Protokoll der Sitzung vom 14.04.2010

Herr Kollege Wetzel, wenn es zu der Befürchtung, die Herr Stächele als Argument der Lan desregierung ins Feld führt, er wolle unsere Beamten keinem strafrechtlichen Risiko aussetzen, einen belastbaren Vorgang gäbe, dann hätte ich Verständnis.

(Zuruf: Einen Vorgang?)

Wenn Sie dieses Argument bringen, frage ich Sie, welche Staatsanwaltschaft gegen welchen Beamten in NordrheinWestfalen oder in Hessen oder im Bund oder sonst wo ein Er mittlungsverfahren eingeleitet hat, weil dieser aktiv unterwegs war, um Steuerdaten-CDs zu kaufen. Das ist der Punkt.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP begibt sich zu einem Saalmikrofon. – Unruhe bei der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje! – Glocke des Präsiden ten)

Herr Kollege Schmie del, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Kol legen Dr. Wetzel?

(Unruhe – Abg. Reinhold Gall SPD: Er hat doch nur zwei Fragen! Das ist seine dritte!)

Herr Kollege Dr. Wetzel, bitte.

Ich sage es noch ein mal: Über ein Verfahren aus Bayern ist die Frage der Steuer daten-CD beim Bundesverfassungsgericht gelandet,

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

und solange das Bundesverfassungsgericht nicht entschieden hat, gehe ich davon aus, dass die Staatsanwaltschaften kein Verfahren einleiten. Aber wissen Sie, wie das Bundesverfas sungsgericht entscheidet?

Bitte, Herr Kollege Schmiedel.

Es gibt kein Verfahren, und da mit ist dem, was ich gesagt habe, überhaupt nicht widerspro chen.

(Zurufe der Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU und Hei derose Berroth FDP/DVP)

Es ist eine isolierte Rechtsauffassung im ganzen Bund, die die Landesregierung aufgrund der Intervention des Ihrer Partei angehörenden Justizministers eingenommen hat. Unsere Be wertung der Angelegenheit lautet nach wie vor: Sie schieben rechtliche Argumente vor, weil Sie politisch nicht handeln wollen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es! – Abg. Ha gen Kluck FDP/DVP: Wie kommen Sie denn dar auf?)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Justizminister Professor Dr. Goll das Wort.

Ich will aber auf Folgendes hinweisen, Herr Minister: Wenn Sie zu lange reden, wenn Sie also über die 20 Minuten, die der Regierung zustehen, hinausgehen, dann müsste ich den Fraktionen weitere Redezeiten geben. Ich sage das, damit ich Sie darauf hingewiesen habe.

(Heiterkeit – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Damit wir alle Bescheid wissen! – Abg. Peter Hauk CDU: Sie müssen nicht, Sie können!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur wenige Anmerkungen zu dieser Debatte. Zunächst einmal zum Streitwert: Wir stellen fest, dass wir durch die Selbstanzeigen über 100-mal mehr – über 100-mal mehr! – eingenommen haben, als wir durch die se CD im optimistischsten Fall je hätten erwarten können. Wir sind im einen Fall bei weit über 700 Millionen €, und durch die CD sind es – mit Optimismus angenommen – 7 Millio nen €. Hinzu kommt, dass mit Überschneidungen zu rechnen ist, sodass man schon jetzt fragen kann: Was ist die CD ei gentlich noch wert? Denn darauf sind vermutlich Daten von denselben Leuten erfasst. Das ist also der Streitwert.

Es geht im Übrigen – Herr Schmiedel, Sie haben sich zu Phra sen verstiegen, die ich gar nicht wiedergeben will; auf die Ge schichte mit der Schweiz komme ich gleich zu sprechen – bei diesem Geld – ich trage das nur nach, weil viele Leute, denen Sie Sand in die Augen streuen, das nicht wissen – um Einla gen in Höhe von durchschnittlich 50 000 €. Die 52 oder 56 Datensätze, die geprüft wurden, haben zunächst einmal er bracht, dass 40 % dieser Leute ihre Einnahmen ordentlich ver steuert haben. Ich sage das nur, weil es kürzlich in der Zei tung wieder hieß: „Jeder Satz ein Treffer.“ Das ist völlig idi otisch und daneben. 40 % haben ihre Einnahmen von vornhe rein versteuert. Die anderen haben dies nicht getan, und die sen Zustand wollen wir nicht. Wir wollen ihn bekämpfen.

Deshalb gibt es jetzt ein Abkommen mit der Schweiz. Ich hat te Gelegenheit, kürzlich in Berlin mit dem Bundesfinanzmi nister darüber zu reden. Wir sind mit der Schweiz – das habe ich immer betont – auf einem guten Weg, die Abkommen zu bekommen, die wir brauchen. Den ersten Meilenstein haben wir schon getan, ohne dass Sie bereit wären, das zur Kennt nis zu nehmen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Sie sind nicht bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir für die Zukunft das Problem im Grunde genommen schon beseitigt haben, und zwar durch einen totalen Informationsaustausch mit der Schweizer Steuerverwaltung. Das ist praktisch nichts anderes, als wenn ein deutsches Finanzamt ein anderes deut sches Finanzamt fragt. Genauso kann ein deutsches Finanz amt, wenn die Abkommen unterschrieben sind, ein Schwei zer Finanzamt fragen.

Aber bedrückend – das muss ich Ihnen schon sagen – ist für mich, wie mit der Schweiz umgegangen wird. Das ist ein Land, in dem die Leute seit 700 Jahren Demokratie haben. Ich will nicht erzählen, was wir in dieser Zeit auf deutschem Bo den alles veranstaltet haben.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Diesem Land bringen Sie eine Arroganz entgegen. Ich erin nere an die Äußerung Steinbrücks. Furchtbar! Ich finde diese herablassende Haltung gegenüber einem Nachbarland wirk lich furchtbar. Sie gipfelt darin, dass Sie es – das machen Sie geschickt; man weiß ja, wie man so etwas macht – in die Nä he eines „Schurkenstaats“ rücken.

Wenn Sie nicht die Courage haben, sich dafür hier zu entschul digen, dann tue ich es. Ich entschuldige mich hiermit für das, was in diesem Raum durch Sie gesagt wurde.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Rein hold Gall SPD: Lächerlich!)

Wir haben für die Zukunft – ich habe es angesprochen – das Problem im Prinzip gelöst, und wir können davon ausgehen, dass jetzt durch die Selbstanzeigen ein Großteil der Vergan genheitsbewältigung stattgefunden hat. Sie hören ja von den Steuerberatern, wenn Sie sie fragen, das sei eher ein Problem der Menschen ab 50. Das hat jemand schon mit dem Scherz verbunden, dass man vielleicht Angst haben muss, dass die Jüngeren kein Geld mehr haben.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje!)

Es ist ein Problem der Älteren, und es ist mit Sicherheit schon ein großes Stück weit aufgearbeitet. Spätestens jetzt, würde ich sagen, müssten bei diesem Geschehen, wenn wir bei die ser Thematik einmal auf dem Boden bleiben, doch allein schon die datenschutzrechtlichen Bedenken in Ihre Köpfe kommen. So leichtfertig kann man damit doch nicht umsprin gen. Ich bin ganz sicher: Wenn ein deutsches Finanzamt einer deutschen Bank, z. B. der BW-Bank, sagen würde: „Gebt uns einmal eure Kundendaten, wir wollen schauen, was da los ist“, dann würde die Bank sagen: „Was? Dafür gibt es gar keine Grundlage.“ Aber bei einer Schweizer CD, deren Daten ge klaut sind, halten Sie das dann für unbedenklich. Was für ein datenschutzrechtliches Verständnis ist das denn!

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sagen Sie das doch einmal Frau Merkel und ihrer Regierung!)

Spätestens jetzt müssten Sie da doch einmal zu dieser Einsicht kommen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Warum greifen Sie nicht die Bundesregierung an?)

Aber es passiert etwas ganz anderes. Spätestens jetzt sollten diese Bedenken auch Ihnen klar werden. Aber spätestens jetzt sollte auch jedem klar werden, dass die SPD diese politische Debatte nur krampfhaft am Leben hält, um politisch abzuko chen,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Die Bundesregierung macht mit!)

um mit Fehlinformationen abzukochen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Manfred Groh CDU: Genau! Richtig!)

Die möglicherweise größte Fehlinformation ist die, dass es ei ne isolierte Position wäre, wenn man da Bedenken erhebt. Ei ne isolierte Position! Ich kann Ihnen nur sagen: Ich habe die Studie hier, die die Strafrechtsexperten in meinem Haus ge macht haben. Diese kommen zu dem schlichten Schluss, dass in der strafrechtlichen Literatur die Mehrheit – die Mehrheit! – der Meinung ist – und zwar, wie mir die Leute sagen, mit den besseren Argumenten –, dass das Ganze strafbar sei. So ist es.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das war eine Auftrags arbeit, Herr Goll!)

Ja, das können Sie vielleicht sagen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Welches andere Land ist denn auf Ihrer Seite? – Gegenruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Hören Sie doch einmal mit Ih rem dummen Geschwätz auf!)

Ich stelle einmal die Gegenfrage: Wer hat eigentlich noch gekauft, seitdem diese Bedenken deutlich geworden sind? Das nur einmal am Rand.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Ihr macht es nicht, aber die Bundesregierung macht es! Wem gilt dann der Vorwurf?)

Ich habe übrigens im Haus intern keine Aufträge erteilt. Es war geradezu umgekehrt: Ich bin vom Haus auf diese Beden ken aufmerksam gemacht worden.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ha, ha, ha!)

Aber ich nenne Ihnen jetzt noch einmal jemanden – der Na me ist schon gefallen –, der von mir sicherlich keine Aufträ ge entgegennimmt, den bereits zitierten Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts a. D., Hassemer. Er kommt übri gens von Ihrer Partei. Er hat klar gesagt:

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP zur SPD: Habt ihr den schon ausgeschlossen?)

„Ein Datenankauf passt nicht in den Rechtsstaat.“

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

In der letzten Woche habe ich zur Unterstützung einen Brief von der Bundesrechtsanwaltskammer erhalten, auch einen vom Anwaltverein und beispielsweise vom Freiburger MaxPlanck-Institut.