Wir haben zudem die bundesweit einmaligen beiden Einrich tungen des „Projekts Chance“ in Creglingen und Leonberg.
Auch dazu möchte ich ausdrücklich anmerken: Es ist nicht selbstverständlich, dass diese Projekte weiter finanziert wer den, so wie man es vor Kurzem vereinbart hat. Da gilt es die Zustimmung zu signalisieren zu vielem, was da richtig läuft. Was dieses Gesetz betrifft, so wird über einzelne Punkte si cher noch im Ausschuss beraten werden.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aussprache ist damit beendet.
Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/5838 zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss zu überwei sen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlos sen und Punkt 8 der Tagesordnung erledigt.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Ernennungsgesetzes und an derer Vorschriften – Drucksache 15/5837
Die Fraktionen haben vereinbart, in der Ersten Beratung kei ne Aussprache zu führen, und auch die Landesregierung ver zichtet auf eine mündliche Begründung des Gesetzentwurfs.
Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/5837 zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Wissenschaft, For schung und Kunst und federführend an den Ständigen Aus schuss zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen und Punkt 9 der Tagesordnung erle digt.
Antrag der Fraktion GRÜNE, der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP/DVP – Entschließung zur Aufarbei tung der strafrechtlichen Verfolgung homosexueller Män ner – Drucksache 15/5475
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr, den gemeinsamen Antrag der Fraktion GRÜNE, der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP/DVP – Entschließung zur Aufarbeitung der strafrechtlichen Verfolgung homosexueller Männer – hier ein bringen zu können.
Vor über 45 Jahren, am 1. September 1969, wurde in der Bun desrepublik endlich die generelle Strafbarkeit von homosexu ellen Handlungen zwischen erwachsenen Männern aufgeho ben. So lange hat § 175 des Strafgesetzbuchs, der sogenann te Schwulenparagraf, in seiner verschärften Fassung aus der Nazizeit gegolten. Erst seit 20 Jahren, seit dem 11. Juni 1994, gibt es in Deutschland keine strafrechtliche Sondervorschrift zur Homosexualität mehr. 45 Jahre hat die Bundesrepublik
gebraucht, um diesen Zustand zu erreichen. Das ist alles an dere als ein Ruhmesblatt. Den letzten Anstoß zur Beseitigung dieses diskriminierenden Strafrechts gegen Homosexualität gab die deutsch-deutsche Rechtsangleichung nach der Wen de; dies war, wie gesagt, 1994 der Fall.
Die strafrechtliche Verfolgung Homosexueller ist ein trauri ges und beschämendes Kapitel der deutschen Geschichte. Es ist ein wichtiger Schritt, dass sich heute der Landtag zu die sem Unrecht bekennt und die historische Aufarbeitung dieses Unrechts künftig unterstützen will.
In unserer heutigen Gesellschaft wirkt der Gedanke einer Strafvorschrift zur Homosexualität nur noch befremdlich. Jun ge Menschen können es kaum glauben, wenn man ihnen er zählt, dass unser Staat Menschen ins Gefängnis steckte, nur weil sie anders liebten als die Mehrheit.
Sexuelle Handlungen zwischen Männern waren in Deutsch land von 1872 bis 1994 durch § 175 des Strafgesetzbuchs un ter Strafe gestellt. Aufgrund dieses Paragrafen wurden viele homosexuelle Männer Opfer der Nationalsozialisten, etliche von ihnen fanden den Tod in nationalsozialistischen Konzen trationslagern.
Umso unverständlicher ist es, dass dieses schwere Unrecht im Nachkriegsdeutschland weiter Rechtsbestand hatte. In der Bundesrepublik sind übrigens aufgrund dieses Paragrafen zwi schen 1945 und 1969 noch rund 100 000 Ermittlungsverfah ren eingeleitet worden. Die Hälfte dieser Ermittlungsverfah ren führte zu Verurteilungen. Auch Homosexuelle, die das KZ überlebt hatten, wurden verurteilt. Allein in Baden-Württem berg gab es von 1957 bis 1969 rund 5 400 Verurteilte auf der Grundlage des § 175. Deshalb ist es so wichtig, dass das „Ho tel Silber“, von wo aus die Homosexuellen verurteilt und ins KZ geschickt wurden, als Gedenkstätte erhalten bleibt und sich dem Thema „Verfolgung von Homosexualität“ widmet.
Die staatliche Verfolgung wie auch der gesellschaftliche Aus schluss und die Stigmatisierung zwangen schwule Männer, aber auch lesbische Frauen, diesen Teil ihrer Identität im Ver borgenen auszuleben. Das bedeutete für viele ein Leben in ständiger Angst und häufig auch den Verlust der bürgerlichen Existenz – ein Trauma, das bei den Betroffenen zum Teil bis heute nachwirkt.
Nur langsam erkannten Politik und Gesellschaft an, dass die Form der Repression eine fortdauernde Verletzung der Men schenwürde darstellte. Das soziale Klima machte es Lesben und Schwulen unmöglich, zu ihrer sexuellen Identität zu ste hen und diese zu leben. Dieses repressive, stigmatisierende gesamtgesellschaftliche Klima hat die Lebensrealitäten mas siv beeinflusst und beeinträchtigt.
Deshalb ist es gut, dass sich der Landtag mit dem heute vor liegenden Antrag für die Rehabilitierung und die Aufarbei tung der strafrechtlichen Verfolgung homosexueller Männer einsetzt. Dieser Teil der Rechtsgeschichte der Bundesrepub lik Deutschland ist bislang kaum aufgearbeitet.
Die Urteile aufzuheben, dazu ist das Land natürlich nicht be fugt. Aber dass Baden-Württemberg nun mit diesem Ent
schließungsantrag ein Zeichen für die Rehabilitierung verur teilter homosexueller Männer setzt und konkrete Maßnahmen wie beispielsweise die Unterstützung von Betroffenen anbie tet, ist ein wichtiger Schritt gegen die Diskriminierung und zur Wiedergutmachung und Wiederherstellung der Ehre aller Opfer.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen uns nicht nur auf die Bundesratsinitiative von 2012 beziehen, in der die Bun desregierung aufgefordert wird, Maßnahmen zur Rehabilitie rung und Unterstützung der nach 1945 verurteilten Homose xuellen zu ergreifen, sondern wir verurteilen die Zerstörung bürgerlicher Existenzen, die Eingriffe in die individuelle Le bensgestaltung und auch den Verstoß gegen die Menschen rechte. Es geht nicht nur um die rechtliche Seite des Themas, es geht vor allem auch um die moralische Seite. Wir wollen uns bei den Menschen entschuldigen für das Unrecht, das ih nen angetan wurde.
Die Beendigung der Kriminalisierung von Homosexuellen ist eine Aufgabe, welche seit über 40 Jahren andauert. Das be deutet auch, dass die erlittenen Schicksale historisch aufgear beitet werden müssen. Entschuldigung, Rehabilitierung und historische Aufarbeitung, das sind die drei Punkte, mit denen wir, das Parlament, ein Zeichen setzen wollen
Deshalb werden wir auch dem Änderungsantrag der CDUFraktion nicht zustimmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann es nicht nachvollziehen, dass das Wort „Entschuldi gung“ nicht ein Mal in Ihrem Antrag auftaucht,
mehr als ein Bedauern in Ihrem Antrag nicht drinsteht und Sie sich in Ihrer Begründung nur auf die Bundesratsinitiative von 2012 beziehen. Das reicht nicht aus. Eine kraftvolle Erklä rung, ein deutliches Zeichen gegen Diskriminierung sieht an ders aus.
Wir dürfen nicht vergessen: Diskriminierung und Beleidigung von sexuellen Minderheiten sowie Gewalt gegen sexuelle Minderheiten sind noch heute Realität. Wir haben im Rahmen des Aktionsplans für Toleranz und Gleichstellung eine anony me Onlinebefragung zur Lebenssituation von LSBTTIQ-Men schen durchgeführt, an der immerhin 2 300 Personen teilge nommen haben. Die Ergebnisse bestätigen – leider –: Mehr als die Hälfte der Befragten wurden in den vergangenen fünf Jahren mindestens einmal Opfer von Diskriminierung. Des halb ist es längst überfällig, wie es mit dem heute vorliegen den Entschließungsantrag nun geschehen soll, ein Zeichen zu setzen – ein Zeichen gegen Diskriminierung und Ausgrenzung auch in der heutigen Zeit.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Parlamente treffen Entscheidungen im Geiste der jeweiligen Zeit, und Parlamente revidieren Ent scheidungen im Geiste der jeweiligen Zeit. Genau dies hat der Bundestag zu Zeiten der Großen Koalition 1969, also vor be reits 45 Jahren, in Form einer Strafrechtsreform getan. Der Bundestag hat im Jahr 1969 den § 175 des Strafgesetzbuchs, den sogenannten Schwulenparagraf, abgeschafft.