Protokoll der Sitzung vom 10.06.2015

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch eine modera te und notwendige Stärkung der Mitwirkungsrechte der aner kannten Naturschutzvereine stärkt den Naturschutz in BadenWürttemberg. Wir wollen bei den Behördenentscheidungen den Sachverstand der Verbände gewinnbringend nutzen. Wo die Beteiligung notwendig ist, haben wir mit einer ausgewo genen und sinnvollen Regelung Möglichkeiten gefunden.

Ein Punkt, der mir persönlich am Herzen liegt: Wir nutzen die Möglichkeiten, die wir, das Land, haben, dem Willen der Ver

braucherinnen und Verbraucher nachzukommen, dass BadenWürttemberg frei von gentechnisch veränderten Organismen auf den Äckern und auf den Tellern bleibt, auch mit diesem Gesetz.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Patrick Rapp CDU – Abg. And reas Schwarz GRÜNE: Sehr gut!)

Die Möglichkeiten, die das Land, hat, schöpfen wir mit die sem Gesetz vollumfänglich aus. Wir wollen hier naturschutz fachlich besonders hochwertige Schutzgebiete vor dem Ein trag von gentechnisch veränderten Organismen schützen. Mit der Gesetzesnovelle schaffen wir für Naturschutzgebiete, den Nationalpark, Kern- und Pflegezonen der Biosphärengebiete sowie flächendeckende Naturdenkmale ein Schutzsystem ge gen mögliche Gefahren im Zusammenhang mit dem Anbau von Agrogentechnik, und wir schaffen einen Schutzgürtel in nerhalb eines Umgriffs von 3 km um diese Gebiete. Das be deutet, wir handeln hier für die Natur, für die Menschen und gegen die Gentechnik. Auch hier, glaube ich, ist dieses Gesetz ein wichtiger Schritt für uns.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Durch das neue Gesetz wollen wir die dauerhafte Sicherung der biologischen Vielfalt auch im Biotopverbund in BadenWürttemberg weiter stärken. Zudem werden mit der Novel lierung erstmals auch Alleen an öffentlichen Verkehrswegen gesetzlich unter Schutz gestellt. Bei den naturschutzrechtli chen Eingriffsregelungen wird der Suchraum für Ersatzmaß nahmen auf das Gemeindegebiet und den nächstgelegenen be nachbarten Naturraum erweitert. Das heißt, wir erleichtern auch den Vorhabenträgern die Suche nach geeigneten Stand orten für Ersatzmaßnahmen.

Die Gesetzesnovellierung wurde aber nicht nur für Neurege lungen, sondern auch – wo es möglich war – zur Deregulie rung und zur Entlastung der Verwaltung genutzt. Wir führen durch die erstmalige Einführung des optional ausgestalteten, elektronisch unterstützten Verfahrens zur Auslegung und Er satzverkündung der Schutzgebietskarten auch eine Verwal tungsvereinfachung sowie eine Steigerung der Kosteneffizi enz und der Transparenz für die Menschen durch. Ich glaube, da zeigt sich auch, dass die Bedürfnisse, der modernen Infor mationsgesellschaft Rechnung zu tragen, gleichzeitig eine Verwaltungsvereinfachung bedeuten können, die uns im Na turschutz voranbringt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Rahmen der An hörung der Träger öffentlicher Belange ging eine große Zahl von Stellungnahmen zum Gesetzentwurf ein.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das stimmt!)

Wir haben die erhaltenen Rückmeldungen geprüft; eine Rei he von Punkten, auch Anregungen, wurden im Regierungs entwurf aufgegriffen.

Wir, die Landesregierung, sind davon überzeugt: Die Novel lierung des Naturschutzgesetzes in Baden-Württemberg war notwendig. Wir legen jetzt einen guten Entwurf vor, der dem Ausgleich aller – zum Teil auch gegensätzlicher – Interessen am besten Rechnung trägt. Ihnen, dem Landtag von Baden

Württemberg, liegt dieser Gesetzentwurf nun vor. Sie werden ihn in den Ausschüssen beraten und diskutieren. Ich wünsche mir, dass wir möglichst bald mit einem neuen Naturschutzge setz unsere wichtige Arbeit für die Natur in Baden-Württem berg voranbringen. Prüfen Sie den Gesetzentwurf. Er bringt Baden-Württemberg weiter. Er hilft Mensch und Natur.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Her ren, für die Aussprache über den Gesetzentwurf hat das Prä sidium eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Rapp.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bonde, Sie haben ge rade gesagt, die Novelle des Landesnaturschutzgesetzes sei notwendig gewesen. Ich kann Ihnen zur Erweiterung sagen: Sie war Pflicht. Es ist nämlich Aufgabe der Länder, das anzu passen, was vom Bund gefordert ist.

Ich möchte im Rahmen dieser Gesetzeseinbringung vor der Klammer etwas sagen: Sie bringen heute den Entwurf dieses Gesetzes zur Neuordnung des Naturschutzrechts ein. Dazu – das haben Sie gerade erwähnt – fand im Vorfeld die Anhörung der Träger öffentlicher Belange, der Verbände und Vereini gungen statt, die am 10. März abgeschlossen wurde. Naturge mäß spiegeln die Stellungnahmen eine sehr große Bandbrei te wider: Für die Naturschutzverbände geschieht viel zu we nig, ist das Vorhaben nicht weitgehend genug, und für die Ver bände mit wirtschaftlichem Hintergrund ist es natürlich viel zu weitgehend. Fakt ist natürlich: Baden-Württemberg hat be reits einen hohen Standard im Naturschutzrecht gehabt. Da zu hat es auch keiner grün-roten Regierung bedurft.

Aber lassen Sie mich noch eines sagen: Die Geschwindigkeit, mit der Sie diesen Gesetzentwurf jetzt einbringen, und die Tat sache – das finde ich bemerkenswert –, dass Sie uns die An hörungsergebnisse erst auf Nachfrage im Verlauf der letzten Woche zur Verfügung gestellt haben, lässt schon tief blicken. Was Sie damit erreichen wollen, weiß ich nicht, aber allein dieses Vorgehen lässt tief blicken. Ich glaube, man braucht es auch nicht weiter zu kommentieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Zuruf des Abg. Karl Rombach CDU)

In einigen Punkten sind Sie in der Tat den Anregungen der Verbände gefolgt, z. B. bei den Biotopverbänden; hier haben Sie die Regelung tatsächlich so gestaltet, dass sie von den in der Praxis Handelnden auch umsetzbar ist. Ich weiß auch aus internen Gesprächen, dass sich die Kollegen von der SPD hier massiv auf die Hinterbeine gestellt haben, um das auch zu er reichen. An dieser Stelle vielleicht auch einmal ein Applaus für eine pragmatische Ausgestaltung eines Teils dieses Ge setzentwurfs.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Das war Grün-Rot und nicht Rot!)

An anderer Stelle ignorieren Sie, Herr Minister Bonde, jedoch die kritischen Anmerkungen und die berechtigten Einwände von Verbänden auf die für Sie typische Art und Weise. Ich er wähne einmal die Mitwirkungsrechte, die Sie gerade gelobt haben, die in den Verfahren, in den Abläufen wesentlich er weitert wurden. Sie greifen damit aber auch in bereits sehr gut funktionierende Strukturen ein, in ein gegenseitiges Sich-Ver stehen auf der praktischen Umsetzungsebene, in Abläufe, die sich sehr gut eingespielt haben. Sie verkomplizieren das Mit einander vorab vor Ort, Sie erschweren damit auch Abläufe,

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Aber die Abläufe bleiben doch gleich!)

Sie ziehen Verfahren damit auch in die Länge. Ob Sie damit der Arbeit der Naturschützer vor Ort und dem Naturschutz insgesamt Gutes tun, darf man, glaube ich, sehr wohl hinter fragen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Von den kommunalen Landesverbänden kommt der Hinweis, dass mit dieser Aufweitung und entsprechenden Erweiterung der Verfahren die Abläufe nicht einfacher werden, dass es ei nen zusätzlichen personellen, aber auch einen zusätzlichen fi nanziellen Aufwand auf der Ebene der Landkreise gibt. Die ser wird mit ungefähr 2 Millionen € für Baden-Württemberg beziffert. Herr Bonde, auch wenn es haushaltstechnisch auf einer anderen Ebene läuft: Nachhaltige Haushaltspolitik sieht anders aus.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Dann muss man auch sagen: Hinsichtlich der Ausweisung von Schutzgebieten wäre es natürlich sinnvoll, die Praxis der Re gelung über die Sammelverordnungen anzuwenden und eben nicht – das fordert die EU bei entsprechenden Richtlinien in Bezug auf Natura 2000 und FFH auch nicht – zu Handlungs verboten überzugehen und entsprechend direkte Eingriffsre gelungen zu treffen. Die EU hat einen anderen Rahmen ge setzt. Ich glaube, auch hier bedarf es der Nachbesserung.

(Minister Alexander Bonde: Des Nachlesens bedarf es! – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Falsch ver standen!)

Zum dritten Punkt möchte ich Ihnen eines sagen: Es fällt nach unserer Auffassung auf – so es in der Kürze der Zeit überhaupt möglich war, den jetzt angepassten Entwurf zu bearbeiten –, dass Sie an manchen Stellen etwas überziehen, etwas über das Ziel hinausschießen.

Deswegen möchte ich Sie noch mit einer kleinen Geschichte über die Folgen eines derartigen Verhaltens konfrontieren. Vor einigen Jahren hat man im südlichen Schwarzwald auf einem bewirtschafteten Gelände mit Hecken und Wiesen, die ent sprechend zurückgeschnitten bzw. gemäht wurden, eine klei nere Population Alpenspitzmäuse entdeckt.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Als sofortige Reaktion wurde dann die Nutzung eingestellt, was aber dazu führte, dass sich die Habitate, die Lebensräu me verändert haben, Sukzession gegriffen hat. Entsprechend

war am Schluss die Nahrungsgrundlage für die Alpenspitz mäuse nicht mehr vorhanden, was dazu geführt hat, dass die se Tierart an dieser Stelle wieder ausgestorben ist.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Gut ge meint, falsch gemacht!)

Jetzt möchte ich Ihnen eines sagen: Nehmen Sie diese Ge schichte zum Anlass, bis zur nächsten Woche darüber nach zudenken – nehmen Sie vielleicht ein Gläsle Wein vom Kol legen Pix zur Hand –,

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

was dies bedeuten kann, anstatt hier die gesetzgeberische Rennmaus zu spielen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Rösler.

(Zurufe)

Sehr geehrter Herr Präsi dent, werte Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein Feiertag; aus meiner Sicht ist heute sogar ein musikalischer Feiertag.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Nationalfeiertag! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Musikland Baden-Württemberg!)

Denn wir feiern einen Dreiklang: Naturschutzfinanzen, Na turschutzstrategie, Naturschutzgesetz. Das alles gehört zusam men, und das alles haben wir auf den Weg gebracht.

Der erste Ton stammt schon aus dem Jahr 2011. Gleich nach dem Regierungsantritt haben wir abgesichert, dass die Natur schutzfinanzen um 30 Millionen € erhöht wurden. Damit ha ben wir ein zentrales Wahlkampfversprechen konsequent ein gehalten.

Zweiter Ton: Wir haben zwei Jahre später, 2013, eine innova tive, bundesweit vorbildliche Naturschutzstrategie formuliert, die weit über das hinausging, was die Vorgängerregierung for muliert hatte. Damit haben wir die Grundlage für ein moder nes Land, auch für ein modernes Natur- und Kulturland schaftsland Baden-Württemberg gelegt.

Der dritte Ton im Dreiklang erklingt heute: Wir legen ein mo dernes, zeitgemäßes Naturschutzgesetz vor.

Naturschutzfinanzen, Naturschutzstrategie, Naturschutzgesetz – das ist ein grün-roter Dreiklang, der sehr, sehr gut zu Ba den-Württemberg passt.