Protokoll der Sitzung vom 15.04.2015

Das ist zwar nicht ganz das, was die Länder und Kommunen brauchen, nämlich eine strukturelle Beteiligung des Bundes an den Kosten im Zusammenhang mit Flüchtlingen – wir ha ben dazu mehrfach Vorschläge gemacht –; aber es ist in der Tat besser als nichts. Ich denke, dass die Gespräche über eine gerechtere Lastenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen im Flüchtlingsbereich weitergehen müssen und weitergehen werden.

Die Mittel des Bundes helfen Land und Kommunen, die Mehr bedarfe in den jeweiligen Haushalten zu bewältigen. Den Kommunen fließen dabei von den 65 Millionen € unmittelbar rund 15 Millionen € jährlich über den kommunalen Finanz ausgleich zu. Weitere 40 Millionen €, die zunächst dem Land zufließen, kommen aber ebenfalls den Stadt- und Landkrei sen zugute. Denn mit ihnen soll der Mehrbedarf bei der Aus gabenerstattung an die Kreise – es geht um die Flüchtlingspau schalen – kompensiert werden. Auch das kommt den Kom munen zugute.

Der Mehrbedarf ergibt sich zum einen aus den rasant gestie genen Flüchtlingszahlen, aber auch aus den möglichen An passungen, die wir nach der aktuellen Revision vornehmen müssen.

10 Millionen € wollen wir zur Deckung eigener Bedarfe bei der Flüchtlingsaufnahme, insbesondere auch in der Erstauf nahme verwenden. Sie wissen, dass wir die Erstaufnahmeka pazitäten derzeit erhöhen. Auch das kostet Geld.

Zu beachten wäre übrigens – auch das ist eine Information, die nicht allen bekannt ist –, dass die Hälfte der Beträge, also 65 Millionen €, vom Land über einen Zeitraum von 20 Jah ren zurückzuerstatten ist.

Danke schön. – Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort Herrn Abg. Lede Abal.

Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben gerade darauf hingewiesen, dass die Fi nanzhilfen des Bundes zur Hälfte wieder zurückerstattet wer den müssen. Mich würde an dieser Stelle zunächst noch inte ressieren, ob das Geld überhaupt schon eingegangen ist, ab wann Sie über dieses Geld verfügen, wann Sie es für die Vor haben in der Flüchtlingspolitik der Landesregierung anwen den und den Kommunen zur Verfügung stellen können. Mich würde darüber hinaus interessieren, für welche konkreten Auf gaben die Landesregierung diese Finanzmittel aufwenden möchte.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung steht aktuell im Finanzausschuss des Bundesrats zur Behandlung an. Die erste Lesung im Bundes rat wird voraussichtlich am 8. Mai stattfinden. Ein genauer Fahrplan liegt uns im Moment kurzfristig nicht vor. Aber wir können uns vorstellen und hoffen, dass das Gesetzgebungs verfahren noch vor der Sommerpause abgeschlossen wird.

Was wir mit den Summen machen wollen, habe ich im Ein zelnen darzulegen versucht. Darüber hinaus braucht das Land natürlich zusätzlich finanzielle Ressourcen, um die Landes erstaufnahmekapazitäten auszuweiten. Wir haben in Meßstet ten schon eine vorbildliche Einrichtung geschaffen. Die nächs te Einrichtung wird in Ellwangen eröffnet. Dort sind bereits die ersten Flüchtlinge aufgenommen worden. Eine offizielle Eröffnung wird folgen. Wir bauen die Standorte in Karlsruhe und in Mannheim aus. Mit Schwäbisch Hall führen wir Ge spräche über einen Neubau einer eigenständigen Landeserst aufnahmeeinrichtung. Eine entsprechende Einrichtung müss te neu gebaut werden. Auch das kostet Geld.

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Lasotta.

Frau Ministerin, es ist ein Streit mit den kommunalen Landesverbänden bezogen auf die Spitzabrechnung der Pauschale entstanden. Die Landesregie rung hat mehrfach angekündigt, die Pauschalen zu überprü fen. Auch wir sind eher der Meinung, dass wir pauschalieren und keine Spitzabrechnung machen sollten, weil der Verwal tungsaufwand zu hoch ist. Da sind wir uns einig.

Allerdings entstehen bei den Gesundheitskosten durchaus Schieflagen in den einzelnen Stadt- und Landkreisen. Wenn mehrere Fälle mit schweren Erkrankungen auftreten, kann es sein, dass die Pauschale nicht auskömmlich ist.

Wie steht die Landesregierung dazu, für den Bestandteil der Pauschale, der die Gesundheitskosten betrifft, eine Spitzab rechnung zu machen? Damit wäre, denke ich, eine der Haupt forderungen der kommunalen Landesverbände erfüllt. Ich hielte das auch für sachgerecht und gerecht.

Die Landesregie rung hat seit ihrem Regierungsantritt im Jahr 2011 bis heute die pauschalen Kostenerstattungen um über 28 % erhöht: von insgesamt 10 330 € pro Person im Jahr 2011 auf 13 260 € im Jahr 2015. Bis 2016 steigen sie nach derzeitiger Rechtslage auf 13 972 €. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass die von CDU und FDP/DVP getragene Regierung im Jahr 2004 noch mit einer Pauschale in Höhe von 7 845 € gestartet ist, also mit etwa der Hälfte der heutigen Pauschale.

Ungeachtet dessen haben wir gemeinsam mit den Kreisen die Istausgaben des Jahres 2013 und auch die des Jahres 2014 er hoben. Wir stehen gemeinsam mit dem Städtetag und dem Landkreistag kurz vor einem Abschluss, der, wie ich meine, für beide Seiten zu einem vernünftigen Ergebnis führen wird. Ich werde in den kommenden Wochen noch einmal gemein sam mit dem Finanzminister ein abschließendes Spitzenge spräch mit den kommunalen Landesverbänden führen und ge he von einer Einigung aus.

Sie haben recht, dass die Krankheitskosten sehr zu Buche schlagen. Deswegen hatten wir uns beim Bund dafür starkge macht, sich in dieser Frage zu beteiligen. Wir führen die Ge spräche weiter. Mein Ministerialdirektor wird zusammen mit Staatssekretär Murawski nochmals nach Berlin fahren, um ge nau in dieser Frage noch einmal mit dem Bund zu verhandeln. Wir informieren Sie gern, wenn wir neue Details haben.

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Abg. Glück das Wort.

Frau Ministerin, Sie sagten gerade, dass die Informationen, die wir der gestrigen Zeitung entnehmen konnten, nicht ganz richtig sind, sondern sehr wohl 40 Millionen € pro Jahr an die Kommunen weitergegeben werden sollen. In diesem Zeitungsartikel steht, dass das Land einen Großteil dieser 65 Millionen € mit den eigenen Aufwen dungen verrechnen möchte. Aber Sie sagten eben auch, diese 40 Millionen € pro Jahr sollen an die Kommunen gehen, weil mehr Flüchtlinge vor Ort untergebracht werden, also als Fol ge der steigenden Flüchtlingszahlen.

Jetzt ist das in Abhängigkeit von der Flüchtlingszahl gewähr te Geld jedoch völlig unabhängig davon, ob der Bund eine zu sätzliche Hilfe gewährt oder nicht. Das heißt, wenn die Flücht lingszahlen vor Ort steigen, würde die Vergütung an die Kom munen ohnehin steigen. Gibt es außer diesem Anstieg der Quantität – also außer dem Geld, das die Kommunen ohne hin erhalten würden – irgendetwas von dieser 1 Milliarde €, von dem die Stadt- und Landkreise profitieren können?

Wie ich bereits dar zulegen versucht habe, haben wir die Pauschalen angepasst, und natürlich haben die Gesamtkosten für die Pauschalen auch mit den Flüchtlingszahlen zu tun. Denn wir überweisen den Kommunen das Geld pro Flüchtling. Wenn die Zahlen stei gen, steigen natürlich auch die Gesamtkosten für die Flücht lingspauschalen für das Land. In diesen Topf fließen die 40 Mil lionen €, die wieder direkt den Kommunen zugutekommen.

Das Land hat darüber hinaus versucht, vieles im Bereich des Flüchtlingsaufnahmegesetzes zu verbessern. Wir haben z. B. bei der Sozial- und Verfahrensberatung die Pauschalbeträge um etwa 900 € erhöht, die dann zweckgebunden eingesetzt werden. Wir haben Mittel in Höhe von 90 € für Deutschkur se berechnet, die die Kommunen, Stadt- und Landkreise, an bieten können.

Uns ist klar, dass diese Summe nicht auskömmlich ist. Des wegen haben wir nachträglich ein Arbeitsmarktintegrations programm geschrieben, über das die Medien sehr ausführlich berichtet haben. Das wird das Land zusätzlich etwa 4,9 Mil lionen € kosten. Das Geld kommt nicht aus diesem Topf, son dern aus dem Haushalt des Landes. Insofern kommen wir den Kommunen mit weiteren Mitteln entgegen, sofern der Finanz ausschuss diese Mittel bewilligt und uns diese Mittel zur Ver fügung stehen.

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Lede Abal das Wort.

Sehr geehrte Frau Ministerin, ich habe noch zwei Nachfragen, zum einen zu den Gesundheitskosten. Die Landesregierung hat angekündigt, die Kostenträgerschaft für die Gesundheitskosten selbst zu über nehmen und die Kommunen deshalb von der Übernahme der Gesundheitskosten im Flüchtlingsbereich zu entlasten. Dazu sind offenbar gesetzgeberische Veränderungen auf Bundes ebene notwendig. Vielleicht können Sie etwas zu dem mo mentanen Stand sagen, was den Bund möglicherweise noch davon abhält und auf welchem Stand sich das Gesetzgebungs verfahren befindet.

Darüber hinaus würde mich interessieren, inwiefern die Lan desregierung durch integrative Maßnahmen am Arbeitsmarkt

in der Arbeitsmarktförderung und im Sprachförderungsbe reich – sehr deutliche Anreize und Hilfen für die Kommunen setzt und bietet, um eine Eingliederung von Flüchtlingen in die Gesellschaft, in die Arbeitswelt zu fördern – ein erklärter Wunsch dieses Hauses.

Vielen Dank für die Nachfragen. – Noch einmal: Gesundheitsfragen und Ge sundheitsleistungen fallen nicht in die Ressortzuständigkeit des Integrationsministeriums, sondern in die des Sozialminis teriums. Die Federführung liegt dort. Auch die Verhandlun gen werden dort geführt.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Frau Altpeter ist doch da!)

Deswegen würde ich Sie bitten, diese Frage an das Sozialres sort zu stellen.

Eines kann ich aber vorwegnehmen. Die Verhandlungen lau fen noch, und deswegen müssen wir das Ergebnis der Ver handlungen in diesem Bereich abwarten. Aber natürlich ma chen wir uns auf Landesebene dafür stark, dass der Bund uns in der Frage der Gesundheitsleistungen entgegenkommt. Des halb findet bald ein Gespräch mit Herrn Murawski und Herrn Hammann in Berlin statt.

Ansonsten habe ich vorhin kurz erwähnt, dass wir ein Arbeits marktintegrations- bzw. Sprachprogramm für Flüchtlinge auf gelegt haben. Denn nach der Asylrechtsreform ist jetzt eines möglich: Flüchtlinge dürfen bereits nach drei Monaten arbei ten. Das war lange Zeit nicht so. Wir alle wissen aber, dass, wenn man keine Deutschkenntnisse hat, ein Zugang zum Ar beitsmarkt nach drei Monaten sehr unrealistisch ist.

Weil wir in Baden-Württemberg nicht darauf spekulieren und warten können, dass der Bund handelt und die Integrations kurse für Flüchtlinge öffnet, haben wir gesagt: Wir möchten die Lücke in diesem Bereich schließen, indem wir ein eige nes Landesprogramm auf den Weg bringen, das wir mit 4,9 Millionen € bezuschussen wollen. Deshalb hoffe ich, dass der Finanzausschuss diesen pragmatischen Gedanken erkennt und diesen Geldern bei der Beratung des Nachtragshaushalts zu stimmt.

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Lasotta das Wort.

Frau Ministerin, unabhän gig davon, ob der Bund oder das Land finanziert, ist mir noch nicht klar geworden, ob Sie bei den Gesundheitskosten für ei ne Spitzabrechnung sind oder nicht. Wie ist dazu die Haltung der Landesregierung?

Zweites Thema: Die Kommunen bemühen sich momentan, die Unterbringung zu organisieren. Unser Gesetz gibt die Möglichkeit, auf dem Erlassweg auch Übergangsregelungen zu schaffen, was die Quadratmeterzahl betrifft. Momentan werden Einrichtungen betrieben, die die geforderten 7 m2 pro Person nicht erreichen. Der Druck auf die Stadt- und Land kreise nimmt aufgrund der gestiegenen Flüchtlingszahlen stark zu. Plant die Landesregierung, in diesem Jahr auf dem Erlassweg die Regelungen für die Kommunen zu erleichtern, damit auch übergangsweise Einrichtungen betrieben werden können, die die geforderte Quadratmeterzahl nicht erreichen?

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Das ist doch möglich!)

Es ist möglich. Die Landesregierung müsste dazu einen Er lass machen. Ich frage nur, ob das geplant ist oder nicht: Ja oder nein?

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE – Gegenruf von der FDP/DVP: Er fragt die Landes regierung und die Ministerin und nicht die Grünen- Abgeordneten! – Weitere Zurufe – Glocke der Präsi dentin)

Das Wort hat die Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Vielleicht war es ganz gut, dass Herr Lede Abal diesen Zwischenruf geleistet hat, da Herr Lasotta dann selbst zugegeben hat, dass es bereits jetzt möglich ist. Genau das würde ich an dieser Stelle auch antworten.

Natürlich wissen wir, dass die Situation in den Kommunen sehr angespannt ist. Deswegen wollen wir auch nichts Un mögliches von den Kommunen erwarten. Diese 7 m2 Wohn- und Schlaffläche wurden ja ausführlich diskutiert. Wir haben gesagt, diese Quadratmeterzahl muss nicht sofort erreicht wer den, sondern erst ab dem Jahr 2016; dann ist sie verbindlich. Aber schon jetzt ist es möglich, Sondergenehmigungen zu be antragen. Wenn die Situation angespannt ist – wie es derzeit der Fall ist –, gibt es auch jetzt die Möglichkeit, von dieser Quadratmeterzahl abzuweichen.

Ich muss allerdings sagen, dass es viele Kommunen gibt, die diese Quadratmeterzahl schon jetzt übererfüllen. Ich habe mehrere Einrichtungen besucht, die wirklich sehr vorbildlich arbeiten und den Flüchtlingen sehr viel mehr Quadratmeter Fläche als rechtlich gefordert zur Verfügung stellen.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE – Gegenruf des Abg. Thaddäus Kunzmann CDU – Weitere Zurufe)

Ansonsten möchte ich dem Ergebnis der Verhandlungen mit den Kommunen nicht vorgreifen. Ich glaube, dass wir zu ei ner vernünftigen Lösung kommen werden, die wir Ihnen dann auch möglicherweise in einer gemeinsamen Pressekonferenz vorstellen werden.

Danke schön.

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort Frau Abg. Wölfle.

Vielen Dank. – Frau Ministerin, was plant die Landesregierung in Bezug auf die Erstaufnah meeinrichtungen, um mittelfristig und flexibel auf die steigen den Flüchtlingsströme reagieren zu können?

Welche verwaltungstechnischen und strukturellen Erleichte rungen sind aktuell im Bereich der Flüchtlingsaufnahme an gedacht?

Mein Haus hat in den vergangenen Jahren wirklich große Kraftanstrengungen

unternommen, um dem starken Flüchtlingszugang gerecht zu werden. Als ich das Amt übernommen habe, gab es an dem landesweit einzigen LEA-Standort in Karlsruhe in der Erst aufnahme etwa 900 Plätze; der Standort war damals noch mit 600 Flüchtlingen belegt. Wir haben im Moment etwa 9 000 Plätze geschaffen, die Erstaufnahmekapazitäten also verzehn facht. Hierin enthalten sind ca. 4 000 reguläre Erstaufnahme plätze in den LEAs; die übrigen Plätze finden sich in tempo rären Anmietungen und bedarfsabhängigen Unterkünften, die wir auch schaffen konnten, weil dafür Konversionsflächen in Villingen-Schwenningen, Sigmaringen, aber auch in Heidel berg zur Verfügung stehen.

Nach der letzten Prognose des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge gehen wir derzeit für Baden-Württemberg von 33 000 Erstantragstellern und etwa 7 000 Folgeantragstellern aus. Es ist davon auszugehen, dass diese Zahlen noch einmal nach oben korrigiert werden müssen.