wegsperren – für immer“. Vielmehr geht es darum, dass die Straftäter wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden können und nach Möglichkeit nicht mehr straffällig werden. Auch deshalb ist dieser Gesetzentwurf ein guter Gesetzentwurf.

Einige weitere Punkte:

Erstens: Bereits in der U-Haft werden die Gefangenen sinnvoll beschäftigt.

(Zuruf des Abg. Nikolaos Sakellariou SPD)

Zweitens: vielfältige Ausbildungsmöglichkeiten. Wenn Sie einmal nach Adelsheim gehen, dann stellen Sie fest, dass die jugendlichen Straftäter in insgesamt 18 verschiedenen Berufen ausgebildet werden. Das ist eine großartige Leistung.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Staatliche Anstalt!)

Auch im Seehaus in Leonberg und in Creglingen werden die jungen Menschen gut ausgebildet und erzogen. Dies erfolgt im Übrigen im Sinne der Bibel und des Christentums. Zwischen 6:30 Uhr und 7:00 Uhr ist im ersten halben Jahr jeden Morgen Bibelstunde. Das hat noch niemandem geschadet. Ich denke, es schadet den anderen jugendlichen Straftätern auch nicht.

Zu nennen sind drittens die konsequente Arbeitspflicht, viertens die Konzentration der Sozialtherapie in Offenburg, um Fehlentscheidungen zu vermeiden, fünftens die frühzeitige Entlassungsvorbereitung und sechstens die ausdrückliche gesetzliche Regelung der Nachsorge, um den Strafgefangenen auch nach der Entlassung ein Geländer an die Hand zu geben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir hatten gestern Abend noch ein Gespräch mit Herrn Steinbach, dem Landesvorsitzenden des BSBD. Zu Ihrer Information, Herr Sakellariou und Herr Oelmayer: Er lobt das Gesetz und sagt, es sei gut. Wir sollten es beschließen, das sei in Ordnung.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich danke unserem Justizminister und seinen Mitarbeitern für das gelungene, moderne und zeitgemäße Strafvollzugsgesetzbuch.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Justizminister Professor Dr. Goll das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Aufgabe des Strafvollzugs ist sicher die heikelste, die ein Rechtsstaat überhaupt hat, die schwierigste, die anspruchsvollste. Wie geht man damit um, dass man nicht anders kann, als Leute einzusperren – das macht niemand gern, aber bleiben lassen kann man es in den Fällen, in denen es notwendig ist, auch nicht –, und wie geht man dann mit den Menschen um? Wie schafft man es, einerseits die Menschenwürde zu wahren und andererseits auch etwas dafür zu tun, dass die Menschen – so formuliere ich es einmal – besser wieder herauskommen, als sie hineingegangen sind? Das ist auch die Aufgabe, wenn man es einmal ganz offen ansprechen möchte: Ziel ist die Resozialisierung. Ferner gibt es die Aufgabe, in der Zeit, in der das Einsperren notwendig ist – in wenigen extremen Fällen ist das sogar sehr lange –, für Sicherheit zu sorgen. Manche Menschen – es sind Gott sei Dank wenige – kann man gar nicht in die Freiheit entlassen, weil man weiß, dass sofort wieder Delikte passieren.

Das alles ist ein schwieriger und anspruchsvoller Bereich. Die Aufgabe als solche ist schon lange bei den Ländern, und jetzt

haben wir auch die Gesetzgebungszuständigkeit dafür bekommen, was ich persönlich für völlig folgerichtig halte. Denn wenn wir die Arbeit machen, können wir eigentlich auch die Vorschriften dazu machen.

Wir haben das Gesetz jetzt nach sorgfältiger Vorbereitung und Diskussion im Plenum und im Ausschuss heute in der zweiten Lesung vorliegen, und ich persönlich bin davon überzeugt, dass wir ein gutes Gesetz gemacht haben, schon allein deswegen, weil die Praxis direkt beteiligt war, weil auch aus Ihrem Kreis viel Expertenwissen eingeflossen ist und weil wir uns wirklich Mühe gegeben haben, ein Gesetz zu machen, das die wichtigsten Aufgaben des Strafvollzugs regelt. Ich habe teilweise schon Stichworte genannt: einerseits Resozialisierung auf hohem Niveau, andererseits Sicherheit auf hohem Niveau. Beides wird in Baden-Württemberg gewährleistet.

Das geht natürlich nicht ohne Geld. In Baden-Württemberg ist in der Vergangenheit viel Geld in den Strafvollzug geflossen, und in Baden-Württemberg wird auch in Zukunft viel Geld in den Strafvollzug fließen. Kein Mensch kann bestreiten, dass wir heute einen Zustand erreicht haben, in dem das Wort „Überbelegung“ im Wesentlichen der Vergangenheit angehört. Das ist zwar aus den Diskussionen kaum herauszubekommen, aber es ist so. Das Thema Überbelegung gehört im Grunde der Vergangenheit an.

Wir sind im Moment mitten in der Aufgabe, die Plätze an die hohen Erwartungen des Bundesverfassungsgerichts anzupassen, und auch da sind wir schon sehr weit und werden diesen Weg konsequent fortsetzen, und zwar mit weiteren Investitionen in den Strafvollzug und weiteren neuen Gebäuden. Ich war erst vor wenigen Tagen in Stammheim bei der Einweihung der neuen, hochmodernen Torwache. Stammheim wird in wenigen Jahren nicht wiederzuerkennen sein, weil wir das Gelände praktisch völlig neu bebauen.

So läuft – orientiert an diesen beiden Zielen Resozialisierung und Sicherheit – immer etwas.

Nun sind einzelne Themen genannt worden. Ich möchte den ganzen Katalog dessen, was man ansprechen könnte, an dieser Stelle nicht noch einmal aufgreifen. Das sehen Sie mir bitte nach. Wir haben schon mehrfach eingehend über diesen Gesetzentwurf gesprochen. Deswegen darf ich nur auf einige wenige Punkte eingehen, die angesprochen worden sind.

Wir haben vom Resozialisierungsvollzug sowie von Humanität und Menschenwürde gesprochen. In diesen Zusammenhang gehört natürlich das Thema Einzelunterbringung. Es ist in einer Weise angesprochen worden, dass der Eindruck entstehen könnte, dass wir bei uns in Baden-Württemberg bei diesem Thema besonders wenig täten. Meine Damen und Herren, genau das Gegenteil ist richtig. Wir haben z. B. im Bereich der Jugendlichen eine Vorschrift zur Einzelunterbringung, die über die Regelungen in allen anderen Bundesländern hinausreicht. Wir haben auch einen Anspruch auf Bildung, den so kein anderes Bundesland einräumt, und wir haben im Erwachsenenbereich beispielsweise eine Vorschrift, die ebenfalls konkurrenzlos ist, nämlich dass bei allen Neubauten und Erweiterungsbauten so gebaut wird, dass Einzelunterbringung möglich ist. Es ist aber richtig, dass wir diesen Anspruch im Erwachsenenbereich nicht im Gesetz haben.

Ich sage Ihnen jedoch ganz offen: Ich möchte auch nicht, dass der Strafvollzug ein anspruchsgetriebener Betrieb wird. Dann würden wir auch irgendwo schief liegen. Im Moment haben wir keine Überbelegung. Ich möchte aber auch nicht Getriebener sein, wenn zwischendurch eine Entwicklung hin zu einer stärkeren Belegung eintritt. Dann werden wir wieder das machen, was wir in der Vergangenheit gemacht haben: Wir werden bauen, wir werden Vorkehrungen dafür treffen, dass die Überbelegung abgebaut wird. Ich halte aber wenig davon, dass wir uns von den Ansprüchen der Gefangenen ein Stück weit vor ihnen hertreiben lassen. Das wäre ein falsches Verständnis von Strafvollzug.

Wichtig ist, dass im Gesetz steht, dass wir dafür sorgen, dass sie einzeln untergebracht werden. Das ist unsere Aufgabe. Ein Anspruch würde meines Erachtens jedoch in die falsche Richtung führen. Der Strafvollzug ist – ich habe es am Anfang beschrieben – eine anspruchsvolle Aufgabe. Wir tun alles, um diese Aufgabe zu erfüllen, auch ohne dass wir an jeder Ecke einen Anspruch in dieses Gesetz schreiben – was, wie gesagt, auch zu Missverständnissen führen könnte.

Es ist das Bekenntnis zu Werten angesprochen worden. Das ist doch eine schiere Selbstverständlichkeit. Es ist eine schiere Selbstverständlichkeit, dass unser Strafvollzug werteorientiert ist. Über Werte kann ich aber nicht nur abstrakt reden; ich muss schon die nennen, die ich meine. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir im Gesetz die Werte benennen, von denen unsere Kultur in Baden-Württemberg und in Deutschland seit Jahrhunderten getragen wird. Die darf man – Verzeihung – auch beim Namen nennen. Man braucht sie nicht ständig zu verstecken, das wäre auch falsch.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Bernd Hitzler CDU: Sehr gut!)

Dann noch zum letzten beliebten Thema – man weiß gar nicht, ob man noch groß darauf eingehen soll –: Sie haben Ihr Feindbild bei dem, was Sie Privatisierung nennen. Ich nenne es die Beteiligung Dritter im Strafvollzug, und die ist eine schiere Selbstverständlichkeit. Die Beteiligung Dritter, auch nicht staatlicher Dritter, in nicht hoheitlichen Bereichen des Strafvollzugs halte ich geradezu für wünschenswert und richtig. Sie wird auch überall praktiziert. Insofern ist das schon eine originelle Debatte. Bedeutet das, was Sie sagen, dass wir überall, wo jetzt Private drin sind, diese wieder rausschmeißen sollen?

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Das ist nicht der Punkt!)