Protokoll der Sitzung vom 15.10.2014

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Ja! Bravo! – Abg. Friedlinde Gurr- Hirsch CDU: Alles richtig!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hätte mich sehr gefreut, wenn wir heute ebenfalls gemeinsam einen solchen Antrag hätten verabschieden können. Wir hatten bis zum Montagmor gen noch einen Konsens. Ich frage mich, warum Sie ausge schert sind, Herr Hauk.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Ich frage mich, was hier passiert ist.

Jetzt legen Sie einen eigenen Antrag vor. Dieser Antrag weist aber einen ganz zentralen Unterschied zu dem der anderen drei Fraktionen auf. Er nimmt nämlich nicht mehr Bezug auf das, was Bundestag und Bundesrat zum Thema Netzausbau entschieden haben – so, als würde hier in Deutschland jetzt alles von vorn losgehen. Das ist der Punkt, den wir nicht ak zeptieren können.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist Herr Seehofer!)

Das ist Seehofer pur. – Wir haben einen langen Diskussi onsprozess hinter uns und sind zu einer Entscheidung gelangt. Wenn nun so gehandelt wird, wundere ich mich schon. Am Freitag erhielten Sie von uns den Entwurf für einen gemein samen Antrag, mit dem die bestehende Gemeinsamkeit nur noch einmal bekräftigt werden sollte. Und nun bekommen wir heute einen solchen Antrag von Ihnen vorgelegt. Ich verstehe das nicht. Herr Nemeth, Sie drehen Ihre Pirouetten fast noch schneller als Herr Seehofer.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: So sieht es aus! – Zu ruf des Abg. Paul Nemeth CDU)

Ich kann nur sagen: Mit Wirtschaftskompetenz hat das nicht mehr viel zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: So ist es! – Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Paul Nemeth CDU)

Aber eines ist auch klar – auch das steht in den entsprechen den Gesetzen –: Wir bauen nur die Trassen, die wirklich not wendig sind. Deshalb haben wir hierfür in Deutschland auch klare Verfahren. Die Betreiber der Übertragungsnetze machen Vorschläge für einen Netzentwicklungsplan. Diese werden dann von der Bundesnetzagentur bestätigt – oder auch nicht. Anschließend wird der Bundesbedarfsplan alle drei Jahre vom Gesetzgeber – Bundestag, Bundesrat – fortgeschrieben.

Im letzten Jahr war es beispielsweise so, dass von 90 Maß nahmen, die die Betreiber der Übertragungsnetze vorgeschla gen hatten, von der Bundesnetzagentur gerade einmal 56 ge nehmigt worden sind. Wir haben also tatsächlich funktionie rende Strukturen, um überzogenen Vorstellungen der Netzbe treiber einen Riegel vorzuschieben. Wenn die Bundesnetz agentur hier der TransnetBW immer wieder einmal auf die Finger haut, ist das ganz richtig, und das ist auch gut so.

Das gilt natürlich auch für die Trasse, über die jetzt groß dis kutiert wird, nämlich für die Trasse Bünzwangen–Goldshöfe. Die steht übrigens auch gar nicht im Bundesbedarfsplange setz, sondern im EnLAG, im Energieleitungsausbaugesetz, das im Jahr 2009, also vor dem Atomausstieg, beschlossen wurde. Bei den darin aufgeführten Maßnahmen muss heute

natürlich nochmals hinterfragt werden, ob diese Trassen wirk lich notwendig sind oder ob man z. B. durch HGÜ-Trassen, die kommen sollen – Kollege Renkonen hat gerade SuedLink angesprochen –, nicht auf andere Maßnahmen, die schon im EnLAG stehen, verzichten kann.

Genau das passiert ja auch beim EnLAG. Danach erfolgt al le drei Jahre ein Überprüfungsprozess.

Aus Baden-Württemberg sind die Maßnahmen 22 bis 24 in diesem EnLAG. Welche Situation haben wir da? Wir haben eine Netzverstärkung von Großgartach nach Mühlhausen. Der Planfeststellungsbeschluss steht. Die Maßnahme kommt.

Wir haben eine Trasse von Villingen nach Weier. Dazu hat man festgestellt, dass man die nicht braucht. Die Trasse wur de beiseite gelegt, ist aus dem EnLAG heraus.

Die Trasse Bünzwangen–Goldshöfe ist zurzeit zurückgestellt, es läuft eine elektrizitätswirtschaftliche Bedarfsanalyse, die meines Erachtens auch ein recht eindeutiges Ergebnis ge bracht hat. Der Bundesgesetzgeber wird dann abschließend entscheiden, ob diese Trasse im EnLAG bleibt oder nicht.

Ich glaube, Herr Kollege Nemeth, wir sollten unseren Bun destagsabgeordneten – gerade den Bundestagsabgeordneten von SPD und CDU in der Großen Koalition – durchaus zu trauen, dass sie da eine korrekte und verantwortungsbewuss te Entscheidung treffen. Vor diesem Hintergrund glaube ich, dass wir hier guten Mutes in die Zukunft blicken können und mit diesem Antrag, den Grüne, SPD und FDP/DVP gemeinsam eingebracht haben, auch absolut auf dem richtigen Weg sind.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Haußmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im September hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt gemeinsam mit der Universität Stuttgart eine Studie erstellt, aus der hervor geht, dass dann, wenn die Trassen nicht so realisiert werden, in Baden-Württemberg und in Süddeutschland eine Stromlü cke droht. Minister Untersteller hat diese Studie auch sehr ernst genommen und sie entsprechend kommentiert. Dafür sind wir dankbar. Denn nach unserem Eindruck war das in der Vergangenheit nicht immer so.

Bei einigen Aussagen haben wir uns schon die Frage gestellt, ob man den Ernst der Lage denn wirklich erkannt hat. Dabei reicht das kleine Einmaleins, um zu sehen, dass in Süd deutschland mehrere Tausend Megawatt gesicherte Leistung fehlen werden, wenn bis 2022 die restlichen Kernkraftwerke vom Netz gehen und gleichzeitig Investitionen in moderne Gaskraftwerke ausbleiben, weil diese wirtschaftlich aus dem Markt gedrängt werden.

Natürlich kann ein planungsrechtlich, technisch und politisch so anspruchsvolles Vorhaben wie der Ausbau der Nord-SüdLeitungen auch einmal ins Stocken geraten. Deshalb wäre es hilfreich gewesen, wenn die grün-rote Landesregierung das Problem nicht jahrelang verniedlicht hätte und nicht erst jetzt aufgewacht wäre, wenn es sozusagen fünf vor zwölf ist.

Die Abschaltung der letzten Kernkraftwerke in Süddeutsch land bei einem gleichzeitig unvollendeten Ausbau der NordSüd-Trassen ist eine Operation am offenen Herzen der Ener gieversorgung. Deshalb ist die unverantwortliche Blockade taktik, die die Bayerische Staatsregierung unter der Führung von Ministerpräsident Seehofer betreibt, ein brandgefährli ches Spiel.

(Beifall bei der FDP/DVP, den Grünen und der SPD)

Obwohl Bayern, Baden-Württemberg und Südhessen im Ver gleich zu den nördlichen Transitländern von den Trassenfüh rungen weniger betroffen sind, sind sie die Hauptprofiteure dieser wichtigen Infrastruktur. Jegliche Blockadehaltung und Verzögerungstaktik verbietet sich daher.

Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, ist es aber nicht, weil die CSU in Bayern diffuse Ängste in Teilen der Bevöl kerung vor einem zukunftsträchtigen Technologie- und Infra strukturprojekt anheizt und auf dieser Grundlage bestehende Rechtsgrundlagen infrage stellt, um daraus politisch Kapital zu schlagen.

Wir brauchen die im Bundesbedarfsplangesetz als vordring lich eingestuften Übertragungstrassen. Auch wenn Minister präsident Seehofer dies nicht einsehen will: Der zeitnahe Aus bau der Übertragungstrassen von der windreichen Küste in den wirtschaftsstarken Süden ist unerlässlich, weil das Bun desbedarfsplangesetz, das noch unter der Union – also auch der CSU – und der FDP verabschiedet wurde, geltendes Recht ist. Er ist unerlässlich, weil dieses Bundesgesetz die energie wirtschaftliche Notwendigkeit und den vordringlichen Bedarf der Trassen verbindlich feststellt. Er ist unerlässlich, weil ei ne Stromlücke selbst dann, wenn sie nur eine erhöhte Zahl kurzfristiger Stromausfälle mit sich brächte, volkswirtschaft liche Schäden in Milliardenhöhe auslösen und mittelfristig zu massenhaften Produktions- und Arbeitsplatzverlagerungen führen würde.

Letztlich ist der Ausbau auch deshalb notwendig, weil wir den Windstrom dort erzeugen müssen, wo das ohne die heutigen Milliardensubventionen über die Ökostromumlage wirtschaft lich ist, das heißt dort, wo eben ausreichend Wind weht. Das ist an der Küste und perspektivisch, sofern die Offshorewind kraft ihre Stromgestehungskosten bis 2020, wie geplant, sen ken kann, vor der Küste, aber nicht im Südwesten. Im Süd westen kommen die Windräder durchschnittlich auf gerade einmal 1 200 Volllaststunden; in Schleswig-Holstein sind es mehr als 2 000 und auf See sogar mehr als 4 200.

Ein allzu hoch erhobener Zeigefinger steht daher aber auch den Grünen nicht gut an. Anstatt – wie wir es natürlich auch tun – in Richtung Bayern zu schimpfen, ist es wichtig, dass die Landesregierung mit gutem Beispiel vorangeht. Deswe gen fordert die FDP/DVP-Fraktion – erstens – die Landesre gierung auf, im Bundesrat Druck auf den Bund auszuüben, damit für die Erdkabellösung endlich eine ausreichende Rechtsgrundlage geschaffen wird.

Zweitens: Verstärken Sie die Dialoge über die möglichen Standorte für den Hochspannungs-Gleichstrom-Konverter am Trassenendpunkt in der Region Philippsburg.

Drittens: Bereiten Sie in enger fachlicher, räumlicher und zeit licher Abstimmung mit den betroffenen Übertragungsnetzbe

treibern und einem neutralen Verband einen modernen Bür gerdialog vor. Man muss dieses Rad nicht neu erfinden. Schleswig-Holstein und die Deutsche Umwelthilfe haben beim Bürgerdialog zur Westküstenleitung vorgemacht, wie man den Dialog mit den Bürgern im Dienste einer Verfahrens beschleunigung nutzen kann.

Unser Eindruck ist: Die Übertragungsnetzbetreiber erwarten vom Umweltminister jetzt endlich konkrete Schritte.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Konrad Epp le CDU)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Umweltminister Untersteller das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Die Diskussion über die Notwendig keit des Stromnetzausbaus schlägt, wie wir alle wissen, seit geraumer Zeit Wellen. Grund dafür sind vor allem die – je denfalls aus meiner Sicht – unverantwortlichen Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten vor etwa anderthalb Wo chen, der den Bau der äußerst wichtigen Maßnahmen zum Ausbau des Übertragungsnetzes von Nord nach Süd grund sätzlich infrage gestellt hat und stattdessen den Bau von sub ventionierten Gaskraftwerken in Bayern fordert.

Ich halte dies für eine verantwortungslose Politik – das will ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen – auf Kosten der Ver sorgungssicherheit hier in Süddeutschland, und ich halte es im Kern auch für einen Angriff auf die Energiewende. Man schadet damit den Unternehmen hier in Baden-Württemberg, man schadet damit übrigens auch den Unternehmen in Bay ern, die auf eine sichere Energieversorgung angewiesen sind, und man schwächt mit einer solchen Politik den Wirtschafts standort hier in Süddeutschland.

(Beifall bei den Grünen)

Meine Damen und Herren, eine solche Politik, die nur auf kurzfristige Beliebtheitswerte in der Wählerschaft ausgerich tet ist, ist mit mir nicht zu machen. Deshalb freut es mich, lie ber Herr Kollege Nemeth, dass man sich hier heute über alle Fraktionen hinweg im Grundsatz sehr einig war. Es freut mich auch, dass sich der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Herr Hauk, mit deutlichen Worten gegen die Haltung Seehofers ausge sprochen hat.

Ich will noch einmal aus der Presse vom 7. Oktober zitieren:

CDU-Fraktionschef Peter Hauk ging sogar schärfer mit dem Unions-Mann ins Gericht. „Ich halte den Kurs von Herrn Seehofer für gemeingefährlich“, sagte er der „Süd west Presse“...

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Oi! – Abg. Jörg Fritz GRÜNE: Was? – Weitere Zurufe)

Angesichts dieser Bewertung, Herr Nemeth, wundert es mich, wieso Sie dann wiederum Abstand genommen haben

(Abg. Peter Hauk CDU: Es stimmt!)

von dem gemeinsamen Antrag, auf den sich die vier Fraktio nen dieses Hauses ursprünglich verständigt hatten. Meines Er achtens wäre das wirklich ein gutes Signal dieses Hauses ge wesen.

Schauen wir uns einmal an, Herr Kollege Nemeth, was der wesentliche Unterschied zu dem Antrag ist, den Sie jetzt vor gelegt haben.