Protokoll der Sitzung vom 30.09.2015

Meine sehr geehrten Damen und Herren, insgesamt ist das Ge setz in Ordnung. Wir werden es auch unterstützen und ihm zustimmen. Aber die geäußerte Kritik ist aus unserer Sicht an gebracht. Die Beteiligung an den allgemeinen und sozialen Angelegenheiten war der Wunsch der Justizpraxis. Dem wol len wir uns seitens der CDU-Fraktion auch nicht verschlie ßen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich das Wort Herrn Abg. Filius.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Meine Fraktion hält an ihrer Position fest, sodass wir auch in der Zweiten Beratung diesem gelungenen Gesetzentwurf zur Änderung des Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetzes po sitiv gegenüberstehen und ihm dann selbstverständlich auch zustimmen werden. Mich freut, dass dies vonseiten der CDU ebenfalls schon signalisiert worden ist.

Dieser Gesetzentwurf ist praxisorientiert. Es ergab sich aus der Diskussion – der Kollege Scheffold hat vorhin darauf hin gewiesen –, dass schon 2013 das entsprechende Bedürfnis aus der Richterschaft heraus signalisiert worden ist. Über 1 000 Richterinnen und Richter haben gesagt: „Ja, wir wollen über unsere eigenen Belange mitbestimmen können“; hier ist also eine Stufenvertretung auf allen Ebenen gefordert worden.

Wichtig ist – dies noch einmal zur Erläuterung –: Die Präsi dialverfassung, die hier in Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bundesländern ebenfalls ein Unikat darstellt, bleibt unberührt von der nun vorgesehenen Ergänzung.

Aber diese Stufenvertretung – so möchte ich dies einfach ein mal nennen – ist ein weiterer großer Schritt in Richtung Selbst verwaltung der Justiz. Es geht darum, eigene Belange mitent scheiden zu können – sei es jetzt bei der elektronischen Akte oder sei es in anderen Angelegenheiten, etwa bei der Auswahl von Software. Hier können sich die Richterinnen und Richter praxisorientiert einbringen.

Das Freistellungsjahr wird von uns ebenfalls begrüßt. Es ist wichtig, dass dies analog zu der Regelung für die Beamten nun auch bei der Richterschaft eingeführt werden kann.

Der gesamte Prozess ist sehr breit angelegt und mit den Rich terinnen und Richtern diskutiert worden. Man muss festhal ten: Das Gesetz wird dazu beitragen, die Attraktivität des Ar

beitgebers Justiz zu stärken und zu erhöhen. Mehr Mitspra chemöglichkeiten sind eingefordert worden; dies wird mit dem Gesetz nun umgesetzt, und wir können einfach – –

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Danke. – Wir können hier einfach festhalten, dass der vor liegende Gesetzentwurf ein gutes Zeichen dafür ist, dass die Justiz dem Landtag von Baden-Württemberg – das gilt für das gesamte Haus – eine Herzensangelegenheit ist und man dabei zu Lösungen kommt, bei denen sich alle Fraktionen wieder finden können. Deswegen werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Binder.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Wir haben einen Gesetzentwurf vorliegen, dem im Ausschuss alle Fraktionen zugestimmt haben. Des halb sehen Sie es mir bitte nach, dass ich nicht auf alle Punk te eingehen werde.

Ich möchte mich auf einen Punkt konzentrieren, und zwar auf die vom Kollegen Scheffold angesprochene Stichtagsregelung bei der Beurteilung. Kollege Scheffold, wenn Sie sagen, bis lang seien nur Urteile in der Fachgerichtsbarkeit ergangen, so ist dies richtig. Wenn man sich diese Urteile jedoch genauer anschaut, stellt man fest, dass die Maßstäbe, die die Recht sprechung daran angelegt hat, mit denen der ordentlichen Ge richtsbarkeit unmittelbar zu vergleichen sind.

Deshalb ist es richtig, dass das Justizministerium dies bereits mit dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehen hat, um eventuelle Klagen schon im Vorfeld zu verhindern. Wenn es obergerichtliche Entscheidungen gibt, die wir bei der Gesetz gebung anwenden bzw. berücksichtigen müssen, wäre es für uns als Gesetzgeber nicht in Ordnung, wenn wir diese Recht sprechung ignorieren würden. Deshalb ist diese Stichtagsre gelung zwar mit viel Aufwand verbunden – das sehen wir auch –, aber wir unterstützen die mit dem geplanten Gesetz reali sierte Rechtssicherheit.

Im Übrigen stimmen wir der Stufenvertretung in diesem Ge setz zu – eine langjährige Forderung der SPD-Landtagsfrak tion, aber auch vieler Richterinnen und Richter in der badenwürttembergischen Justiz.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Goll.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Auch die FDP/DVP-Fraktion wird – um dies vorwegzunehmen – dem Gesetzentwurf zustimmen, obwohl man über den Bedarf streiten kann. Bereits in der ers ten Lesung habe ich mir erlaubt, dies zum Ausdruck zu brin gen und auch zu sagen, warum. Die Richterschaft ist sicher

eine Belegschaft besonderer Art, geschützt durch die richter liche Unabhängigkeit. Insofern kann man auch den Stand punkt vertreten, dass sie Mitwirkungsrechte formaler Art nicht im selben Maß braucht wie andere Belegschaften. Denn die Angelegenheiten, die mitwirkungspflichtig sind, sind in der Regel gar nicht ohne den Umstand durchführbar, dass sie von der Richterschaft mitgetragen und gestützt werden.

Aber auf der anderen Seite wollen wir auch nicht das Signal geben, wir wollten der Richterschaft diese Rechte nicht ge ben. Die vorgesehenen Regelungen sind sicher nicht falsch, und deswegen werden wir uns in dieser Hinsicht dem Kon sens anschließen.

Allerdings muss noch einmal folgender Punkt hervorgehoben werden: Dass man die gesetzliche Regelung einführt, ohne den personellen Mehrbedarf zu berücksichtigen, ist eigentlich nicht in Ordnung. Das ist, wenn man so will, keine saubere Arbeit. Wer A sagt, muss eigentlich auch B sagen. Und – Ver zeihung – die Erklärung, man könne das nicht berechnen, hal ten wir natürlich auch nicht für glaubhaft; denn sie ist es nicht.

Insofern wäre es im Sinne einer vollständigen Umsetzung nö tig, auch über aus den neuen gesetzlichen Regelungen resul tierende Personalausfälle zu reden. – Das ist die erste Anmer kung.

Die zweite Anmerkung bezieht sich auch noch einmal auf das Thema Stichtag. Man kann trefflich darüber diskutieren, wie groß der Druck der Rechtsprechung nun tatsächlich ist. Wir hören ja auch Stimmen aus der Richterschaft, die sagen: Der VGH hatte schon Gelegenheit gehabt, sich deutlich zu äußern, und hat es nicht getan. So sicher ist es also nicht, dass wir uns da nicht doch in die berühmte Situation begeben, dass man aus Angst vor dem Tod Selbstmord begeht.

Denn der einheitliche Stichtag hat natürlich seine Tücken; das wissen wir alle. Die Beurteilungen werden eher ein Massen geschäft und verlieren damit an Wert und an Aussagekraft. In sofern hätte mir der Vorschlag, der ja ebenfalls aus der Rich terschaft kam, durchaus eingeleuchtet, dieses Gesetz zunächst einmal in die Schublade zu legen und es dort für den Fall vor zuhalten, dass der VGH tatsächlich ein Verfahren beanstan det. Ob es so schlimm gewesen wäre, wenn dies in einem Ver fahren einmal beanstandet wird? Da muss ich sagen: Das hät te man vielleicht eher in Kauf nehmen können und hätte dann sofort den Gesetzentwurf hervorholen und beschließen kön nen. Es hätte sicherlich jeden hier überzeugt, dass man in die sem Fall handeln müsste.

Noch ein letztes Stichwort, da – auch von den Vorrednern eben – die Frage der Attraktivität des Richteramts angesprochen wurde: Wir haben in den Gesprächen, die nun in Bezug auf die Mitbestimmungsfragen stattgefunden haben, von der Rich terschaft noch einmal sehr deutlich gesagt bekommen, wo im Moment das eigentliche Problem bezüglich der Attraktivität des Richterberufs liegt: Das ist die Besoldung. Darum muss man, glaube ich, in der Debatte das Stichwort Besoldung we nigstens ansprechen. Wer auch immer in den kommenden zwei, drei Jahren zuständig sein wird, er muss sich mit dem Thema Richterbesoldung beschäftigen. Denn zum ersten Mal konnten Richterstellen nicht besetzt werden; die Tätigkeit ist offensichtlich nicht mehr hinreichend attraktiv. Ich habe ei gentlich noch nie erlebt, dass innerhalb der Richterschaft über

Geld geredet wird. Jetzt wird auf einmal und schlagartig sehr viel über Geld geredet; denn man hat offensichtlich das Ge fühl, irgendwie abgehängt zu werden.

Was als Sofortmaßnahme notwendig wäre, wäre der soforti ge Wegfall des Abschlags in Höhe von 8 % bei der Eingangs besoldung, der eine absolut abschreckende Wirkung nicht nur, aber gerade im Richterbereich hat. Deswegen vertritt meine Fraktion die Meinung, dass eine dringende Sofortmaßnahme darin besteht, so bald wie möglich diesen achtprozentigen Ab schlag bei der Eingangsbesoldung wieder abzuschaffen.

Mit diesen Anmerkungen werden wir dem Gesetzentwurf ins gesamt zustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Stickelberger.

Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Zunächst herzlichen Dank an die Redner aller vier Fraktionen sowie an die Fraktionen für die konstruktive Begleitung in den parlamentarischen Bera tungen und die bereits signalisierte Zustimmung zu diesem Gesetz. Ich habe jetzt nur marginale Kritik vernommen.

Zutreffend ist gesagt worden: Wir haben vor zwei Jahren die Mitbestimmung der Richterinnen und Richter sowie Staats anwältinnen und Staatsanwälte in personellen Angelegenhei ten deutlich erweitert. Dies geschah in diesem Haus einver nehmlich, worüber ich mich sehr gefreut habe. Dies ist für die Justizpraxis, glaube ich, ein gutes Signal gewesen. Wir haben diese Erweiterung in personellen Angelegenheiten als Pflicht verstanden.

Mit diesem Gesetzentwurf, mit der Erweiterung der Mitbe stimmung in nicht personellen Angelegenheiten, die insbeson dere vor dem Hintergrund großer Umwälzungen in der Justiz besonders wichtig sind, machen wir die Kür.

Es ist nicht nachvollziehbar, warum Beamtinnen und Beam te sowie Angestellte der Justiz Prozesse wie etwa beispiels weise den elektronischen Rechtsverkehr oder die Einführung der elektronischen Akte über den Hauptpersonalrat aktiv mit gestalten können, während die ebenfalls betroffene große Gruppe der Richter und Staatsanwälte ausgeschlossen ist. Das ist vom Ergebnis her unbefriedigend. Ich glaube, bei diesen wichtigen Aufgaben ist es besonders angezeigt, dass alle Jus tizbediensteten einbezogen werden.

Mit unserem Gesetzentwurf regeln wir die Stufenvertretung, also eine Vertretung auf den einzelnen Stufen der Hierarchie der Justiz. Zudem führen wir Einigungsstellen ein, sodass Konflikte auf der betreffenden Gerichtsebene gelöst werden können. Ferner verankern wir in diesem Gesetz ein qualifi ziertes Anhörungsrecht für Richter und Staatsanwälte für al le Maßnahmen, die in der Justiz getroffen werden.

Ich freue mich, dass das in großem Konsens erfolgt. Das wird über den Tag hinaus Bestand haben und zu einem Regelungs werk führen, das wir auch in der Praxis gut anwenden kön nen.

Ich möchte noch kurz auf die Einwände eingehen, die Sie, Herr Kollege Dr. Scheffold und Herr Kollege Dr. Goll, for muliert haben.

Zunächst zum einheitlichen Stichtag: Kollege Binder hat zu treffend auf die Rechtslage hingewiesen. Wenn man die Recht sprechung dazu nachvollzieht, dann stellt man fest, dass sie zwar zu einem konkreten Fall aus der Fachgerichtsbarkeit er gangen ist, aber die Grundsätze, die in dieser Rechtsprechung entwickelt wurden, gelten natürlich für alle Beurteilungen.

Wir halten das System gleichwohl für praktikabel. Wir haben die Zahl der Beurteilungsanlässe reduziert. Ferner schaffen wir die Möglichkeit, bei großen Gerichten die Beurteilungen auf einen Zeitkorridor von bis zu einem Jahr zu verteilen. Im Übrigen kann sich der Präsident eines Gerichts auch behel fen, indem er weitere aufsichtführende Richter in die Gestal tung der Beurteilungen einbezieht. Er muss das nicht von A bis Z alles selbst machen. Wir glauben, das ist zu bewältigen und dient letztlich dem Rechtsfrieden und macht zudem un sere Ernennungen und Beförderungsentscheidungen rechtssi cher gegen Konkurrentenklagen, die zu befürchten sind.

Meine Kollegen von der Opposition, Sie haben ferner die Frei stellung angesprochen. Ich habe bereits im Ausschuss Aus führungen dazu gemacht. Ich würde sagen, wir erproben das jetzt einmal und schauen, wie dieses neue System gelebt wird.

Herr Kollege Dr. Goll, Sie werfen uns vor, wir würden unsau ber arbeiten. Sie wissen aus Ihrer langjährigen Praxis als Mi nister, dass wir schon jetzt Richterräte bei den Gerichten ha ben. Diese Richterräte funktionieren seit Jahrzehnten ohne Freistellungsregelung. Sie haben es in Ihrer 13-jährigen Re gierungszeit auch nicht für nötig gehalten, Freistellungsrege lungen für diesen sehr großen Bereich einzuführen.

(Abg. Dr. Ulrich Goll FDP/DVP: Wir haben den Vor schlag aber auch nicht gemacht!)

So gesehen sollten wir die Entwicklung abwarten. Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass Nachsteuerungsbedarf sowie die Notwendigkeit besteht, Freistellungsregelungen zu schaf fen, dann gehen wir das gemeinsam mit der Fraktion GRÜ NE und der Fraktion der SPD in der nächsten Legislaturperi ode an.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Dieter Hillebrand CDU)