Protokoll der Sitzung vom 12.11.2014

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Nein, nicht jedes Jahr!)

mit wenigen Ausnahmen; mit ganz wenigen Ausnahmen. In 30 Jahren gab es eine oder zwei, maximal drei Ausnahmen.

(Zuruf von der CDU: Das stimmt nicht!)

Um einmal zu konkretisieren, wie Sie mit diesen steigenden Steuereinnahmen in Ihrer Regierungszeit vor dem Erreichen einer Nettonull umgegangen sind, habe ich mir einmal die Nettosteuereinnahmen der Jahre 2005 bis 2008 angeschaut. Das sind die Jahre, bevor Sie dann 2008 die Null erreicht ha ben. Diese Zahlen habe ich mit den drei Jahren vor unserem Erreichen der Nettonull 2016 verglichen, also mit dem Zeit

raum 2013 bis 2016. Tatsache ist: Der Zuwachs der Nettosteu ereinnahmen im Land Baden-Württemberg in den Jahren 2005 bis 2008 betrug 4,3 Milliarden €.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

In den Jahren 2013 bis 2016 – also in den Jahren vor unserer Nettonull im Jahr 2016 – sind es 0,9 Milliarden €. Das heißt, in den Jahren vor der Nettonull hatten Sie in Ihrer Regierungs zeit ebenfalls einen Zuwachs bei den Nettosteuereinnahmen. Das ist auch gar kein Drama; denn das ist der Normalfall.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das ist eine sehr willkürli che Rechnung! – Abg. Volker Schebesta CDU: Sie hatten die Nettonull doch schon 2012! Die Einnah men gingen hoch, aber Sie haben trotzdem die Ver schuldung hochgefahren!)

So ist es bei uns auch.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Das ist Verdrehung von Tatsachen!)

Sie hatten sogar höhere Steuermehreinnahmen als wir.

(Zurufe von der CDU und der FDP/DVP – Unruhe)

Deshalb sage ich Ihnen: Wenn Sie über Steuermehreinnahmen reden wollen, dann müssen Sie den gesamten Zeitraum an schauen, und dann müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass Sie in Ihrer Regierungszeit bis auf wenige Ausnahmejahre stetig steigende Einnahmen hatten. In den letzten 45 Jahren haben Sie aber nur drei Mal die Null erreicht, während wir in sechs Jahren drei Mal die Null erreicht haben. Das ist der Unter schied zwischen Ihnen und uns, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Solide Finanzpolitik!)

Zweiter Punkt: Ich bin wirklich etwas erschüttert, dass Sie trotz mehrfacher Erläuterungen immer noch an der Frage der Übertragung alter Kreditermächtigungen herummäkeln.

(Zuruf von der CDU: Das geht rechnerisch nicht!)

Wenn Sie mich auffordern, Herr Hauk, diese alten Ermächti gungen nicht in Anspruch zu nehmen, dann fordern Sie mich auf, Ausgabereste für den Bereich Hochschule nicht abzufi nanzieren;

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

denn dafür gibt es diese alten Ermächtigungen. Sie fordern mich damit auf, Verkehrsinvestitionen in dreistelliger Millio nenhöhe, bei denen es Ausgabereste gibt, nicht abzufinanzie ren. Deshalb sage ich Ihnen: Wer da herummäkelt, der hat kei ne Ahnung von Haushalt und schadet dem Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Jawohl!)

Ich will sehen, ob Sie den Mut haben, hier wirklich zu strei chen, nachdem auch Sie diese Regelung stets in Anspruch ge nommen haben. Sie wollen doch hoffentlich auch, dass mit dem Ausbauprogramm für die Hochschulen Gutes für die

Hochschulen getan wird und dass in die Verkehrswege des Landes investiert wird. Deshalb: Finger weg! Ich hoffe, Sie haben es endlich verstanden. Ansonsten machen Sie sich völ lig unglaubwürdig – auch gegenüber den Partnern, gegenüber den Hochschulen, den Kommunen, auch gegenüber der Wirt schaft, die auf funktionierende Verkehrswege angewiesen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. An drea Lindlohr GRÜNE – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Stratthaus?

Ja.

Herr Minister, Sie haben gesagt, die Steuereinnahmen seien gestiegen. Das ist sicher richtig. Aber in der Vergangenheit war die Inflation viel hö her. Ist Ihnen bekannt – lassen Sie es einmal nachprüfen –, dass heute die Steuereinnahmen, bezogen auf das Bruttoin landsprodukt, ungefähr 15 % höher sind als vor fünf Jahren? Ich habe das heute Morgen nachgerechnet.

Es geht darum: Bei einer Inflationsrate von 5 % steigt das re ale Einkommen eben wesentlich geringer. Ich habe ausgerech net, wie hoch tatsächlich – nicht in Baden-Württemberg, son dern in der Bundesrepublik Deutschland – der Anteil der Steu ereinnahmen am Bruttoinlandsprodukt ist. Da bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser Anteil im Jahr 2003 unge fähr 20,5 % betrug und jetzt bei über 22 % liegt. – Ich muss ja eine Frage stellen: Ist Ihnen das bekannt?

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Herr Stratthaus, Sie sehen es mir nach: Ihre konkrete Rech nung ist mir jetzt erst bekannt geworden. Aber ich danke Ih nen dafür. Wir werden uns das gern noch einmal anschauen.

Tatsache ist: Das Verhältnis der Steuereinnahmen zum BIP ist über 40 Jahre relativ geringen Schwankungen ausgesetzt ge wesen. Der Anteil lag lange Jahre bei 22, 23 % und ist dann etwas geringer geworden. Das hat manchmal auch etwas mit statistischen Effekten zu tun. Jetzt mag der Anteil wieder an gestiegen sein. Ich glaube, dass diese Effekte nicht so gewich tig sind. Aber wir überprüfen das gern noch einmal. Das neh me ich gern auf.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Winfried Mack CDU: Also gut! – Zuruf des Abg. Karl Zim mermann CDU)

Nein, nein. Wenn die Berechnungen von Herrn Stratthaus zutreffend sind – wovon ich erst einmal ausgehe –, dann läge der Anteil jetzt bei 22 oder 23 %. Das entspricht im langjäh rigen Schnitt dem Anteil, den die Bundesrepublik Deutsch land vor und nach der Wiedervereinigung über 40 Jahre mit gewissen Schwankungen aufgewiesen hat. Insofern wäre es nur eine Rückkehr zu Niveaus, die in der Vergangenheit schon erreicht worden sind. Insoweit ist der Erklärungswert für die konkrete Haushaltspolitik nicht so groß.

(Abg. Winfried Mack CDU: Ja, ja!)

Ich will als Letztes noch etwas zum Thema Flüchtlingspoli tik sagen, weil Herr Hauk da jetzt rückfällig geworden ist.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Schon wieder? – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das ist ja unglaublich!)

Da will ich jetzt erst einmal über die Fakten reden. Tatsache ist: Im Jahr 2010 wurden etwa 850 abgelehnte Asylbewerber abgeschoben. Das war in der Regierungszeit der CDU-FDP/ DVP-Regierung. Im Jahr 2014 waren es etwa 900.

(Abg. Peter Hauk CDU: Von wie vielen? Von wie viel Ausreisepflichtigen? Das ist der entscheidende Punkt! – Gegenruf des Ministers Reinhold Gall: Jetzt wird es gefährlich!)

Passen Sie auf! Damals gab es mehr Geduldete als heute.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Die Zahl der Abschiebungen in Baden-Württemberg hat zu genommen, die Zahl der Geduldeten hat abgenommen. Die se Zahlen zeigen die Fakten auf.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist Äpfel mit Birnen verglichen!)

Das ist, glaube ich, kein Grund, um sich aufzuregen.

(Zuruf von der SPD: So ist es! – Abg. Thomas Blen ke CDU: Wir werden es überprüfen!)

Jetzt komme ich zum heutigen Stand. Sie haben gesagt, es ge be etwa 14 000 abgelehnte Asylbewerber. Die Zahlen des In nenministeriums sagen aus, dass über 12 000 dieser Personen nicht abgeschoben werden können, weil es eine Reihe von rechtlichen Regelungen gibt, die eine Abschiebung unmög lich machen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Welche?)

Das sind humanitäre Gründe, das sind Vorgaben aus dem Zu wanderungsgesetz, das sind Bleiberechtsregelungen, das ist die gesetzliche Altfallregelung.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD zu Abg. Peter Hauk CDU: Machen Sie einmal eine Ausschussanfrage!)

Deshalb warne ich Sie: Bauen Sie an dieser Stelle keinen Po panz auf.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Genau!)

Obwohl ich Sie jetzt zum zweiten Mal zu diesem Thema ge hört habe, fehlt mir ein klares Bekenntnis von Ihnen, dass es auch bei abgelehnten Asylbewerbern individuell begründete, humanitär begründete Abschiebehindernisse gibt.

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Karl-Wilhelm Röhm: Nennen Sie die Fälle!)