Herr Kollege Wetzel, wenn es zu der Befürchtung, die Herr Stächele als Argument der Lan desregierung ins Feld führt, er wolle unsere Beamten keinem strafrechtlichen Risiko aussetzen, einen belastbaren Vorgang gäbe, dann hätte ich Verständnis.
Wenn Sie dieses Argument bringen, frage ich Sie, welche Staatsanwaltschaft gegen welchen Beamten in NordrheinWestfalen oder in Hessen oder im Bund oder sonst wo ein Er mittlungsverfahren eingeleitet hat, weil dieser aktiv unterwegs war, um Steuerdaten-CDs zu kaufen. Das ist der Punkt.
(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP begibt sich zu einem Saalmikrofon. – Unruhe bei der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje! – Glocke des Präsiden ten)
Ich sage es noch ein mal: Über ein Verfahren aus Bayern ist die Frage der Steuer daten-CD beim Bundesverfassungsgericht gelandet,
und solange das Bundesverfassungsgericht nicht entschieden hat, gehe ich davon aus, dass die Staatsanwaltschaften kein Verfahren einleiten. Aber wissen Sie, wie das Bundesverfas sungsgericht entscheidet?
Es ist eine isolierte Rechtsauffassung im ganzen Bund, die die Landesregierung aufgrund der Intervention des Ihrer Partei angehörenden Justizministers eingenommen hat. Unsere Be wertung der Angelegenheit lautet nach wie vor: Sie schieben rechtliche Argumente vor, weil Sie politisch nicht handeln wollen.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es! – Abg. Ha gen Kluck FDP/DVP: Wie kommen Sie denn dar auf?)
Ich will aber auf Folgendes hinweisen, Herr Minister: Wenn Sie zu lange reden, wenn Sie also über die 20 Minuten, die der Regierung zustehen, hinausgehen, dann müsste ich den Fraktionen weitere Redezeiten geben. Ich sage das, damit ich Sie darauf hingewiesen habe.
(Heiterkeit – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Damit wir alle Bescheid wissen! – Abg. Peter Hauk CDU: Sie müssen nicht, Sie können!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur wenige Anmerkungen zu dieser Debatte. Zunächst einmal zum Streitwert: Wir stellen fest, dass wir durch die Selbstanzeigen über 100-mal mehr – über 100-mal mehr! – eingenommen haben, als wir durch die se CD im optimistischsten Fall je hätten erwarten können. Wir sind im einen Fall bei weit über 700 Millionen €, und durch die CD sind es – mit Optimismus angenommen – 7 Millio nen €. Hinzu kommt, dass mit Überschneidungen zu rechnen ist, sodass man schon jetzt fragen kann: Was ist die CD ei gentlich noch wert? Denn darauf sind vermutlich Daten von denselben Leuten erfasst. Das ist also der Streitwert.
Es geht im Übrigen – Herr Schmiedel, Sie haben sich zu Phra sen verstiegen, die ich gar nicht wiedergeben will; auf die Ge schichte mit der Schweiz komme ich gleich zu sprechen – bei diesem Geld – ich trage das nur nach, weil viele Leute, denen Sie Sand in die Augen streuen, das nicht wissen – um Einla gen in Höhe von durchschnittlich 50 000 €. Die 52 oder 56 Datensätze, die geprüft wurden, haben zunächst einmal er bracht, dass 40 % dieser Leute ihre Einnahmen ordentlich ver steuert haben. Ich sage das nur, weil es kürzlich in der Zei tung wieder hieß: „Jeder Satz ein Treffer.“ Das ist völlig idi otisch und daneben. 40 % haben ihre Einnahmen von vornhe rein versteuert. Die anderen haben dies nicht getan, und die sen Zustand wollen wir nicht. Wir wollen ihn bekämpfen.
Deshalb gibt es jetzt ein Abkommen mit der Schweiz. Ich hat te Gelegenheit, kürzlich in Berlin mit dem Bundesfinanzmi nister darüber zu reden. Wir sind mit der Schweiz – das habe ich immer betont – auf einem guten Weg, die Abkommen zu bekommen, die wir brauchen. Den ersten Meilenstein haben wir schon getan, ohne dass Sie bereit wären, das zur Kennt nis zu nehmen.
Sie sind nicht bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir für die Zukunft das Problem im Grunde genommen schon beseitigt haben, und zwar durch einen totalen Informationsaustausch mit der Schweizer Steuerverwaltung. Das ist praktisch nichts anderes, als wenn ein deutsches Finanzamt ein anderes deut sches Finanzamt fragt. Genauso kann ein deutsches Finanz amt, wenn die Abkommen unterschrieben sind, ein Schwei zer Finanzamt fragen.
Aber bedrückend – das muss ich Ihnen schon sagen – ist für mich, wie mit der Schweiz umgegangen wird. Das ist ein Land, in dem die Leute seit 700 Jahren Demokratie haben. Ich will nicht erzählen, was wir in dieser Zeit auf deutschem Bo den alles veranstaltet haben.
Diesem Land bringen Sie eine Arroganz entgegen. Ich erin nere an die Äußerung Steinbrücks. Furchtbar! Ich finde diese herablassende Haltung gegenüber einem Nachbarland wirk lich furchtbar. Sie gipfelt darin, dass Sie es – das machen Sie geschickt; man weiß ja, wie man so etwas macht – in die Nä he eines „Schurkenstaats“ rücken.
Wenn Sie nicht die Courage haben, sich dafür hier zu entschul digen, dann tue ich es. Ich entschuldige mich hiermit für das, was in diesem Raum durch Sie gesagt wurde.
Wir haben für die Zukunft – ich habe es angesprochen – das Problem im Prinzip gelöst, und wir können davon ausgehen, dass jetzt durch die Selbstanzeigen ein Großteil der Vergan genheitsbewältigung stattgefunden hat. Sie hören ja von den Steuerberatern, wenn Sie sie fragen, das sei eher ein Problem der Menschen ab 50. Das hat jemand schon mit dem Scherz verbunden, dass man vielleicht Angst haben muss, dass die Jüngeren kein Geld mehr haben.
Es ist ein Problem der Älteren, und es ist mit Sicherheit schon ein großes Stück weit aufgearbeitet. Spätestens jetzt, würde ich sagen, müssten bei diesem Geschehen, wenn wir bei die ser Thematik einmal auf dem Boden bleiben, doch allein schon die datenschutzrechtlichen Bedenken in Ihre Köpfe kommen. So leichtfertig kann man damit doch nicht umsprin gen. Ich bin ganz sicher: Wenn ein deutsches Finanzamt einer deutschen Bank, z. B. der BW-Bank, sagen würde: „Gebt uns einmal eure Kundendaten, wir wollen schauen, was da los ist“, dann würde die Bank sagen: „Was? Dafür gibt es gar keine Grundlage.“ Aber bei einer Schweizer CD, deren Daten ge klaut sind, halten Sie das dann für unbedenklich. Was für ein datenschutzrechtliches Verständnis ist das denn!
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sagen Sie das doch einmal Frau Merkel und ihrer Regierung!)
Aber es passiert etwas ganz anderes. Spätestens jetzt sollten diese Bedenken auch Ihnen klar werden. Aber spätestens jetzt sollte auch jedem klar werden, dass die SPD diese politische Debatte nur krampfhaft am Leben hält, um politisch abzuko chen,
Die möglicherweise größte Fehlinformation ist die, dass es ei ne isolierte Position wäre, wenn man da Bedenken erhebt. Ei ne isolierte Position! Ich kann Ihnen nur sagen: Ich habe die Studie hier, die die Strafrechtsexperten in meinem Haus ge macht haben. Diese kommen zu dem schlichten Schluss, dass in der strafrechtlichen Literatur die Mehrheit – die Mehrheit! – der Meinung ist – und zwar, wie mir die Leute sagen, mit den besseren Argumenten –, dass das Ganze strafbar sei. So ist es.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Welches andere Land ist denn auf Ihrer Seite? – Gegenruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Hören Sie doch einmal mit Ih rem dummen Geschwätz auf!)
Ich stelle einmal die Gegenfrage: Wer hat eigentlich noch gekauft, seitdem diese Bedenken deutlich geworden sind? Das nur einmal am Rand.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Ihr macht es nicht, aber die Bundesregierung macht es! Wem gilt dann der Vorwurf?)
Ich habe übrigens im Haus intern keine Aufträge erteilt. Es war geradezu umgekehrt: Ich bin vom Haus auf diese Beden ken aufmerksam gemacht worden.
Aber ich nenne Ihnen jetzt noch einmal jemanden – der Na me ist schon gefallen –, der von mir sicherlich keine Aufträ ge entgegennimmt, den bereits zitierten Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts a. D., Hassemer. Er kommt übri gens von Ihrer Partei. Er hat klar gesagt:
In der letzten Woche habe ich zur Unterstützung einen Brief von der Bundesrechtsanwaltskammer erhalten, auch einen vom Anwaltverein und beispielsweise vom Freiburger MaxPlanck-Institut.