Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

(Staatssekretär Jürgen Walter: Die CDU will keine Informationsfreiheit! Sie will wieder geheim tagen!)

Auch die Verbände, denen man dies versprochen hat, haben das erkannt,

(Staatssekretär Jürgen Walter: Ihr solltet mal sagen, was ihr wollt, und nicht das, was wir vielleicht wol len!)

so beispielsweise die Journalistenvereinigung Netzwerk Re cherche:

Das „Gesetz zur Einführung der Informationsfreiheit“ gehört zum Schlechtesten, was die Republik zu diesem Thema zu bieten hat.... Es wird ein Sprung vom letzten Platz (gar kein Informationsfreiheitsgesetz) auf den vor letzten Platz sein (ein besonders schlechtes Informations freiheitsgesetz).

(Staatssekretär Jürgen Walter: Habt ihr denn damals eines gemacht?)

Der Landesverband Baden-Württemberg von „Mehr Demo kratie e. V.“ schreibt – auch das will ich Ihnen doch noch ein mal vorhalten –:

Dieses geplante Informationsfreiheitsgesetz für BadenWürttemberg ist im Vergleich der Bundesländer das schlechteste, das es in Deutschland gibt.

Jetzt wird es Sie überraschen, dass wir die Sache in diesem Punkt nicht so sehen. Wir halten das geplante Gesetz in die sem Fall durchaus für mehr oder weniger ausgewogen, da es insbesondere viele sensible Bereiche des Staates ganz oder teilweise vom Anwendungsbereich ausnimmt: die Sicherheits behörden, den Verfassungsschutz, die Hochschulen, insbeson dere was die Forschung anbelangt, die Wirtschaftskammern und vieles andere mehr.

Auf der anderen Seite geben Sie, geben wir mit diesem Ge setz den Behörden, den Kommunen und dem Land die Mög lichkeit, umfassende Abwägungen vorzunehmen und private wie auch öffentliche Belange zu berücksichtigen. Gleichzei tig gibt es die Möglichkeit, dann, wenn ein Übermaß besteht, wenn zu genau in die Karten geschaut werden soll, die ent sprechende Auskunft auch zu verweigern. Deswegen – das haben wir bereits in der ersten Lesung angekündigt – werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen.

Es freut uns umso mehr, dass die Regierung und die Regie rungsfraktionen in den Beratungen im Innenausschuss unse ren Vorstoß aus der ersten Lesung aufgenommen haben, das Widerspruchsverfahren wieder obligatorisch vorzusehen, so, wie es sich in Verwaltungsverfahren auch gehört. Insofern gibt es heute einen fraktionsübergreifenden Änderungsantrag. Das ist bürgerfreundlich, weil der Bürger im Widerspruchsverfah ren schnell und kostengünstig zu einer weiteren Meinung kommt. Es wurde ja immer gesagt: „Wenn er direkt klagen kann, geht es schneller.“ Wer aber weiß, wie lange die Verfah ren beim Verwaltungsgericht häufig dauern, weiß auch, dass man über das Widerspruchsverfahren zumindest schnell eine weitere, nächste Auskunft bzw. einen Bescheid bekommt.

Es ist aber auch behördenfreundlich. Wir betreten hier ein Stück weit Neuland, in das sich auch die Behörden erst hin einfinden müssen, da die Anwendung dieses Gesetzes zu nächst eine gewisse Praxis erfahren muss. Insofern geben wir den Behörden und dem Staat hier auch eine Möglichkeit der Selbstkontrolle. Auch der VGH, der Präsident des Verwal tungsgerichtshofs, hatte dies im Sinne einer Gerichtsressour cen schonenden Maßnahme gefordert.

Insofern bedanke ich mich für die Offenheit aufseiten der Re gierungskoalition. Das kommt ja selten genug vor. Wir kön nen dem Gesetzentwurf heute also mitsamt dem Änderungs vorschlag zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich das Wort Herrn Abg. Sckerl.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind in der zweiten Lesung eines wichtigen Gesetzentwurfs. Nun war es bei Herrn Throm natürlich ein bisschen eine Märchenstunde. Ich weiß nicht, welche Vorstellungen er davon hat, wie es in einer Ko alition zugeht. Dass sich die Grünen wieder einmal nicht hät ten durchsetzen können oder Ähnliches, muss ich allerdings in den Bereich der Fabeln verweisen, lieber Herr Kollege. Na türlich ist in einer Koalition ein Gesetz immer zunächst in der Diskussion. Aber dies war weit weniger strittig, als Sie sich das vorstellen können.

Wenn ein Bundesland zum ersten Mal ein Informationsfrei heitsgesetz auf den Weg bringt – wir verabschieden heute ein solches Gesetz –, besteht die Notwendigkeit, Diskussionen zu führen. Dies gilt insbesondere für Behörden und Ministerien. Denn mit einem solchen Gesetz werden Urängste in puncto Informationsfreiheit, in puncto Offenlegung von Informatio nen hervorgerufen. Man ist es nicht gewohnt, transparent zu arbeiten. Das müssen unsere Behörden selbstverständlich ler nen, und ich glaube, sie werden es sehr schnell lernen.

Wir sind auch sehr zuversichtlich, wenn wir die Entwicklun gen in anderen Ländern verfolgen. Wir sehen beispielsweise die Evaluation des Bundes, wir beobachten die Entwicklung in Rheinland-Pfalz, wo vor drei Jahren mit einem ähnlichen Gesetz, wie wir es nun vorlegen, in Sachen Informationsfrei heit eingestiegen wurde; dort war man nach drei Jahren schnell in der Lage, z. B. die sogenannten proaktiven Veröffentli chungspflichten für die Ministerien und Landesbehörden deut lich zu erweitern, weil auch Ministerien und Behörden Zu

trauen gefasst haben. Da ist also selbstverständlich Luft nach oben.

Für den Einstieg, dass das Land Baden-Württemberg, dass die Bürgerinnen und Bürger jetzt endlich über Informationsfrei heitsrechte verfügen, ist das aus unserer Sicht eine gute Grund lage. Wir begrüßen, dass es heute so weit ist.

Sie müssen auch zugestehen: Bei Ihnen war das drei Legisla turperioden lang nicht möglich, obwohl mindestens in zwei Legislaturperioden Ihr damaliger kleiner Koalitionspartner, die FDP/DVP, ein Informationsfreiheitsgesetz gefordert hat. Aber Sie haben das immer verhindert. Wir könnten in BadenWürttemberg schon längst ein Informationsfreiheitsgesetz ha ben. Daher sollten Sie sich nicht ganz so weit aus dem Fens ter hängen. Ich glaube, Sie haben das über viele, viele Jahre in Baden-Württemberg verhindert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Aber wir begrüßen, dass wir heute Einvernehmen über diese Einstiegslösung im Gesetz haben.

Noch einmal in aller Kürze die wichtigsten Punkte:

Wir halten es für wichtig, dass unsere Verwaltungen verpflich tet werden, bestimmte Dokumente aktiv zu veröffentlichen. Wir halten die Dokumenttypen, auf die man sich geeinigt hat, für unproblematisch. Das wird auch im Gesetz stehen. Bürge rinnen und Bürger – das ist das Ziel – können sich dadurch selbstständig Informationen aus den Internetseiten der Minis terien und Behörden beschaffen, ohne erst zeitraubende An träge stellen zu müssen.

Wir haben bürgerfreundliche Kostenregelungen – das halte ich für ein ganz wichtiges Ergebnis dieses Gesetzes – ein schließlich der Möglichkeit eines Kostenvoranschlags für Rat suchende Bürgerinnen und Bürger, um ihr Kostenrisiko über schaubar zu halten.

Dass wir die Widerspruchsrechtsebene beibehalten, sehen wir ebenfalls als sehr wichtig an. Das ist, wenn Sie so wollen, ein gemeinsamer Erfolg der parlamentarischen Beratung dieses Gesetzentwurfs.

Wir schaffen einen Landesbeauftragten für Informationsfrei heit in der Gestalt des Landesbeauftragten für den Daten schutz, dessen Funktion wir erweitern. Er wird in Zukunft ei ne wichtige Beratungs-, aber auch Entscheidungsfunktion ha ben.

Wir evaluieren das Gesetz transparent und offen und haben, glaube ich, unter dem Strich – ich habe es schon einmal ge sagt – eine Lösung, die sich inhaltlich an den Regelungen des Bundes und einiger Länder orientiert. Wir landen nicht auf dem vorletzten Platz, wir verbessern uns nicht vom letzten auf den vorletzten Platz – auf dem letzten Platz waren wir –, son dern wir rücken jetzt im Bundesvergleich ins Mittelfeld vor.

Natürlich gibt es Kritik. Dieser stellen wir uns auch. Das sind in der Regel aber – Herr Throm, das wissen Sie – Verbände, deren ureigenes Interesse ein Maximum an Informationsbe schaffung ist. Das sind Journalisten, das ist Netzwerk Recher che. Ich glaube, die haben auch eine etwas andere Sicht als die Bürgerinnen und Bürger in ihrer Masse, die ganz andere

Informationsansprüche haben. Für die haben wir das Gesetz in erster Linie gemacht. Für die Bürgerinnen und Bürger ma chen wir dieses Angebot. Ich glaube, das Angebot kann sich sehen lassen.

Deswegen stimmt meine Fraktion diesem Gesetz zu. Das Ein vernehmen freut uns.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Sakellariou das Wort.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Herr Kollege Throm, entscheidend ist, was hinten herauskommt. Und das, was herausgekommen ist, ist ein Informationsfreiheitsgesetz, das alle vier Fraktio nen in diesem Haus begrüßen. Deswegen, vom Ergebnis her gedacht, können wir wirklich zufrieden sein, dass wir in ei nem gesellschaftlichen Konsens diese neue Möglichkeit ge schaffen haben. Sie ist gerade kein Ausdruck von Misstrauen, sondern ein Ausdruck von Zutrauen, dass die Bevölkerung, dass die Bürger mit diesem neuen Instrument, das wir ihnen einvernehmlich in die Hände geben, verantwortlich umgehen.

Wir sind ja auch alle Kommunalpolitiker, die von diesem In formationsfreiheitsgesetz auch betroffen sind. Oft genug ist davon die Rede, dass „die da oben“ immer dieses oder jenes gemeinsam aushandeln oder „verkarteln“. Genau diesem Trend werden wir entgegenwirken, indem wir bestimmte Dinge ver öffentlichungspflichtig und sichtbar machen und die Möglich keit geben, sich diese Informationen zu beschaffen.

Wir hoffen also, dass mit diesem Zutrauen Entscheidungen mehr Akzeptanz finden und dadurch auch die Beteiligung an solchen Entscheidungen steigt. Denn das ist ja letztlich unser eigentliches Problem.

Erfreulich ist auch, dass wir im Zuge der Beratungen die Strei chung des Widerspruchsverfahrens wieder aus dem Gesetz entwurf herausgenommen haben. Ich möchte aber den Gedan ken, der dazu geführt hat, das Widerspruchsverfahren auszu schließen, schon noch einmal darstellen.

Die Evaluation hat ergeben, dass in gerade einmal 7 % der Verfahren einem Widerspruch stattgegeben wurde. Das heißt, in 93 % der Fälle wurde ihm nicht stattgegeben mit der Fol ge, dass quasi, wenn man eine endgültige Entscheidung her beiführen wollte, sich in 93 % der Fälle die Entscheidung um die Dauer des Widerspruchsverfahrens verzögert hätte. Das war der Gedanke. Dieser war im Grunde bürgerfreundlich. Aber nachdem von der Anwaltschaft und den Beteiligten der Wunsch so überwiegend kam, in diesem konkreten Verfahren auf die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens zu verzich ten, haben wir das auch einvernehmlich in diesem Änderungs antrag so festgehalten.

Das ist auch ein Beispiel für ein gutes gesetzgeberisches Ver fahren. Dabei dauert etwas manchmal auch ein bisschen län ger, weil man eben viele einbinden möchte und auch einbin den muss. Wenn dann im Ergebnis ein Gesetz herauskommt, das am Anfang sehr streitig war und die FDP/DVP – – Auf den Beitrag der FDP/DVP bin ich jetzt wieder besonders ge spannt. Da wird Herr Professor Dr. Goll wohl wieder eine be

sonders erfreuliche Formulierung finden, weil er ja lange da runter gelitten hat, dass zu seiner Zeit als Minister ein solches Gesetz nicht zustande gekommen ist.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Nik, wir freuen uns alle auf den Beitrag!)

So ist es. – Mit den Worten „Dass ich das noch erleben durf te“ hat er, glaube ich, seinen Beitrag im Rahmen der Ersten Beratung begonnen. Insofern bin ich einmal gespannt, ob er dies noch steigern kann.

Wir werden diesem Gesetz selbstverständlich zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist jetzt eine Überraschung!)

Für die FDP/DVP-Frak tion darf ich Herrn Abg. Professor Dr. Goll das Wort erteilen.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Erwarten Sie jetzt nicht zu viel, lieber Herr Sakellariou. Denn nachdem ich schon in der ersten Le sung meiner Rührung gebührend Ausdruck verliehen habe,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

werde ich mich heute zurückhalten.

Aber wir freuen uns natürlich, dass das Gesetz jetzt beschlos sen wird, auch wenn ich mir nicht verkneifen kann, noch ein mal darauf hinzuweisen, dass wir fast die gleiche Regel seit zweieinhalb Jahren hätten haben können.