Protokoll der Sitzung vom 11.03.2015

Ich denke, dass sowohl zwischen den Fraktionen im Landtag als auch zwischen den Trägern Einigkeit darüber herrscht, dass wir mit Blick auf die pflegerische Versorgung der älteren Menschen, aber auch be hinderter und chronisch psychisch kranker Menschen eine wohnortnahe Versorgung wollen, und zwar in kleinen Einhei ten. Niemand von uns will heute mehr eine Einrichtung drau ßen auf der grünen Wiese, die mit 100, 150 oder gar 200 Bet ten den Charakter einer Anstalt hat.

Ich gehe davon aus, dass in diesem Haus darüber Einigkeit herrscht. Wenn das nicht so wäre, dann hätte das sowohl in der vergangenen Legislaturperiode als auch in dieser Legis laturperiode im zuständigen Ausschuss entsprechend formu liert werden müssen.

Sie haben die Sorge geäußert, dass von der Möglichkeit Ge brauch gemacht wird, die Übergangsfrist von 25 Jahren aus zuschöpfen. Deshalb ist es mir wichtig, noch einmal deutlich zu machen, dass obligat für alle die Frist bis 2019 gilt. Nur in begründeten Einzelfällen kann die Frist um weitere 15 Jahre verlängert werden, weil wir den Trägern natürlich keine un zumutbaren Härten zumuten wollen.

Wenn wir es in zehn bis 15 Jahren, wenn die allermeisten von uns so weit sind, dass sie in ein Pflegeheim gehen, nicht ge schafft haben, dass das Einzelzimmer Standard ist, liebe Leu te, dann tut es mir leid.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Emotionaler Ge fühlsausbruch!)

Für die SPD-Fraktion Herr Abg. Hinderer.

Frau Ministerin, wir können uns des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass das, was 2009 von der damaligen Landesregierung als richtig erachtet wurde, von der heutigen Opposition sehr kritisch hinterfragt wird. Inso fern möchte ich anknüpfend an die Frage des Kollegen Lucha fragen: Liegen denn 2015 wesentlich andere Erkenntnisse vor als die Erkenntnisse, die es bereits im Jahr 2009 gab?

Ich habe noch eine zweite Frage. Es ist in der Tat richtig, dass viele Träger in Fragen der Umsetzung der Landesheimbau verordnung an uns Abgeordnete herantreten. Wie war denn der Prozess der Erarbeitung der ermessenslenkenden Richtli nien? Wer war dabei, und wie ist das gelaufen?

Bitte, Frau Ministerin.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Erkenntnisse haben sich von 2009 bis 2015 höchstens dahin gehend geändert, dass heute noch mehr Menschen ein Alter erreichen, in dem sie Hilfe brauchen oder in eine stationäre Einrichtung einziehen wollen. Die Erkenntnis, dass man die Würde nicht an der Tür abgibt und dass das Einzelzimmer ei gentlich Standard sein muss, gab es auch schon im Jahr 2009, zu Zeiten der früheren Landesregierung. Deswegen sage ich ausdrücklich: Nicht alles, was damals gemacht worden ist, war falsch, sondern damit war man durchaus auf dem richti gen Weg.

Was die Erarbeitung der ermessenslenkenden Richtlinien be trifft, haben Sie recht. Das ist nichts, was das Sozialministe rium nur von oben herab verordnet, sondern die ermessens lenkenden Richtlinien wurden in einem umfassenden Prozess gemeinsam mit den Beteiligten in den vergangenen zwei Jah ren erarbeitet. Es waren Vertreter der Träger, der Liga der frei en Wohlfahrtspflege, des Kommunalverbands für Jugend und Soziales und der Kommunen dabei, weil auch sie betroffen sind.

Insofern wurden die ermessenslenkenden Richtlinien gemein sam erarbeitet. Auch die von Ihnen zuvor erwähnten großen Träger waren an der Erarbeitung der ermessenslenkenden Richtlinien beteiligt.

Eine weitere Frage, Frau Abg. Mielich GRÜNE.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Bin ich noch nicht dran?)

Jetzt habe ich mich vertan. Ich hatte Herrn Haußmann schon gestrichen. Herr Haußmann kommt leider vor Ihnen. – Bitte, Herr Abg. Haußmann.

Vielen Dank, Herr Prä sident, dass Sie die Frage zulassen. – Frau Ministerin, ich möchte anknüpfen an meine Frage bzw. an die Frage von Herrn Kunzmann und das etwas konkretisieren. Ich verweise auf Seite 33 der ermessenslenkenden Richtlinien.

Um das einfach zu konkretisieren: Es geht um einen Träger, der aufgrund der Landesheimbauverordnung einen Umbau plant, jetzt aber wegen entsprechend geänderter Brandschutz richtlinien zusätzliche Kosten hat, die allein aus der Erfüllung der Landesheimbauverordnung resultieren. Jetzt besagen aber die Richtlinien – nicht das Gesetz –, Brandschutz bleibe oh ne Bedeutung. Das würde doch konkret heißen – da bitte ich um Ihre Bestätigung –, dass Sie, wenn wegen des Brandschut zes eine Unwirtschaftlichkeit entsteht, den Heimaufsichten vorgeben, dass ein solches Pflegeheim nicht weiterbetrieben wird. Das wäre die Konsequenz. Ich verweise noch einmal auf Seite 33, wo steht: Brandschutz ist hier explizit ausge schlossen. Zu dieser Frage hätte ich gern eine konkrete Aus kunft.

Der zweite Punkt, auch anknüpfend an die Frage des Kolle gen Kunzmann: Man braucht schon eine gewisse Konzentra tion, eine gewisse Energie, um diese 42 Seiten durchzuarbei ten. Da könnte ich mir schon vorstellen, dass die Mitarbeite rinnen und Mitarbeiter der Heimaufsicht hierzu schon einige Rückfragen haben. Ist geplant, dass Sie vom Ministerium aus die Heimaufsichten darüber noch einmal entsprechend infor mieren? Denn daraus ergeben sich eine ganze Menge Fragen; das kann man heute feststellen. Da ist die Frage: Wie erfolgt die Information der Heimaufsicht durch das Sozialministeri um?

Bitte, Frau Ministerin.

Vielen Dank, Herr Präsi dent. – Zunächst zu Ihrer letzten Frage, Herr Haußmann. Na türlich ist geplant, dass die Heimaufsichten eine entsprechen de Fortbildung, Weiterbildung, Qualifizierung erhalten. Das findet ohnehin immer in einem regelmäßigen Turnus statt. Im mer dann, wenn neue Richtlinien, neue Tatbestände in Kraft treten, werden die örtlichen Heimaufsichten natürlich entspre chend informiert und kommen dann auch zu ihren jährlichen Konferenzen zusammen.

Zu den Tatbeständen auf Seite 33. Da heißt es:

Bei der Bewertung der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit sind nur die mit dem Anpassungsprozess im Zusammen hang stehenden Kosten... zu berücksichtigen.

Es ist auch der normale Weg, dass, wenn man aufgrund einer Verordnung, die beinhaltet, dass es nur noch Einzelzimmer

geben darf, einen Umbau vornimmt, nur diese Kosten berück sichtigt werden.

Dann kommt der Satz, auf den Sie sich bezogen haben:

Ob darüber hinaus andere Maßnahmen wie z. B.... Sa nierungen oder Umsetzung des Brandschutzes nach bau rechtlichen Vorgaben die tatsächlichen anfallenden Bau kosten erhöhen, bleibt ohne Bedeutung. Es ist die unter nehmerische Entscheidung des Bauherrn..., ob er Bau maßnahmen in Form einer Generalsanierung oder in ein zelnen Bauabschnitten durchführt und deshalb die Vorga ben der Landesheimbauverordnung vom Träger zum Ab lauf der Übergangsfristen umgesetzt werden.

Darauf haben Sie sich bezogen.

Für die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die Um setzung der LHeimBauVO wirtschaftlich unzumutbar ist, kann in den Antragsunterlagen als Indiz auf die ortsübli chen IK-Sätze zurückgegriffen werden.

Dann gibt es einen längeren Absatz über eine Ermessensent scheidung.

Wenn also der Träger durch die Gesamtbaumaßnahme, die die Bereitstellung von Einzelzimmern, aber natürlich auch Brand schutzmaßnahmen, weil diese ohnehin obligat sind – man darf keine stationäre Einrichtung ohne Brandschutz bauen –, so wie energetische Maßnahmen beinhalten kann, darstellen kann, dass er aufgrund dieser Gesamtmaßnahme in unzumut bare wirtschaftliche Schwierigkeiten kommt, dann wird na türlich die Gesamtbaumaßnahme einbezogen. Man kann nicht bei einer Generalsanierung den Brandschutz herausrechnen. Vielmehr geht es um die Gesamtmaßnahme, die dann betrach tet wird.

Nun erhält Herr Abg. Kunzmann von der CDU-Fraktion das Wort.

Ich will die Reihenfolge erklären, damit keine Unstimmigkeit aufkommt. Gemäß § 82 der Geschäftsordnung muss ich die Redner nach der Stärke der Fraktionen aufrufen. Wenn sich Herr Abg. Kunzmann nach Herrn Abg. Haußmann meldet, muss ich ihn vor Ihnen, Frau Abg. Mielich, aufrufen, weil Sie erst der nächstgrößten Fraktion angehören.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist aber kein Muss!)

Ich hätte Frau Mielich gern vorgelassen. Aber wenn das aus gesetzlichen Gründen nicht geht, dann – –

Sie können das trotz dem machen. Das ist nicht gesetzlich vorgegeben.

(Unruhe)

Jetzt stehe ich halt schon am Mikrofon.

(Heiterkeit – Beifall des Abg. Thomas Blenke CDU)

Das ist eine andere Fra ge.

Frau Ministerin Altpeter, Herr Haußmann und ich mussten gerade dreimal fragen, um zuletzt die Antwort zu bekommen, die man eigentlich schon durch Beantwortung der ersten Frage hätte geben können. Das möchte ich einfach einmal sagen.

Zu einem anderen Thema. Für mich wäre noch interessant, zu wissen: Wie ist das mit der vollständigen Barrierefreiheit von Bewohnerzimmern geregelt? Müssen die vollständig barrie refrei sein?

Bitte, Frau Ministerin.

Ich gehe davon aus, dass zumindest bei Umbauten und Neubauten Barrierefreiheit er reicht wird. Bei manchen Häusern, die es schon länger gibt und die schon über Einzelzimmer verfügen, kann ich nicht in jedem Fall Barrierefreiheit voraussetzen. Auch das wird si cherlich ein Thema sein, das man sich bei der Bewertung bei der Einzelmaßnahme im Bau noch einmal genauer betrachten muss.

Jetzt Frau Abg. Mielich von der Fraktion GRÜNE.

Wunderbar. – Frau Ministerin, es ist jetzt in den verschiedenen Beiträgen immer wieder die Rede davon gewesen, dass die Vorgabe zu den Einzelzimmern in der Landesheimbauverordnung seit 2009 gilt. Wir haben jetzt das Jahr 2015. Die ganzen Bedenken, die jetzt formuliert werden, wonach die Umsetzung für die Heimaufsicht mit mehr Arbeit verbunden wäre und möglicherweise Brand schutzmaßnahmen nicht mitfinanziert würden, möchte ich jetzt gern von der Möglichkeit in die Realität holen. Gibt es Erkenntnisse darüber, wie viele Heimträger bisher diese Um baumaßnahmen bereits durchgeführt haben? Denn es hätte be reits ab 2009 durchaus die Möglichkeit gegeben, diese Um baumaßnahmen durchzuführen. Ist Ihnen bekannt, ob es da zu derartigen Problemen gekommen ist?

Das Zweite: Glauben Sie, dass es durch das Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz, das wir im letzten Jahr verabschiedet ha ben, nicht mehr zu einem linearen Anstieg der Zahl der not wendigen stationären Plätze kommt? Glauben Sie, dass wir durch diesen Paradigmenwechsel hin zu den ambulant betreu ten Wohngruppen ein gutes neues Angebot schaffen, das die Betreuung und Unterstützung von Menschen mit Pflegebedarf beinhaltet?

Bitte, Frau Ministerin.

Ich kann Ihnen die genaue Zahl zur Umwandlung von Doppelzimmern in Einzelzimmer nicht nennen. Mir liegen aber einige Zahlen vor, die aus mei ner Sicht sehr deutliche Anhaltspunkte darstellen. Nach den Angaben des Statistischen Landesamts wurden im Jahr 2013 insgesamt 90 845 Menschen in stationären Einrichtungen ver sorgt; dem stehen 100 243 verfügbare Heimplätze gegenüber. Das heißt, es gibt aktuell einen spürbaren Überhang. Das be deutet natürlich in der Folge, dass nicht jedes vorhandene Doppelzimmer noch doppelt belegt ist.

Zudem ist in den vergangenen Jahren die Anzahl der Heim plätze trotz der schrittweisen Umsetzung kontinuierlich wei ter gestiegen. Von 2011 bis 2013 – das sind die aktuellsten Zahlen, die wir haben – sind rund 200 neue Pflegeheime mit Einzelzimmern entstanden. Hinzu kommt, dass immer mehr Menschen ambulant versorgt werden und die stationäre Ver sorgung insgesamt zurückgehen wird.

Da bin ich beim Punkt Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz. Dieses Gesetz haben wir auch deshalb gemeinsam auf den Weg gebracht, weil wir mit den Wohngemeinschaften – ob selbst verantwortet oder trägerverantwortet – Alternativen zu dem schaffen wollten, was man gängigerweise unter einem Pflegeheim in der traditionellen Form versteht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die halbe Stunde, die die Regierungsbefragung zu dem ersten Thema dauern darf, ist vorbei. – Vielen Dank, Frau Ministerin.