Protokoll der Sitzung vom 25.06.2014

Klar muss aber auch sein: Die Förderung von Kohlenwasser stoffen aus unkonventionellen Lagerstätten mittels Fracking – sollte dies irgendwann ohne den Einsatz umwelttoxischer Substanzen möglich sein – ist kein Ersatz für den Umstieg auf erneuerbare Energien. Denn auch Kohlenwasserstoffe in un konventionellen Lagerstätten sind fossile Brennstoffe und da mit endlich.

Gabriel selbst hat sich gleich in mehreren Interviews dazu ge äußert. Die „Bild“ fragt ihn: „Brauchen wir Fracking in Deutschland?“ Gabriel antwortet:

Nach meiner Überzeugung ist das Risiko für Mensch und Umwelt mit den heutigen Techniken einfach zu hoch. Aber die Unternehmen forschen ja an einer besseren Techno logie. Die Ergebnisse werden wir uns anschauen müssen.

Beim Interview von Greenpeace wird gefragt:

Beim Fracking werden große Mengen Wasser und Che mikalien in tiefliegende Schieferschichten gepresst, um das darin gebundene Gas freizulegen und zu fördern. Mit den Ressourcen könnte Deutschland seinen Erdgasbedarf zwölf Jahre lang decken. Eine gute Idee?

Gabriel sagt:

Nein, nach allem, was wir gegenwärtig darüber wissen, sollte man davon die Finger lassen.

Das ist doch sehr deutlich.

„Frankreich hat Fracking verboten“, sagt Greenpeace. „For dern Sie das auch für Deutschland?“ Gabriel sagt:

Solange es technologisch nötig ist, Chemikalien in den Boden zu pressen, die dann drohen, ins Grundwasser ein

zudringen, sollten in Deutschland... keine Genehmigun gen erteilt werden.

„In einem Leitlinienpapier der SPD heißt es..., Fracking in Deutschland solle ‚möglich bleiben‘“, sagt Greenpeace. Ga briel sagt dazu:

In unserem Wahlprogramm fordern wir einen Verzicht auf das Fracking, „bis alle Risiken für Gesundheit und Um welt bewertet und ausgeschlossen“ sind. Ich bin kein Hellseher und weiß nicht, ob Fracking irgendwann ohne Chemikalien möglich ist.

Hilfreich in diesem Nachrichtenwirrwarr der letzten Wochen waren auch die Aussagen der ja nicht ganz unmaßgeblichen Mi nisterpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft,

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Wer ist das? – Zuruf des Abg. Volker Schebesta CDU)

die betont, dass es mit ihr kein Fracking geben wird. Nord rhein-Westfalen ist das Land, in dem natürlich die meisten Möglichkeiten dafür bestehen würden. Aber da sie noch sehr lange regieren wird, gehe ich davon aus, dass ihr Wort auch im Bund Gewicht haben wird.

Der Einzige übrigens, der immer noch glaubt, dass Fracking unsere Energieprobleme lösen könnte, ist Herr Energiekom missar Oettinger.

(Zurufe von der SPD, u. a.: Oje, oje!)

Lassen Sie uns nun also in aller Ruhe den für die Zeit nach der Sommerpause angekündigten Entwurf von Eckpunkten und Gesetz aus dem Hause Hendricks abwarten. Es gibt kei ne Äußerungen, die darauf hindeuten, dass sie anders ausse hen als bereits angekündigt.

Lassen Sie uns hier und heute wiederholt festhalten: BadenWürttemberg will und braucht keine unkonventionelle Gas förderung. Ein solches Strohfeuer würde einige wenige Jahre nützen. Es würde uns eher beim Eiltempo des Umbaus, der Energiewende behindern und die nachfolgenden Generatio nen mit weiteren Problemen belasten, die für die Landschaft unerträglich wären.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Und was soll uns das jetzt sagen?)

Für die CDU-Fraktion spricht Kol lege Reuther.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben inzwischen hier im Landtag zahlreiche Diskussionen über Fracking geführt – bemerkenswerterweise zum Teil sehr einhellig, was wir alle begrüßen –, nicht zuletzt am 28. Juni 2012, als wir hier eine gemeinsame, über alle Fraktionen hinweg reichende Beschluss fassung vorgenommen haben, nämlich die Landesregierung beauftragt haben, zum einen auf Bundesebene auf ein Mora torium zur Verhinderung des Einsatzes umwelttoxischer Stof fe bei der Erschließung von Gasvorkommen in unkonventio nellen Gesteinsschichten hinzuwirken und zum anderen auch

eine Änderung des Bergrechts herbeizuführen, um eine obli gatorische Umweltverträglichkeitsprüfung zu veranlassen, so bald Fracking irgendwo zum Einsatz kommen soll.

Wir hatten Fracking im Bereich der Trinkwassergewinnung, insbesondere in Wasserschutzgebieten, kategorisch ausge schlossen und hatten auch ein generelles Einvernehmen dar über erzielt, ein Vetorecht für die Wasserbehörden beim Ein satz von Fracking einzuführen.

So war für uns von der CDU eigentlich alles besprochen,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Aha!)

und wir sagten: „Hoppla! Hierüber bräuchten wir doch eigent lich die nächsten Jahre nicht mehr zu diskutieren.“

Aber bereits im Juni 2013 haben wir hier schon wieder über Fracking diskutiert. Damals war es der hochgeschätzte Kol lege Müller, der vor der Bundestagswahl ein wahltaktisches Kalkül vermutete, was ich persönlich natürlich von vornher ein ausschließe.

(Heiterkeit bei der CDU)

Eine weitere Diskussion hatten wir hier zuletzt vor wenigen Wochen, im April. Damals hat hier der Kollege Lusche ge sprochen. Vermutlich war das Ankündigungen der Bundesmi nisterin Hendricks geschuldet, dass man jetzt auf Bundesebe ne wohl noch in diesem Jahr zu einer einheitlichen Lösung kommen sollte mit einer Änderung des Bergrechts, nämlich ebendieser obligatorischen Umweltverträglichkeitsprüfung und auch dieses Verbots des Einsatzes umwelttoxischer Stof fe bei Fracking.

Wir hatten damals hier im Landtag noch darauf hingewiesen: Dies gilt ausdrücklich, solange die Risiken nicht absehbar und nicht abschätzbar sind. Dazu komme ich nachher noch. Da sind wir seitens der CDU inzwischen schon einen ganzen Schritt weiter, was ich für durchaus bemerkenswert halte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir hatten ein wenig den Eindruck, nachdem Nordrhein-West falen und Schleswig-Holstein durch ihre Minister Anfang des Jahres eine Bundesratsinitiative anstrengen wollten, um ge nau diese Dinge umzusetzen, dass man sich hier im Land sei tens Grün-Rot etwas als Getriebene sah und dass man deshalb reagieren musste und deshalb auch eine erneute Diskussion entfachte. Herr Lusche vermutete damals, dass vor allem die Grünen darum bangen, dass sie ihre Vormachtstellung bei der Diskussion über Fracking und ihr selbst reklamiertes Aus schließlichkeitsprinzip verlieren würden. Ich zitiere hier nur meinen Kollegen Lusche.

So hatte man schon ein wenig den Eindruck, dass man beim Wettlauf um die Gunst einer etwas verschreckten und einge schüchterten Öffentlichkeit bundesweit und hier im Land na türlich nicht hintendran bleiben durfte. Da durften SPD und Grüne natürlich ebenfalls nicht fehlen, denn auch ein wenig Aktionismus kann in dieser Beziehung sicherlich nicht scha den.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Baden-Württemberg war immer ein technologieoffenes und -freundliches Land. Aber ich habe den Eindruck, liebe Kolle

ginnen und Kollegen, dass wir dies bei der Fracking-Diskus sion von Anfang an niemals waren.

Da gefällt mir eine durchaus differenzierte Diskussion schon besser – die Kollegin Grünstein hat es erwähnt –, wie sie jetzt gerade auch in Niedersachsen geführt wird, wo es darum geht, dass Tight Gas aus Sandsteinschichten in 2 500 m Tiefe durch aus weiterhin mithilfe der Fracking-Methode gefördert wer den darf, aber die Schiefergasförderung eben per se ausge schlossen wird. Hier geht es um den Einsatz von Chemikali en mit Gefährdungsstufen. Das heißt, hier wird eigentlich auf einem qualitativ recht hohen Niveau diskutiert. Dies führt in dieser Diskussion zu einer Versachlichung, die mir im Land, aber auch bundesweit bei diesem Thema oftmals deutlich fehlt, was auch die Bevölkerung nachhaltig verunsichert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Was sagen Sie zu Oettinger?)

Dazu komme ich gleich. Wegen Ihnen würde ich da sogar eine kleine Parenthese vornehmen, Kollege Schmiedel.

Besondere Verwunderung hat bei uns ausgelöst, dass wir heu te, auch noch von der SPD initiiert, wiederum über dieses The ma diskutieren, nachdem sich offensichtlich zwischen den bei den SPD-geführten Ministerien im Bund eine Einigung abzu zeichnen scheint. Die Referentenentwürfe werden abgestimmt und sollen vielleicht sogar schon in diesem Jahr zu gesetzli chen Regelungen führen, die mir auch sinnvoll erscheinen.

Aber ganz offensichtlich ist man seitens der Landes-SPD nun doch etwas aufgeschreckt durch einen Brief, den Bundesmi nister Gabriel Ende Mai an Frau Dr. Gesine Lötzsch, die Vor sitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag, geschrie ben hatte und der Anlass für diese wilden Spekulationen ge geben hat.

Es geht hier um die Änderung – nach unserem Dafürhalten ei gentlich eine völlig banale Geschichte – der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung in bergbaulichen Vorha ben und um eine Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes – die Kollegin Grünstein hat es bereits ausgeführt –, also um Din ge, die wir hier selbst schon gefordert und beschlossen hatten.

Aber wenn nun so wilde Spekulationen aufkommen, dann muss das wahrscheinlich schon auf irgendwelche missver ständlichen Forderungen zurückzuführen sein. Das liegt of fensichtlich auch daran, dass ausdrücklich in diesem Brief drinstand, dass die Erlaubnis der Wasserbehörde bei Fracking erforderlich sei und dass ein Verbot dieses Vorhabens in Was serschutzgebieten greifen sollte; weiter gehende Anforderun gen an Fracking-Genehmigungsverfahren würden noch intern geprüft.

Daraus haben natürlich viele schon geschlossen: Jetzt kann es überall sonst, auf 86 % der Landesfläche, erfolgen. Wir hat ten nur gehofft, dass dem mitnichten so sei. Sie haben es jetzt heute nochmals bestätigt, und wir gehen davon aus, dass dies auch Minister Gabriel oben in Berlin vernommen hat.

Sie haben gefragt: „Was hat Herr Oettinger gesagt?“ Bei Oet tinger wissen wir wenigstens, von was er spricht und was er davon hält. Da ist die Meinung eindeutig.

(Beifall bei der CDU)

Selbst Kollege Hahn sprach von einem „Fracking-Ermögli chungsgesetz“, und deshalb musste auch Frau Ministerin Hen dricks gleich zurückrudern. Sie hatten auch erwähnt, dass sie in einem Interview noch einmal klar strenge Fracking-Regeln vorgab und hierbei auch noch einmal darauf hinwies, dass die se selbst für Forschungszwecke gelten.

Aber wir fragen uns natürlich schon: Wie läuft denn die Ab stimmung zwischen den SPD-Ressorts auf Bundesebene, und wie läuft die Abstimmung hier zwischen Landes- und Bun des-SPD? Ganz offensichtlich haben wir den Eindruck, dass die SPD im Land ein bisschen die Sorge hatte, dass diese we nig klar definierten Äußerungen des Bundesministers Gabri el den Fraktionsfrieden hier im Land doch deutlich belasten können, und darum führen wir heute auch diese Diskussion.