Protokoll der Sitzung vom 15.10.2014

Das Wort zur Begründung erteile ich für die Fraktion GRÜ NE Herrn Abg. Renkonen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Her ren! Ich freue mich, dass ich heute im Namen der Fraktion der SPD, der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der FDP/DVP eine gemeinsame Bundesratsinitiative für den zügigen Netz ausbau in Deutschland einbringen darf.

Wir bedauern es außerordentlich, dass die größte Fraktion in diesem Haus, die Fraktion der CDU, sich diesem Antrag nicht angeschlossen hat. Denn wenn man heute Morgen die Reden über Digitalisierung und Zukunftsfähigkeit gehört hat, hätte man eigentlich erwarten können, dass sich die CDU zum Netzausbau bekennt. Stattdessen hat sie einen Änderungsan trag eingebracht, dem wir in dieser Form nicht zustimmen wollen.

Lassen Sie mich etwas zum Thema sagen. Wir stehen zu un ser Verantwortung für die Energiewende in Baden-Württem berg und für die Verbesserung der Versorgungssicherheit. Wir sagen aber auch ganz klar, dass die Energiewende nicht zum Nulltarif und nicht ohne Eingriffe zu haben ist. Damit meinen wir den zwingend notwendigen Bau der SuedLink-Stromtras sen, also von zwei Stromtrassen: der Nord-Süd-Stromauto bahn von Brunsbüttel nach Großgartach bei Heilbronn und die andere Variante von Wilster in Schleswig-Holstein – nörd lich von Hamburg – nach Grafenrheinfeld bei Schweinfurt. Diese Trassen sind für die Energiewende unerlässlich. Denn wer den Ausstieg aus der Atomkraft und die Energiewende will, der kann nicht Nein zum Ausbau dieser Netze sagen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Bisher gibt es für die SuedLink-Leitung einen etwa 800 km langen Trassenkorridor, der derzeit konkretisiert wird. Ich möchte ausdrücklich betonen: Es ist nicht Aufgabe des Land tags von Baden-Württemberg, sich über konkrete Trassen zu unterhalten, sondern es geht mit dieser Initiative um eine Ab sichtserklärung, dass wir den zügigen Netzausbau auf Bun desebene brauchen und ihn nicht länger blockieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Diese sogenannte Gleichstromhöchstspannungsleitung soll vor allem den Windstrom von der Nord- und der Ostsee in den Süden transportieren, um die Versorgungssicherheit der Bür gerinnen und Bürger sowie der Wirtschaft in Baden-Württem berg und natürlich auch im benachbarten Bayern zu sichern. Allein an der Nord- und der Ostsee sind Windparks mit einer Gesamtleistung von knapp 24 000 MW genehmigt worden. Damit diese Leistung auch in den Süden durchfließen kann, wäre es unverantwortlich, den Netzausbau zu stoppen oder zu torpedieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Wir halten es für absurd, wenn diese Anlagen wegen der feh lenden Transportnetze zu den Wirtschaftsstandorten auf Kos ten der Stromkunden sogar abgeregelt werden müssten, mei ne Damen und Herren. Wir wollen, dass diese Anlagen CO2freien, klimafreundlichen Strom liefern. Dazu ist die neue SuedLink-Stromtrasse unerlässlich, weil sie die Transportka pazität erhöht und das schwankende Stromangebot aus Wind- und Solarenergie auspendeln kann, um für Netzstabilität zu sorgen.

Das Land Baden-Württemberg wird die beiden zuständigen Übertragungsnetzbetreiber TenneT und TransnetBW daher bei ihrer Trassenfindung im Sinne der umweltfreundlichsten und wirtschaftlichsten Lösung begleiten. Um die Akzeptanz der betroffenen Bürger für das Projekt zu erhöhen, plädieren wir für den Bau der Gleichstromleitung in besonders sensiblen Gebieten auch in Form von Erdkabeln. Ich möchte ausdrück lich sagen: Die Entscheidung über die Verlegung und über die Varianten – ob Freileitungen mit 70 m hohen Masten, vor de nen sehr viele Bürger Angst haben, oder Erdkabel – ist eine Entscheidung der Genehmigungsbehörden und vor allem der Bundesnetzagentur. Wir sagen aber auch: Die Erdkabelverle gung muss als Planungsvariante anerkannt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Wir begrüßen den weiteren Netzausbau aus der Verantwor tung für die kommenden Generationen und weil wir zum end gültigen Ausstieg aus der Atomkraft bis zum Jahr 2022 ste hen. Durch diesen Konsens sind in Süddeutschland bereits vier Atomkraftwerke mit einer Leistung von zusammen über 3 000 MW vom Netz gegangen. Das entspricht umgerechnet 8 000 Fußballfeldern, bestückt mit Freiflächenfotovoltaikan lagen – um sich ein Bild davon zu machen, mit welcher Strom menge wir es hier zu tun haben. Bis zum Jahr 2022 werden in Süddeutschland jedoch noch weitere sechs Atomkraftwerke abgeschaltet – mit annähernd der dreifachen Leistung, näm lich rund 8 300 MW. Das entspricht übrigens 22 000 Fußball feldern, bestückt mit Fotovoltaikanlagen.

Um den Ausfall der Atomkraft zu kompensieren, geht es gar nicht anders, als beim Ausbau der Stromtrassen keine Zeit zu

verlieren. Aus diesen Gründen halten wir das Agieren der Bay erischen Staatsregierung – das sagen wir ausdrücklich – beim geplanten Netzausbau für verantwortungslos und populistisch.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD sowie des Abg. Niko Reith FDP/DVP)

Aktuell sind 3 000 km neue Stromtrassen im Bedarfsplan vor gesehen. Davon sind von bayerischer Seite – wohlgemerkt von der Staatsregierung – rund 800 km strittig gestellt wor den. Deutschland hat sich trotzdem in einem breiten politi schen Konsens für die Energiewende entschieden, und des halb sollte das Kirchturmdenken keinen Raum bekommen. Wir Grünen fordern daher Herrn Ministerpräsident Seehofer auf, seine Bierzeltrhetorik zu beenden und zur Sachpolitik zu rückzukehren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr richtig! – Zu ruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Denn jede Verzögerung beim Leitungsausbau gefährdet die Versorgungssicherheit in Süddeutschland.

Lassen Sie mich noch etwas zu dem Antrag, den die Fraktio nen gemeinsam – auch auf Anregung der CDU – auf den Weg gebracht haben, sagen. Hierbei geht es um eine Querleitung von Bünzwangen nach Goldshöfe. Wir sagen ausdrücklich: Wir respektieren, akzeptieren und begrüßen es, dass es eine Bedarfsüberprüfung dieser Leitung gibt, und dazu stehen wir auch. Deshalb haben wir diesen Passus mit in den Antrag auf genommen und wundern uns, dass die CDU-Fraktion trotz dem nicht zustimmt. Aber was nicht ist, kann noch werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Nemeth.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Versorgungssicherheit und Energiewende nicht ge fährden“ – wir, die CDU-Fraktion, haben gleich nach Fuku shima in unserem Energiekonzept gesagt: Wer aussteigt, muss auch einsteigen; wer A sagt, muss auch B sagen.

Baden-Württemberg war schon immer Stromimportland. Trotz des Ausstiegsbeschlusses beziehen wir heute immer noch 37 % unseres Energiemixes aus der Kernkraft. Die Kernkraft schalten wir ja gemeinsam bis 2022 ab. Bis dahin – das ist völlig klar; wer A sagt, muss auch B sagen – brauchen wir neue Leitungen. Das haben wir in unserem Energiekonzept von Anfang an gesagt, und die CDU-Fraktion steht auch zu dieser Aussage.

(Beifall bei der CDU)

Denn wir reden hier, meine Damen und Herren, über ein zu tiefst wirtschaftspolitisches Thema. Wie Sie wissen, gibt es in Baden-Württemberg etwa 500 000 Betriebe und über zehn Millionen Bürgerinnen und Bürger, die auf diesen Strom an gewiesen sind. Der Strom wird nicht in erster Linie in den Haushalten verbraucht, sondern zu über 70 % in Gewerbe und Industrie, in der Wirtschaft.

Wenn diese neuen Leitungen nun nicht kommen, haben wir ein riesiges Problem. Ich würde sogar so weit gehen, zu sa gen: Dann ist die Energiewende gescheitert. Denn dann pas siert Folgendes: Im Norden Deutschlands stehen – gebaut auch mit Geld aus Baden-Württemberg – bereits heute über 20 000 Windräder, und es werden dort noch einmal 6,5 GW aus Offshorewindkraft hinzukommen. Das entspricht der Leis tung von 6,5 Kernkraftwerken. Dann ist die Produktion im Norden angesiedelt; der Bedarf besteht jedoch im Süden.

Daraufhin wird Folgendes passieren: Das Land wird ein Stück weit auseinanderfallen. Wir werden zwei Preiszonen haben. Es gibt Wissenschaftler, die das wollen. Ich muss Ihnen je doch sagen: Wir, der Landtag, müssen alles dafür tun, dass diese neuen Leitungen kommen. Denn es darf nicht sein, dass Baden-Württemberg die Energiewende zu wesentlichen Tei len mitfinanziert, dafür aber zur Strafe noch höhere Strom preise hinnehmen muss, als wir sie schon jetzt in Süddeutsch land haben. Das muss unbedingt verhindert werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Neue Leitungen sind auch deshalb sinnvoll, weil hierdurch das Speicherproblem, das bei uns eindeutig besteht, etwas ent schärft werden kann. Alle Gutachten sagen: Leitungen sind günstiger als Speicher. Wir haben ja das Problem, dass die Preise tendenziell noch immer steigen. Auch wenn die EEGUmlage jetzt fällt, werden die Preise weiter steigen, weil für den Ausbau des Leitungsnetzes noch Milliardenbeträge nötig sind.

Zur Wahrheit gehört bei der Energiewende also, dass die Strompreise tendenziell weiter steigen. Das ist so. Wenn wir in Berlin und in Stuttgart in den letzten zwei, drei Jahren et was weniger auf Grün und Rot gehört hätten, wäre der Strom preis niedriger. Sie haben es zu verantworten, dass der Strom preis immer weiter steigt und höher ist, als es volkswirtschaft lich notwendig wäre.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Mar kus Rösler GRÜNE: Wer regiert denn in Berlin?)

Wir haben, meine Damen und Herren, nun einen eigenen An trag eingebracht. Denn wir stehen zum Netzausbau in Deutsch land. Dass dieser Ausbau für Baden-Württemberg notwendig ist, habe ich begründet. Allerdings haben Sie in Ihrem Antrag – Herr Renkonen, Sie haben es selbst gerade erwähnt – eini ge wichtige Punkte schlichtweg vergessen. Wir sind der Mei nung, dass wir – das würde ich in erster Linie der SPD emp fehlen – die Schreiben von Bundeswirtschaftsminister Gabri el ernst nehmen sollten insofern, als die Notwendigkeit von Leitungen hier teilweise noch geprüft werden muss.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Das machen wir doch!)

Denn wir alle wollen nicht, dass sich Bürgerinnen und Bür ger – die für das Thema inzwischen sensibilisiert sind – Sor gen wegen des Baus neuer Leitungen machen müssen, wenn diese sich als gar nicht notwendig herausstellen.

Deswegen haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, der die Berliner Diskussion auf den neuesten Stand bringt und der ganz klar formuliert, wie wichtig es ist, auf die tatsächlichen Notwendigkeiten Rücksicht zu nehmen. Wir stehen zur Ener giewende, und wir stehen zum Netzausbau. Wir wundern uns

allerdings, dass Sie doch etwas schlampig gearbeitet haben. Der Antrag, den wir nun eingebracht haben, ist besser, und deshalb möchten wir, dass Sie unserem Änderungsantrag zu stimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Stober.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 20. März dieses Jahres hat sich der Umweltausschuss des baden-württembergischen Landtags auf einen Antrag der CDU-Fraktion hin mit dem Thema Netzausbau beschäftigt. Einen Tag später gab es eine Pressemitteilung zur gemeinsamen Haltung dieses Ausschus ses, aus der ich mit Erlaubnis des Präsidenten gern zitieren möchte. Ich habe mich nämlich sehr gefreut, dass es zu die ser Gemeinsamkeit kam. Ich zitiere:

Umweltausschuss steht hinter Plänen für neue Stromlei tungen und -speicher

Stuttgart. Die vier Fraktionen des Landtags sind sich ei nig: Die Pläne der Bundesnetzagentur und der EU zum Ausbau der Stromnetze in Baden-Württemberg verdienen die politische Unterstützung aller Verantwortlichen im Land.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Weiter unten heißt es:

Die Mitglieder des Umweltausschusses hätten kein Ver ständnis für die politische Diskussion in Bayern, in der sowohl die Bayerische Staatsregierung als auch Kommu nalpolitiker und der BUND eine sehr kritische Haltung zum Leitungsausbau einnähmen....

Ebenfalls kritisch gesehen worden sei im Ausschuss die Position des hiesigen Landesverbands des BUND, der Mitte Februar geäußert habe, dass für ihn Stromleitun gen, in denen kein grüner Strom fließe, ein Dorn im Au ge seien.

Das sei eine falsche Beurteilung, weil bei Stromleitungen nicht unterschieden werden könne, aus welchen Kraftwer ken der Strom komme. Die Leitungen seien aber auch des wegen nötig, weil zu der schwankenden Stromproduktion aus Wind und Sonne der grundlastfähige Strom gerade aus konventionellen Kraftwerken im Interesse der Strom kunden im Land hinzukommen müsse. Diese Leitungen si cherten die Energiewende ab und stünden nicht im Wi derspruch zu ihr, so

der Ausschussvorsitzende –