Protokoll der Sitzung vom 27.07.2006

Die Steuereinnahmen des Landes Baden-Württemberg lagen im Juni 2006 mit rund 2,6 Milliarden € um 222,5 Millionen € über dem Vergleichsmonat des Vorjahres.

Am selben Tag, meine Damen und Herren, in Ulm: Auf seiner Jahresversammlung erfährt der Volkshochschulverband von Staatssekretär Wacker eher beiläufig, dass die Landesförderung für die Träger der Weiterbildung im laufenden Jahr erneut um 10 % gekürzt werden soll.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ja, Klasse!)

„Erneut“ heißt, es hat in dieser Hinsicht schon in den vergangenen Jahren einiges stattgefunden.

Ein Blick zurück macht die ganze Dramatik der Entwicklung deutlich. Der Anteil der Landesfinanzierung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt aktuell 5,8 %. Der Bundesdurchschnitt liegt übrigens bei 15 %. Seit dem Inkrafttreten des Weiterbildungsgesetzes im Jahr 1978 ist der Förderbetrag pro geleisteter Unterrichtsstunde kaufkraftbereinigt auf 38 % des ursprünglichen Satzes gesunken. Mit einer erneuten Kürzung wird die Förderung auf ein Drittel des Betrags von 1978 fallen. Allein in den letzten zehn Jahren haben die Volkshochschulen 60 % der Landesförderung eingebüßt.

Parallel dazu stieg der Kostenanteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf aktuell 56 % – wohlgemerkt noch vor den erneuten Kürzungen. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 39 %.

Und schon werden offensichtlich Szenarien durchgespielt, auf die Weiterbildungsförderung ganz zu verzichten. Wie passt das, meine Damen und Herren, Herr Staatssekretär, mit dem Hohelied zusammen, das auf das lebenslange Lernen immer gesungen wird? Wie passt das mit der Formulierung in der Koalitionsvereinbarung zusammen, wonach Sie bestehende Strukturen im Weiterbildungsbereich ausbauen wollen? Wie passt das mit Artikel 22 der Landesverfassung zusammen, durch den Weiterbildung Verfassungsrang erhält? Mit einer politischen Schwerpunktsetzung im Bildungsbereich hat das jedenfalls nichts zu tun.

Es hat auch nichts mit Verlässlichkeit in diesem Bereich zu tun – der Verlässlichkeit zwischen Partnern. Denn eine seriöse Geschäftsführung wird bei den Trägern öffentlicher

Weiterbildung, bei Volkshochschulen oder Familienbildungsstätten durch diese aktuelle Kürzung in den laufenden Haushalten nahezu unmöglich. Entsprechend dramatisch klingen auch die Äußerungen der Betroffenen. „Kaum zu ertragen“, meint der Volkshochschulverband, und der Städtetag hält diese Kürzungen – wörtlich – „auch unter Würdigung der Haushaltszwänge für nicht hinnehmbar“.

Was sind die Konsequenzen, meine Damen und Herren? Es wird Einschränkungen im Betrieb geben, und es wird schmerzhafte Einschränkungen im Programm geben. Besonders betroffen werden kostenträchtige, aber wichtige Programmpunkte und Veranstaltungen wie zum Beispiel die politische Bildung sein.

Bildungsferne Schichten werden immer weniger erreicht, zum Beispiel Arbeitslose, Migrantinnen und Migranten. Auch in der Weiterbildung droht eine Fortführung sozialer Auslese, wie sie schon unserem Bildungssystem als Ganzem wie ein Makel anhaftet, und dies gerade dort, wo eine zweite oder dritte Chance besonders notwendig wäre. Weniger Verdienenden wird der Zugang weiter erschwert. So steuern wir auf eine schleichende Privatisierung im Weiterbildungssektor zu.

Knapp 10 % der Einrichtungen werden diese Kürzungen nicht überleben; weitere 10 % kommen nach Ansicht des Volkshochschulverbands in eklatante Finanznöte. Überdies wird vermutlich auch die Tendenz zu prekären Arbeitsverhältnissen im Weiterbildungsbereich steigen. Immerhin sind 36 000 Dozentinnen und Dozenten betroffen.

Bildung gehört zu den Kernaufgaben des Staates, und Weiterbildung hat Verfassungsrang. Ihre Kürzungen, die auch noch in laufenden Haushalten erfolgen, gehen am Parlament vorbei. Sie sind – bis jetzt noch – einsame Entscheidungen der Exekutive. Deswegen wurden Sie alle vom Verbandsdirektor des Volkshochschulverbands Baden-Württemberg, Herrn Dr. Huba, mit der Frage angeschrieben: „Sind die Mitglieder Ihrer Fraktionen mit dem Vorgehen der Exekutive einverstanden?“ Wir sind es nicht, meine Damen und Herren. Wir geben Ihnen allen nachher die Gelegenheit, diese Frage mit Ihrem Abstimmungsverhalten zu beantworten.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion erhält Frau Abg. Kurtz das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! In diesem Haus ist sich die Mehrheit darüber einig, dass der Haushaltssanierung eine ganz hohe Bedeutung zukommt und dass dies unsere Zukunftsaufgabe ist – nicht nur für diese Legislaturperiode, aber in dieser ganz besonders. Auch die Bürgerinnen und Bürger draußen im Land begrüßen es, dass wir uns das Ziel gesteckt haben, bis zum Jahr 2011 einen Haushalt vorzulegen, der ohne neue Schulden auskommt.

Wenn man diese Aufgabe seriös verfolgen will, kommt man um die Haushaltssperre, die die Regierung Anfang Juni verhängt hat, nicht herum, vor allem dann nicht, wenn wir uns

darin einig sind, dass wir zusätzliche Steuereinnahmen nicht wieder in den Haushalt einfließen lassen wollen, sondern zur Schuldentilgung nutzen wollen. So bleibt einfach eine Deckungslücke, die durch Sparmaßnahmen, durch harte Einsparungen geschlossen werden muss. Insofern müssen wir die Haushaltssperre in Höhe von 70 Millionen €, die die Landesregierung verhängt hat, einfach akzeptieren. Für das Kultusministerium bedeutet das eine zusätzliche Einsparung von 7 bis 8 Millionen €. Das heißt, die globale Minderausgabe wird noch einmal – auf 38 Millionen € – erhöht. Ich muss Ihnen sagen: Das tut richtig weh.

Das tut auch mir als neu gewählter Abgeordneten weh, die noch vor der Konstituierung des Landtags erfahren musste, dass diese Einsparungen auf uns zukommen. Das war ein Schock. Ich habe volles Verständnis dafür, dass sich auch die Bildungsträger – die 175 Volkshochschulen, die kirchlichen Bildungsträger und alle anderen – wirklich empfindlich davon betroffen sehen.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Weiße Salbe!)

Jetzt ist schon die Zeit, in der die Programme für den Herbst geschrieben werden. Die Hefte sind zum Teil schon in Druck. Die Betroffenheit kann ich verstehen; die Einsparung trifft uns an empfindlicher Stelle. Denn – Herr Bayer hat es gesagt – wir sind das Bildungsland Nummer 1. Wir legen auf Bildung ganz großen Wert. Wir kommen dieser Aufgabe nach. Jeder vierte Euro dieses Landeshaushalts fließt in die Bildung. Wir nehmen diese Aufgabe sehr ernst.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Was heißt das jetzt?)

Wir wissen, Bildung ist unsere Chance. Wir haben keine Bodenschätze. Wir sagen immer: Wir investieren in die Köpfe. Wir profitieren von den wissensgestützten Wirtschaftsbranchen. Da sind unsere Wachstumschancen. Deshalb ist lebenslanges Lernen ein absolutes Muss.

(Abg. Christoph Bayer SPD: Ja, super!)

Ich denke, die Weiterbildung ist sehr gut aufgestellt. Sie ist geprägt von einer hohen Pluralität, von Wettbewerb untereinander und – ganz wichtig – von einem dezentralen und flächendeckenden Angebot. Sie kann auch flexibel reagieren. Das hat sie auch in der Vergangenheit gezeigt. Sie ist schon mit vielen Herausforderzungen zurechtgekommen.

(Abg. Christoph Bayer SPD: Wie lange noch?)

Die Tatsache, dass in Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Ländern quer durch alle Altersgruppen die höchste Teilnahme an Weiterbildungsangeboten stattfindet – und das, wie Herr Bayer sagte, bei der höchsten Eigenbeteiligung –, ist ein Zeichen für die Qualität, die in diesem Land auch in diesem Bereich herrscht, und ein Zeichen dafür, dass es den Bürgern nicht nur ums Geld, sondern auch um die Qualität geht. Sie sind auch bereit, dafür einen Preis zu bezahlen.

Die Wirtschaft, die Gesellschaft, der Arbeitsmarkt, alle sind dankbar für dieses Angebot. Es wird wirklich ein Beitrag zur Lebensqualität geleistet, zu einer sinnvollen Freizeitgestaltung, und besonders, wenn auch nicht ausschließlich, von den kirchlichen Weiterbildungsträgern wird Wertevermitt

lung geleistet, die uns sehr wichtig ist, auf die wir angewiesen sind, weil der Staat sie selbst nicht übernehmen kann.

Wenn wir hören, dass sich die Volkshochschulen jetzt ganz speziell und aktuell der Integration verschrieben haben, dann begrüßen wir das. Das unterstützen wir, und das ist uns außerordentlich wichtig.

Ich möchte ganz deutlich sagen: Das sind gewachsene Strukturen, die wir nicht zerstören dürfen. Die sind uns wichtig. Wir wollen nicht etwas zerschlagen,

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Das tun Sie aber! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Das ist nicht die erste Sparrunde! – Abg. Ute Vogt SPD: Von den Kom- munen sagen Sie nichts!)

was wir in späteren Jahren, wenn die Mittel wieder besser fließen, möglicherweise wieder mühsam aufbauen müssen.

Aber ich bitte Sie: Dramatisieren Sie nicht! Hier wird nicht die Axt an die Wurzeln der Weiterbildung gelegt. Die Weiterbildung in Baden-Württemberg steht sehr stabil auf ganz vielen Füßen, und sie wird, wenn ich das am Rande bemerken darf, nicht nur vom Kultusministerium finanziert. Denken Sie an das Lehrerprogramm. Das haben wir seit 1987, und es ist einmalig in Baden-Württemberg. Da werden Lehrer freigestellt, wenn sie sich in der Weiterbildung bei den entsprechenden Organisationen engagieren wollen. Die Hälfte ihres Gehalts wird weiterhin vom Land finanziert.

Die Landesstiftung, die bei vielen Verbänden auf große Zustimmung stößt und, wie ich gehört habe, jetzt auch bei der Opposition mit immer mehr Gegenliebe rechnen kann, fördert sehr interessante Projekte auch in der Weiterbildung.

Die wissenschaftliche Weiterbildung der Universitäten ist gesetzlich verankert. Ich nenne außerdem die Landeszentrale für politische Bildung, und vergessen Sie nicht die Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammern.

Aber in Zeiten von Studiengebühren, in Zeiten von Kindergartengebühren, in Zeiten, in denen man über Lernmittelfreiheit diskutiert, können wir die Erwachsenenbildung doch nicht außen vor lassen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Ute Vogt SPD)

Ich muss Ihnen sagen: Das ist ein Gebot der Generationengerechtigkeit.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr richtig!)

Das möchte ich als jugendpolitische Sprecherin meiner Fraktion doch auch ins Feld führen. Ich versichere Ihnen: Hier wird nicht Tabula rasa gemacht. Wir werden bei den Haushaltsberatungen sorgfältig hinschauen. Aber die Forderung, wir sollten uns jetzt festlegen und sagen: „Diesen Bereich lassen wir im Herbst bei den Haushaltsberatungen außen vor“, können wir nicht akzeptieren. Insofern können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Lehmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt „Personalkostenzuschüsse an Weiterbildungsträger“ geht in seiner landespolitischen Bedeutung weit über die finanzielle Dimension mit den 1,15 Millionen € an Einsparungen, die hier im laufenden Haushalt veranschlagt sind, hinaus. Warum eigentlich? Wir diskutieren doch hier sonst über größere Geldbeträge.

Dieser Tagesordnungspunkt macht deutlich, in welcher politischen Lage sich das Parlament und das Land BadenWürttemberg befinden. Es sind drei grundsätzliche Problemfelder, die hier zusammenkommen.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Ah ja!)

Der erste Punkt: Es fehlt in der Landespolitik offensichtlich eine inhaltliche Orientierung. Sparen heißt hier, mit dem Rasenmäher alles abzumähen, aber nicht, zu fragen: Wie gehen wir in Zeiten, in denen wir wenig Geld haben,

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Wo sollen wir denn noch sparen?)

sinnvoll damit um, ohne alles mit dem Rasenmäher niederzumähen? Darauf gibt es keine Antwort.