(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP: Sehr richtig!)
Was zweitens aber auch wichtig ist, eben um Schlepperkrimi nalität auch bekämpfen zu können – dies ist ein hoch profita bles Geschäft, bei dem mit dem Leid der Menschen Geld ge macht wird –, ist, dass wir ein Mandat – sei es ein UNO-Man dat, sei es ein entsprechendes Mandat auch für die EU – be kommen, um in diesem Bereich operieren zu können.
Wir werden nicht eine schnelle Lösung auf den Weg bringen für den Bürgerkrieg, der faktisch in Libyen herrscht. Wir wer den nicht die Stabilisierung der Länder in Afrika und die wirt schaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten so rasch voranbrin gen, wie es notwendig ist. Das Gleiche gilt natürlich auch für den ganzen Bereich des Mittleren Ostens, sei es Syrien, sei es Nordirak. Wir haben mit unserem Sonderkontingent für die jesidischen Frauen und Mädchen auch einen Beitrag dazu ge leistet. Insofern können wir, das Land Baden-Württemberg – bislang als einziges Bundesland –, einen Beitrag leisten, uns in Resettlement-Programme tatsächlich einbringen,
um legale und sichere Wege dafür zu ebnen, dass für Flücht linge in Gebieten, wo wir in naher Zukunft keine Befriedung, keine Eindämmung der Konflikte erwarten können, tatsäch lich die Wege in die EU möglich sind und sie zu uns kommen können. Ich bin froh, dass der EU-Gipfel auch eine Auswei tung von Resettlement-Programmen beschlossen hat. Aller dings ist die Zahl von 5 000 angesichts der Möglichkeiten der EU wirklich eine beschämend geringe Zahl.
Herr Minister, danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich finde es richtig und gut, dass Sie die Bundesratsinitiative von Rheinland-Pfalz unter stützen möchten. Aber glauben Sie nicht, dass es, um auf der zeitlichen Achse noch mehr Druck aufzubauen, sinnvoll wä re, eine eigene baden-württembergische Bundesratsinitiative zu starten? Damit könnte einfach klar demonstriert werden: Wir brauchen hier schnelle Lösungen. Das Verschieben auf
Wir brauchen schnell eine Lösung. Denn jeder Tag, an dem wir noch keine Lösung haben, bringt mit sich, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken.
Sie haben sicher recht, dass wir schnell eine Lösung brauchen. Aber Sie wissen aus den De batten über ein Zuwanderungsrecht in Deutschland auch, dass dies keine Sache ist, die schnell vorangehen wird.
Momentan sprechen wir – darauf möchte ich noch eingehen – über das Thema Bleiberechtsreform. Ich finde, es ist ein wichtiger Schritt, dass wir mit dem Bleiberecht möglichst vie len Menschen in Deutschland legalen Aufenthalt ermöglichen. Es hat sich dabei als sehr gut erwiesen, dass wir gemeinsam mit anderen Ländern aktiv geworden sind, um beispielswei se ein dauerhaftes Bleiberecht für Flüchtlinge, die in Ausbil dung sind, zu schaffen etc. Ich glaube tatsächlich, dass es bes ser ist, wenn wir uns mit anderen Ländern zusammentun, als nun mit vielen Eigeninitiativen mehrere Dinge nebeneinan der zu stellen.
Der zentrale Player ist in diesem Fall aber tatsächlich der Deutsche Bundestag mit den Mehrheiten, die es dort gibt. Wir werden mit noch so vielen Initiativen von Länderseite kom men können – – Wir haben reihenweise Gesetzesbeschlüsse des Bundesrats, die im Bundestag momentan noch auf Halde liegen und nicht beraten werden.
Um zeitlich wirklich voranzukommen, bedarf es der Überzeu gungsarbeit. Auf diese Überzeugungsarbeit hoffe ich nach den Aussagen des Kollegen Reinhart auch vonseiten der badenwürttembergischen CDU und innerhalb der CDU, damit wir tatsächlich zu einem Einwanderungsgesetz kommen statt nun noch vieler weiterer Anträge im Bundesrat.
Ich will noch einen letzten Punkt ansprechen, der in dieser Debatte von allen Rednerinnen und Rednern ebenfalls schon angesprochen wurde. Das ist das Thema einer solidarischen Flüchtlings- und Asylpolitik und einer Quote in Europa. Ich glaube, es ist gut, dass in der deutschen Bundesregierung al le inzwischen gemeinschaftlich darauf drängen, dass wir bei diesem Thema vorankommen. Es kann auf Dauer nicht gut funktionieren, wenn faktisch vier bis fünf europäische Staa ten 80 % aller Flüchtlinge unterbringen.
Ich will aber trotzdem – diesen Hinweis habe ich auch schon auf dem baden-württembergischen Flüchtlingsgipfel gegeben – eines sagen: Ein solidarisches europäisches Flüchtlingssys tem ist eine Notwendigkeit für sich selbst. Die Hoffnung oder gar die Erwartung, dass mit einem solchen System entweder die Ursachen von Flucht oder auch die Zahl der Flüchtlinge, die Deutschland zugewiesen werden, in irgendeiner Weise re duziert würden, sollten wir nicht wecken. Deutschland nimmt nämlich nach allen Schlüsseln, die es bisher gibt, in etwa ge nau so viele Flüchtlinge auf, wie nach allen Verteilschlüsseln auch auf Deutschland zukommen würden.
Wichtig ist, dass sich alle Länder daran beteiligen. Denn es ist die Frage, wie es gelingt, den Ländern, die besonders be
troffen sind – sei es Italien, Griechenland oder Spanien –, Ver lässlichkeit darin zu bieten, dass sie – vorausgesetzt, sie set zen EU-Recht vollständig um – von den anderen EU-Staaten solidarische Hilfe erhalten. Das ist die wichtige Aufgabe. Es darf nicht sein, dass die Nationalstaaten in ihrer Eigenverant wortung – die sie für die Grenzsicherung haben und die sie auch für die Asylunterbringung haben – das Gefühl haben müssen, sie würden damit alleingelassen. Spanien müsste deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen, als es das momentan tut. Spanien macht das aber deswegen nicht, weil dort die Sor ge besteht, dass sie, wenn sie es machen, mit der Aufgabe al leingelassen werden.
Die Aufgabe eines solidarischen europäischen Flüchtlingssys tems ist also, deutlich zu machen: Kein Land – in welcher Be troffenheit auch immer – wird mit dieser Aufgabe alleingelas sen. Es kann nicht Zweck der Veranstaltung sein, dass wir ir gendwelche Lasten von Deutschland weg auf andere Schul tern verlagern. Dazu wird ein europäisches Flüchtlingssystem keinerlei Rahmen bieten.
Herzlichen Dank, Herr Prä sident. – Herzlichen Dank, Herr Minister Friedrich, für die klaren Worte, und auch Ihnen herzlichen Dank, Herr Reinhart, für Ihre besonnenen Äußerungen. Wir wünschen uns, dass Ih re Position in der CDU mehrheitsfähig wird.
Wir müssen uns einmal Folgendes vor Augen halten: Jetzt werden 5 000 Resettlement-Plätze geschaffen. Das UNHCR reklamiert 380 000 Plätze. Genau das ist es: Wir müssen na türlich in Europa, in den anderen europäischen Staaten, auch in solchen, die bisher noch keine Kultur in Fragen der Auf nahme haben, aber die – wie etwa die baltischen Staaten – durchaus in der Lage wären, aktive Unterstützungspolitik zu leisten, darauf hinwirken, dass sich dort Communities ansie deln können. Wenn dort einmal Flüchtlinge leben, werden an dere aus diesen Nationen hinzukommen. Denn niemand geht an einen Ort, an dem er allein ist.
Selbstverständlich müssen wir auch in Europa, in Ländern, die Mitglied der EU sind, in denen es aber deutliche auslän derfeindliche und rassistische Tendenzen gibt, eine EU-Men schenrechtspolitik nach innen betreiben, damit diese Länder auch tatsächlich Flüchtlinge aufnehmen und diese ordentlich behandeln. Auch das ist eine Aufgabe, der wir uns stellen müs sen.
Ein bisschen Wasser muss ich nun doch in den harmonischen Wein gießen. Lieber Herr Reinhart, die Frage, ob Frontex nicht Seenotrettungseinsätze wie „Mare Nostrum“ koordinie ren könne, beantwortet Ihr Innenminister de Maizière – ein CDU-Minister – so: „Hierfür hat die Agentur weder das Man
Diese Äußerungen – – Herr de Maizière ist der Schlüssel. Wenn er aktiv sagen würde: „Ich bin der oberste Seenotret ter“, wäre es in Europa schon zu mehr Aktivitäten gekommen.
Dazu passt auch nicht, dass Herr Wolf überall, vor allem in Bierzelten und auf stammtischähnlichen Versammlungen, im mer wieder von „Wirtschaftsflüchtlingen“ spricht, so, als wä ren das welche, die wir nicht haben wollten. Wenn wir heute eine differenzierte Debatte über die Not der Menschen füh ren, hilft uns eine solche „Differenzierung“ nicht. Die Men schen haben individuelle Fluchtgründe. Wir wären diejenigen, die ebenfalls flüchten würden; wir wären die Ersten, die bei diesen Zuständen weg wären. Flüchtlinge sind Menschen, die eine Perspektive suchen.
Dazu passt auch nicht, wenn Ihr Landesvorsitzender Strobl sich gegen eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge – eine deut liche Verbesserung für das System und auch eine finanzielle Erleichterung – ausspricht und sagt, dies würde die Attrakti vität steigern. Die Menschen in der Sahelzone flüchten nicht, weil wir eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge haben, meine Damen und Herren.
Mein allerletzter Satz: Wenn immer wieder ziemlich pathe tisch und fast schon populistisch von Schlepperbekämpfung geredet wird: Sie wissen ganz genau, dass, wenn die Schiffe, die jetzt im Einsatz sind, versenkt werden, noch unsicherere Nussschalen verwendet werden. Auch das wird die Menschen nicht abhalten. Sie haben nämlich im wahrsten Sinn des Wor tes nichts zu verlieren. Das ist doch gerade die humanitäre Tragik. Darum gilt: Fluchtursachen bekämpfen, und nicht Flüchtlinge.
Herr Kollege Lucha, zu nächst zu Ihren Ausführungen: Sie werden all den berechtig ten Asylbewerbern in Deutschland keinen Gefallen tun, wenn Sie hier die Forderung einbringen, jeder könne unter dem Be griff „A-S-Y-L“ zu uns kommen.
(Abg. Manfred Lucha GRÜNE: Das habe ich über haupt nicht gesagt! – Zuruf von den Grünen: Das hat er nicht gesagt!)
Das ist der falsche Weg. Wir haben das Asylrecht als Grund recht für die begründeten Fälle geschaffen, und wir dürfen – das muss man immer sehen, und da hat der Kollege Wolf völ
lig recht – auch unsere deutsche Gesellschaft nicht überfor dern. Das ist ein ganz entscheidender Punkt.
Wir haben im Moment einen großen gesellschaftlichen Kon sens – übrigens ein großer Unterschied zu der Situation An fang der Neunzigerjahre. Ich bin seit 1992 hier im Parlament. Wir hatten damals hier die Fraktion der Republikaner mit ei nem Stimmenanteil von 11 %; manche Kollegen erinnern sich sicher noch daran. Das war eine ganz andere Zeit. Es ist sehr lobenswert, dass wir im Moment trotz dieser steigenden Flüchtlingszahlen einen großen Konsens haben. Aber das soll ten wir nicht gefährden, Herr Kollege.